OGH 5Ob69/23t

OGH5Ob69/23t29.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* E*, vertreten durch die Gottgeisl, Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei R* Ltd, *, vertreten durch Mag. Marcus Marakovics, Rechtsanwalt in Wien, wegen 33.209,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2023, GZ 2 R 6/23d-32, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00069.23T.0629.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim Gerichtshof der Europäischen Union wird zurückgewiesen.

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta und bietet in Österreich Online-Glücksspiele an. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.

[2] Die Klägerin nahm in der Zeit vom 31. 1. 2017 bis 25. 12. 2020 an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen teil und verlor dabei insgesamt 33.209,50 EUR. Sie begehrt den Rückersatz ihres Verlusts.

[3] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision nicht zu.

[5] Die außerordentliche Revision der Beklagten, in der sie auch die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV beantragt, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Die Prozesspartei hat keinen verfahrensrechtlichen Anspruch, die Einholung einer Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV zu beantragen; ein solcher Antrag ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0058452).

[7] 2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um daran teilzunehmen (RS0016325 [T16]). Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand verwirklicht (hier § 52 Abs 5 GSpG), kommt es daher nicht an (10 Ob 10/23b mwN). Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche vielmehr dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nichts Gegenteiliges abzuleiten (10 Ob 10/23b mwN).

[8] 2.2. Der Oberste Gerichtshof geht – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen Höchstgerichte – in ständiger Judikatur davon aus, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (RS0130636 [T7]). Der Oberste Gerichtshof hat daher auch erst jüngst in mehreren Entscheidungen einen Verstoß gegen Unionsrecht verneint (10 Ob 10/23b; 1 Ob 81/23b; 1 Ob 25/23t; 2 Ob 23/23f; 7 Ob 9/23h ua). Der erkennende Senat sieht keinen Grund, aufgrund der Überlegungen der Beklagten von dieser gefestigten Rechtsprechung abzugehen.

[9] 2.3. Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols und der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liegt umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl die Hinweise in 5 Ob 30/21d). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Kontext schon wiederholt darauf hingewiesen, dass sich aus der Entscheidung des EuGH zu C-920/19 , Fluctus ua, kein Verbot für ein nationales Gericht ergibt, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte – hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs – zu berufen. Der EuGH sprach darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (10 Ob 10/23b; 1 Ob 81/23b; 1 Ob 25/23t; 2 Ob 23/23f ua). Dass und bei welcher nationalen Norm das hier der Fall gewesen wäre und deshalb eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen vorliegt, zeigt die Beklagte nicht auf. Daher liegen weder sekundäre Feststellungsmängel „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ vor, noch ist das Berufungsverfahren insoweit mangelhaft geblieben. Es besteht auch kein Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl 10 Ob 10/23b; 1 Ob 81/23b; 1 Ob 25/23t; 2 Ob 23/23f; 7 Ob 9/23h; 6 Ob 32/23h ua).

[10] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte