OGH 2Ob127/23z

OGH2Ob127/23z25.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikingerals weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, 2. M*, vertreten durch Mag. Martin Prett, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Mag. Walter Dorn, Dr. Horst Kilzer, Rechtsanwälte in Villach, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei A*, vertreten durch Dr. Bernhard Fink, ua Rechtsanwälte in Villach, wegen Feststellung (Streitwert 15.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 13. April 2023, GZ 3 R 30/23f‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00127.23Z.0725.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag der Kläger auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Der Nebenintervenient wurde von der beklagten Gesellschaft bevollmächtigt, die Beklagte „bei der gewerberechtlichen Verhandlung [betreffend eine Betriebsanlage] zu vertreten“. Im Revisionsverfahren ist strittig, ob der Nebenintervenient aufgrund dieser Vollmacht auch dazu berechtigt war, mit den klagenden Anrainern eine zivilrechtliche Vereinbarung in der Verhandlung zu schließen. Nach dieser Vereinbarung hat die Beklagte das Brechen von Bauschutt zu unterlassen, worauf die Kläger auf weitere Einwendungen gegen die Anlage verzichteten. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Vollmacht auch den Abschluss einer solchen Vereinbarung umfasst, und stellte zwischen den Streitteilen eine entsprechende wirksame Vereinbarung fest.

[2] 2. Die Auslegung des Umfangs einer konkreten Vollmacht hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0044358 [T36]; RS0019533). Eine erhebliche Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

[3] 3. Die Kläger verfassten als Anrainer im Jahr 2021 mehrere Eingaben und machten Lärmbelästigungen durch die Anlage der Beklagten geltend. Darauf ergingen nach Lärmmessungen und einer Amtsnachschau Strafbescheide gegen die Beklagte; ihr wurde die Tätigkeit auf dem Grundstück untersagt. In weiterer Folge beantragte die Beklagte eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung einer LKW-Halle mit Tankstelle, Bürobereich, KFZ‑Abstellflächen, Biomasse‑ und Heizanlage, sowie Freilagerflächen und Manipulationsflächen. Zur gewerberechtlichen Verhandlung im Februar 2022 über den die Genehmigung betreffenden Antrag zogen die Kläger ihren Rechtsanwalt bei, die Beklagte war durch den Nebenintervenienten vertreten.

[4] 4. Wenn das Berufungsgericht (auch mit Blick auf die Vorgeschichte) davon ausgegangen ist, dass die zwischen den Streitteilen in der gewerberechtlichen Verhandlung getroffene Vereinbarung von der Vollmacht umfasst war, liegt darin jedenfalls kein vom Obersten Gerichtshof als unvertretbar aufzugreifendes Auslegungsergebnis vor.

[5] 5. Aus der Entscheidung 8 Ob 78/17d ist für den Standpunkt der Beklagten nichts abzuleiten. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass ein Architekt mit der Verwaltung betraut wurde. Von dieser Verwaltungsvollmacht sah der Oberste Gerichtshof ungewöhnliche Geschäfte nicht gedeckt. Die Beklagte wirft mit der Behauptung, der Abschluss einer zivilrechtlichen Vereinbarung sei als ungewöhnliches, von der Vollmacht nicht gedecktes Geschäft zu qualifizieren, keine erhebliche Rechtsfrage auf. Es steht vielmehr fest, dass derartige Vereinbarungen in gewerberechtlichen Verfahren immer wieder vorkommen. Das Gesetz geht auch ausdrücklich davon aus, dass im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung einer Betriebsanlage eine Einigung über privatrechtliche Einwendungen vor der Verwaltungsbehörde geschlossen werden kann und der Verhandlungsleiter darauf hinwirken soll (§ 357 GewO).

[6] 6. Infolge Fehlens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

[7] 7. Eine mangels Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsbeantwortung ist verfrüht und begründet keinen Kostenersatzanspruch (§ 508a Abs 2 Satz 2 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte