OGH 11Os64/23f

OGH11Os64/23f11.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juli 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Obergruber LL.M. als Schriftführer in der Strafsache gegen * P* wegen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 20. März 2023, GZ 29 Hv 109/22p‑104, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00064.23F.0711.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 29. Jänner 2020 in I* anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er

1) * K* zahlreiche Schläge und einen Tritt gegen den Kopf versetzte, am Hals würgte, Barthaare ausriss und am Boden schleifte, wodurch dieser einen mehrfachen Bruch des Augenhöhlenbogens und der Augenhöhlenwand sowie eine Thoraxprellung erlitt;

2) * S* einen Faustschlag gegen das Gesicht sowie Schläge gegen den Nacken und mit dem Fingerspan gegen den Kehlkopf versetzte, wodurch dieser eine Ringknorpelfraktur erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) bekämpft die Konstatierung, wonach nicht festgestellt werden kann, „dass * K* dem * P* einen (Faust‑)Schlag in dessen Gesicht versetzte“ (US 4), indem sie „die widerstreitende Aussage“ des Angeklagten, ein Lichtbild, das eine Verletzung an seinem rechten Auge zeigt (ON 2 S 122), sowie die Aussage des Zeugen * F*, nach der sich der Angeklagte an * K* festklammerte (ON 2 S 75), als übergangen reklamiert. Sie nimmt dabei jedoch nicht auf eine entscheidende Tatsache Bezug (RIS‑Justiz RS0106268, RS0117499; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398). Inwieweit in der relevierten Feststellung ein – im Zeitpunkt der Tatausführung des Angeklagten – (noch) gegenwärtiger (oder unmittelbar drohender) Angriff (§ 3 Abs 1 StGB) des * K* und damit „das Vorliegen einer Notwehrsituation angesprochen“ sein sollte, macht sie nämlich nicht klar (vgl Lewisch in WK2 StGB § 3 Rz 75 ff; Fuchs/Zerbes AT I11 17/17; Kienapfel/Höpfel/Kert AT16 Rz 13.9).

[5] Entgegen dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) begegnet die Ableitung der Urteilsannahmen zu einer in beiden Fällen auf die Zufügung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) gerichteten Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) aus einer lebensnahen Betrachtung des – detailliert beschriebenen (US 4 f) – objektiven Tatgeschehens, insbesondere den „massive[n] Schläge[n]“ und überdies dem Tritt gegen den Kopf des * K* (US 14), unter dem Aspekt der Begründungtauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

[6] Die Konstatierung, nach der die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten „alkoholbedingt eingeschränkt“ war (US 6), betrifft keine entscheidende Tatsache, sodass das insoweit eine Begründung vermissende Vorbringen ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0099497 [T9]). Eine Zurechnungsunfähigkeit (§§ 11, 287 Abs 1 StGB) steht hier nicht in Rede. In der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) und von den Tatrichtern unberücksichtigt gelassene Hinweise (Z 5 zweiter Fall) auf eine solche zeigt der Beschwerdeführer auch nicht auf.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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