OGH 9ObA9/23y

OGH9ObA9/23y31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende,die Hofräte des Obersten GerichtshofsMag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bundesarbeiterkammer, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Mag. Dr. Jasmine Senk, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. November 2022, GZ 12 Ra 66/22w‑36, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 22. August 2022, GZ 16 Cga 3/22z‑32, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00009.23Y.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] FH‑Prof. Mag. Dr. * (in der Folge kurz: Bewerberin) ist als Professorin bei der Beklagten am Campus * am Department für * tätig. Von 2012 bis 2016 leitete sie die „Plattform Interkulturalität“ und von 2012 bis 2019 acht drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte mit einem Projektvolumen von etwa 900.000 EUR. In diesem Zeitraum war sie Vorgesetzte von sieben wissenschaftlichen Mitarbeitern und einer Bachelorpraktikantin. In den Jahren 2016 bis 2018 leitete sie als Principal Investigator ein internationales Konsortium in sieben Ländern, bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Europa 2038“. Wissenschaftliche Erfahrung erwarb sie durch viele eingeworbene Drittmittel, Publikationen und eine Habilitation im Fach Psychologie.

[2] Am 15. 3. 2019 wurden die Mitglieder der Fakultät * der Beklagten über den Terminplan zur Dekanatswahl informiert. Rechtsgrundlage dieser Wahl war die Wahlordnung für die Wahl des Dekans/der Dekanin an der FH * idF vom 12. 2. 2008. Laut § 3 dieser Wahlordnung waren passiv wahlberechtigt alle an der Fakultät als L2 hauptberuflich Lehrenden mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis.

§ 3 2. Satz der Wahlordnung lautet wie folgt:

„Als qualifizierte Führungspraxis gilt die Tätigkeit als Studiengangs- oder Fachbereichsleiter/in oder als pädagogische/r Koordinator/in an der FH * oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens 3‑jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender.“

[3] Am 16. 3. 2019 informierte die Bewerberin die Wahlkommission (§ 4 der Wahlordnung) von ihrer Kandidatur. Neben ihr bewarb sich auch FH‑Prof. DSA MMag. Dr. C* (in der Folge kurz: C). In der Sitzung am 5. 4. 2019 prüfte die Wahlkommission das Vorliegen der passiven Wahlberechtigung und bejahte diese bei beiden Wahlwerbenden; beim Bewerber C aufgrund seiner Tätigkeit als Studiengangsleiter und bei der Bewerberin aufgrund der Leitung der „Plattform Interkulturalität“. Die Wahlkommission traf ihre Entscheidung vor dem Hintergrund, dass als Beispiel für qualifizierte Führungspraxis unter anderem die Fachbereichsleitung angeführt ist, die auch keine Personalverantwortung beinhaltet.

[4] Bei der von 23. 4. 2019 bis 25. 4. 2019 abgehaltenen Dekanatswahl fielen 29 Stimmen (53,7 %) auf die Bewerberin und 25 Stimmen (46,3 %) auf den Bewerber C. Das Wahlergebnis wurde (unstrittig) von der Wahlkommission als Vorschlag an die Geschäftsführung übermittelt (§ 6 letzter Satz der Wahlordnung).

[5] Am 4. 6. 2019 erfolgte eine Änderung der Wahlordnung. Nunmehr gilt als qualifizierte Führungspraxis die Tätigkeit als StudiengangsleiterIn oder eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen.

[6] Am 6. 6. 2019 wurden beide Bewerber von der Assistentin des Geschäftsführers der Beklagten zum Hearing beim pädagogischen Personalbeirat eingeladen. Dem Personalbeirat obliegt nach seiner Geschäftsordnung „die Beratung der Geschäftsführung in allen mit dem pädagogischen Lehrpersonal in Zusammenhang stehenden, besetzungsrelevanten Fragen, die in den Zuständigkeitsbereich des Beirates fallen“, insbesondere die „Durchführung von Hearings zur Auswahl von StandortleiterIn/DekanIn“ und die „Unterbreitung des korrespondierenden Besetzungsvorschlags“. Dazu hat die Geschäftsführung den Mitgliedern des pädagogischen Personalbeirats alle beurteilungsrelevanten Unterlagen vorzulegen.

[7] Am Tag nach Übermittlung der für das Hearing geforderten Unterlagen, dem 18. 6. 2019, setzte der Geschäftsführer der Beklagten die Bewerberin telefonisch davon in Kenntnis, dass sie aufgrund des Fehlens einer „qualifizierten Führungspraxis“ nicht zum Hearing beim Personalbeirat zugelassen worden sei.

[8] Der zum Hearing geladene Bewerber C wurde am 27. 6. 2019 zum Dekan bestellt.

[9] Dem gerichtlichen Verfahren ging ein Verfahren vor dem I. Senat der Gleichbehandlungskommission voraus, welcher über Antrag der Bewerberin zu dem Prüfungsergebnis gelangt war, dass diese aufgrund des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG, durch die Beklagte diskriminiert worden ist. Der I. Senat hatte die Beklagte aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden und zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebots die Leistung eines angemessenen Schadenersatzes, die Schulung der Geschäftsleitung und des Personalbeirats hinsichtlich Diversität, Gleichbehandlung, beruflichen Aufstieg, Durchlässigkeit von Systemen und das Öffnen des Kriteriums der qualifizierten Führungspraxis hinsichtlich Durchlässigkeit vorgeschlagen. Die Beklagte hat diesem Auftrag der Gleichbehandlungskommission nicht entsprochen.

[10] Zum Zeitpunkt der Wahl und der Bestellung des neuen Dekans erfüllte die Bewerberin die formellen Voraussetzungen für diese. Da sie eine Frau ist, wurde allerdings der Bewerber C und nicht sie mit dieser Funktion betraut (Feststellungen des Erstgerichts).

[11] Mit ihrer Klage nach § 12 Abs 4 Satz 1 GBK/GAW‑Gesetz begehrt die klagende Bundesarbeiterkammer die Feststellung, dass die Bewerberin aufgrund des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG, durch die Beklagte diskriminiert wurde. Dazu brachte sie vor, dass die Bewerberin wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden sei, weil sie nicht zur Dekanin ernannt worden sei, obwohl sie die vorgeschaltete Wahl gewonnen habe. Die Bewerberin verfüge über langjährige Erfahrung im Wissenschaftsbetrieb. Sie sei erfahrene Werberin von Drittmitteln in Millionenhöhe. Bei der Durchführung von Projekten habe sie auch die Personalführung (samt Abrechnung) von bis zu acht Mitarbeitern gehabt. Der zum Dekan ernannte Mitbewerber C habe als Studiengangsleiter des Masters Soziale Arbeit Personalführungserfahrung für wesentlich weniger Mitarbeiter und als Studiengangsleiter Verantwortung für ein Budget mit sehr wenig Gestaltungsmöglichkeiten gehabt. Die Bewerberin sei auch aus wissenschaftlicher Sicht qualifizierter gewesen als ihr Mitbewerber. Überdies liege auch eine mittelbare Diskriminierung vor, weil die Funktion der Studiengangsleitung primär an Männer vergeben werde.

[12] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Bewerberin nicht wegen des Geschlechts diskriminiert worden sei, sondern sie habe die formalen Voraussetzungen für die Position des Dekans/der Dekanin nicht erfüllt. Das Anforderungsprofil verlange unter anderem qualifizierte Führungspraxis. Dieses werde durch eine Studiengangsleitung oder vergleichbare Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder in ähnlichen Institutionen erfüllt. Der Dekan sei für die Führung von rund 60 Mitarbeitern verantwortlich und habe die Budgetverantwortung über rund 12 Millionen EUR. Er benötige daher ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Kompetenzen. Die Bewerberin verfüge nicht über die dafür erforderliche qualifizierte Führungspraxis, während ihr Mitbewerber diese formalen Voraussetzungen erfüllt habe. Dieser habe seit 1996 verschiedene Leitungstätigkeiten ausgeübt und sei daher besser qualifiziert gewesen.

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Klägerin sei es gelungen, die behauptete Diskriminierung wegen des Geschlechts glaubhaft zu machen. Hingegen sei es der Beklagten nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ein anderes von ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung unter Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher gewesen sei. Es liege somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen gemäß § 3 Z 5 GlBG, vor.

[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Erfüllung der formellen Voraussetzungen (qualifizierte Führungspraxis nach der Wahlordnung) sei keine Tatsachen-, sondern eine Rechtsfrage, die entsprechenden Ausführungen im Rechtsmittel daher als Rechtsrüge zu qualifizieren. Die Bewerberin habe weder die in der Wahlordnung – taxativ – aufgezählten Funktionen bei der Beklagten (Studiengangsleiter, Fachbereichsleiter und pädagogischer Koordinator) ausgeübt noch sei sie in der Wirtschaft oder in einer ähnlichen Institution tätig gewesen. Zumal Drittmittelprojekte nach der allgemeinen Lebenserfahrung (insbesondere) in Fachhochschulen nicht bloß ausnahmsweise vorkämen, habe deren Existenz den Normgebern bekannt sein müssen; dennoch hätten sie weder diese in die Aufzählung aufgenommen noch das Wort „insbesondere“ verwendet und die angeführten „Tätigkeiten mit vergleichbarer Führungsverantwortung“ ausschließlich auf „die Wirtschaft“ und „ähnliche Institutionen“ beschränkt, und damit erkennbar nicht auf die Beklagte bezogen. Schon die in der (unstrittig für die gegenständliche Dekanatswahl anwendbaren) Fassung der Wahlordnung vom 12. 2. 2008 vorgesehenen Voraussetzungen für das passive Wahlrecht zur Dekanin seien daher von der Bewerberin nicht erfüllt worden. Auf die am 4. 6. 2019 beschlossene Änderung der Wahlordnung komme es nicht an. Da die Bewerberin die formellen Voraussetzungen für die Wahl zur Dekanin somit nicht erfüllt habe (und sich insofern nicht in einer vergleichbaren Situation befunden hatte), scheide die Annahme einer unmittelbaren Diskriminierung schon grundsätzlich aus.

[15] Im Zusammenhang mit der behaupteten mittelbaren Diskriminierung habe sich die Klägerin in diesem Zusammenhang ausschließlich darauf berufen, dass die Studiengangsleitung „primär an Männer vergeben werde“. Die erforderliche „qualifizierte“ Führungspraxis könne jedoch auch durch eine andere Tätigkeit erfüllt werden. Eine mittelbare Diskriminierung sei daher von der Klägerin nicht hinreichend behauptet worden. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, dass das Klagebegehren nicht ausreichend konkretisiert sei. Die Notwendigkeit der Konkretisierung des Klagebegehrens ergebe sich aus den Intentionen für die Schaffung von § 12 Abs 4 GBK/GAW‑Gesetz (Verringerung des Prozesskostenrisikos, möglichst weitgehende Klärung der im Leistungsverfahren relevanten Fragen). Gerade im Zusammenhang mit Diskriminierungen nach § 3 Z 1 und 5 GlBG (Einstellung, beruflicher Aufstieg) wäre aus einer nicht näher konkretisierten Feststellung nichts zu gewinnen, weil aus den unterschiedlichen Formen der von dieser Bestimmung umfassten Diskriminierungen substantiell unterschiedliche Schadenersatzansprüche resultierten. Die Beweiswürdigung zu der von der Beklagten in ihrer Berufung gerügten Feststellung, die Bewerberin sei nicht mit der Funktion betraut worden, weil sie eine Frau sei, sei unvollständig geblieben. Auch Feststellungen zu den Motiven für die „Ausladung“ vom Hearing und die Nicht-Ernennung zur Dekanin fehlten.

[16] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil – soweit ersichtlich – höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Diskriminierung nach § 3 Z 5 GlBG und zur Auslegung der Wahlordnung einer Fachhochschule im Allgemeinen bzw der Wahlordnung der Beklagten im Besonderen fehle und die deutsche Rechtsprechung auf Basis vergleichbarer (insbesondere europarechtlicher) Rechtsgrundlagen die objektive Eignung nicht (mehr) als Kriterium der „vergleichbaren Situation“ erachte.

[17] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[18] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[19] Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[20] 1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die aktive Klagslegitimation der Bundesarbeiterkammer nach § 12 Abs 4 GBK/GAW‑Gesetz wurde von den Vorinstanzen zutreffend bejaht. Auch im Revisionsverfahren wird dies von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

[21] 2.1. Die Revision der Klägerin wendet sich aber zunächst zu Recht gegen das Ergebnis der vom Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung vorgenommenen Auslegung der – gemäß § 10 Abs 3 Z 10 FHG in der Satzung der Beklagten verankerten – Wahlordnung nach den §§ 6, 7 ABGB:

§ 3 der Wahlordnung lautet in seinem hier relevanten Teil wie folgt:

„Passiv wahlberechtigt sind alle an der jeweiligen Fakultät als L2 hauptberuflich Lehrenden mit wissenschaftlicher Erfahrung und qualifizierter Führungspraxis. Als qualifizierte Führungspraxis gilt die Tätigkeit als Studiengangs- oder Fachbereichsleiter/in oder als pädagogische/r Koordinator/in an der FH * oder andererseits eine Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen verbunden mit einer mindestens 3‑jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender. Als wissenschaftliche Erfahrung gilt ein Doktorat und nachgewiesene wissenschaftliche Erfahrung (Publikationen, F&E-Projekte, udgl.).“

[22] 2.2. In dieser Bestimmung werden zunächst drei Tätigkeiten bei der Beklagten genannt, die (jedenfalls) als qualifizierte Führungspraxis gelten (Studiengangsleiter, Fachbereichsleiter und pädagogischer Koordinator an der FH *). Im Anschluss daran werden in einer Art „Öffnungsklausel“ bestimmte Tätigkeiten, die nicht bei der Beklagten erfolgen, diesen gleichgestellt (Tätigkeit mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen [verbunden mit einer mindestens 3‑jährigen Zugehörigkeit zur FH * als hauptberuflich Lehrender]). Erkennbar geht die Wahlordnung mit der Formulierung „gilt“ davon aus, dass die für die passive Wahlberechtigung erforderliche „qualifizierte Führungspraxis“ durch (bestimmte) Tätigkeiten bei der Beklagten und durch (unbestimmte) Tätigkeiten mit vergleichbarer Führungsverantwortung in der Wirtschaft oder ähnlichen Institutionen erworben werden kann. Insbesondere die Formulierung „ähnlichen Institutionen“ öffnet einen weiten Tätigkeitsbereich, in dem eine qualifizierte Führungspraxis erforderlich sein kann. Sinn und Zweck der in § 3 der Wahlordnung aufgestellten Voraussetzungen für die passive Wahlberechtigung zum Dekan ist nach Ansicht des Senats der, dass ein hauptberuflich Lehrender mit wissenschaftlicher Erfahrung zwar nicht irgendeine (geringe) Führungspraxis, sondern (aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit) eine qualifizierte (also höherwertige) aufweisen muss, weil ein Dekan diese für seine Tätigkeit unbedingt benötigt.

[23] 2.3. Dass die Bewerberin weder als Studiengangsleiterin, Fachbereichsleiterin oder pädagogische Koordinatorin bei der Beklagten tätig war, ist unstrittig. Die Klägerin stützt im Verfahren die qualifizierte Führungspraxis der Bewerberin auch nicht darauf, sondern vielmehr auf ihre Tätigkeiten als Werberin von Drittmitteln (Projektfinanzierung) in Millionenhöhe, auf ihre Tätigkeiten im Rahmen der Durchführung von Projekten mit Personal- und Finanzverantwortung sowie auf ihre Tätigkeit als Leiterin eines internationalen Konsortiums in sieben Ländern, bestehend aus 17 Personen im Rahmen des von der EU geförderten Projekts „Europa 2038“. Für die Beantwortung der Rechtsfrage, ob es sich dabei um Tätigkeiten in „der Wirtschaft oder einer ähnlichen Institution“ handelt (und nicht um eine Tätigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Professorin bei der Beklagten steht), fehlen aber konkrete Feststellungen. Erst wenn feststeht, in welcher Funktion die Bewerberin etwa ihre Tätigkeit als Leiterin des internationalen Konsortiums ausgeübt hat und welche Aufgaben sie dabei zu verrichten hatte, kann beurteilt werden, ob das „Konsortium“ den Charakter einer zur Beklagten „ähnlichen Institution“ hat und in der Folge, ob die Bewerberin dabei eine qualifizierte Führungsposition, vergleichbar mit jener eines Studiengangsleiters, eines Fachbereichsleiters oder eines pädagogischen Koordinators innegehabt hat.

[24] 3.1. § 3 Z 1 GlBG untersagt unter anderem jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Die Wendung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ im Tatbestand der Z 1 ist weit zu verstehen. Diese Formulierung beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des – in der Regel – vorausgehenden Bewerbungs- und Auswahlverfahrens (zB gezielte Ausklammerung der Bewerbungen von Frauen vom Auswahlvorgang für die Besetzung einer Führungsposition). Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen des Arbeitgebers (Vertragsanbahnung) oder für diesen handelnder Personen Bedacht zu nehmen. Der Gesetzgeber verbietet also mit § 3 Z 1 GlBG jedes diskriminierende Verhalten in diesem „Prozess“ und qualifiziert es als rechtswidrig (8 ObA 11/09i = ASoK 2010, 140 [Gerhartl]; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 3 Rz 13 mwN).

[25] 3.2. § 12 Abs 5 GlBG normiert die Rechtsfolgen von Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots beim beruflichen Aufstieg: Ist ein Arbeitnehmer wegen einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht beruflich aufgestiegen, ist der Arbeitgeber ihm gegenüber zum Schadenersatz verpflichtet. § 12 Abs 5 Z 1 GlBG sieht eine Schadenersatzuntergrenze in der Höhe der Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate für Arbeitnehmer vor, die bei diskriminierungsfreier Auswahl beruflich aufgestiegen wären. § 12 Abs 5 Z 2 GlBG normiert eine Schadenersatzobergrenze von bis zu 500 EUR, wenn dem Arbeitgeber der Nachweis gelingt, dass sich der Schaden, der beim Arbeitnehmer durch die Diskriminierung beim beruflichen Aufstieg entstanden ist, auf die Verweigerung der Berücksichtigung der Bewerbung beschränkt. Unter den Tatbestand der Z 2 leg cit fallen typischerweise Arbeitnehmer, die zwar aufgrund ihres Geschlechts aus dem Auswahlverfahren ausgeschieden wurden, die aber wegen ihrer nicht ausreichenden Qualifikation („Minderqualifizierte“) auch ohne Diskriminierung nicht beruflich aufgestiegen wären (Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 12 Rz 64).

[26] 4. Nach § 5 Abs 1 GlBG liegt eine unmittelbare Diskriminierung nach dem Geschlecht dann vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Diskriminierung erfordert somit eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer Person in einer sachlich ähnlichen Situation (Vergleichsperson), wobei die Ursache dafür im Schutzgrund (hier Geschlecht) bestehen muss. Es ist somit ein kausaler Zusammenhang zwischen der nachteiligen Behandlung und dem Schutzgrund erforderlich. Eine mittelbare Diskriminierung iSd § 5 Abs 2 GlBG betrifft hingegen Maßnahmen, die zwar neutral formuliert sind, aber für eine bestimmte Gruppe dennoch unverhältnismäßige nachteilige Auswirkungen haben und diese Gruppe daher besonders nachteilig betreffen (8 ObA 30/16v Pkt 3.2.; RS0115587).

[27] 5. Das verpönte Unterscheidungsmerkmal muss zumindest ein Motiv für die Entscheidung sein (Rebhahn/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG2 § 5 Rz 3, 7 f). Erfolgt die Entscheidung aus anderen Gründen, liegt schon begrifflich keine unmittelbare Diskriminierung vor. Ebenso wird verlangt, dass eine vergleichbare Situation vorliegt. Es ist dabei nicht notwendig, dass die Situationen identisch sind, sie müssen nur im Hinblick auf den Regelungszweck vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf dabei nicht allgemein und abstrakt erfolgen, sondern muss spezifisch und konkret für die betreffende Leistung erfolgen (Rebhahn/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG2 § 3 Rz 8; dieselbe in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 5 GlBG Rz 4; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 5 Rz 19 f). Tendenziell ist die Vergleichbarkeit weit zu sehen, weil sonst das Gleichbehandlungsrecht unterlaufen werden könnte.

[28] 6.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, eine unmittelbare Diskriminierung der Bewerberin liege schon deshalb nicht vor, weil sie die formellen Voraussetzungen für die zu besetzende Stelle (qualifizierte Führungspraxis) nicht erfülle und daher bereits deshalb für die Ernennung zur Dekanin objektiv nicht in Betracht käme, wird vom Senat nicht geteilt. Richtig ist zwar, dass im überwiegenden Schrifttum davon ausgegangen wird, dass bei offenkundig fehlender Eignung für eine zu vergebende Stelle, also wenn der Bewerber schon die formalen Bewerbungskriterien objektiv bzw abstrakt nicht erfüllt, eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg zu verneinen ist (vgl Rebhahn/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG2 § 3 Rz 61; dieselbe in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 5; Kletečka/Köck in Windisch‑Graetz, GlBG2 § 12 Rz 37; Potz, GlBG‑Hopping? Schadenersatzjäger und das GlBG, RdW 2008/680, 730 [732]; Körber-Risak in Gruber-Risak/Mazal, Das Arbeitsrecht – System und Praxiskommentar VIII. Rz 104; Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 12 Rz 14).

[29] 6.2. Legt aber – wie hier – § 3 der Wahlordnung die Voraussetzungen für die passive Wahlberechtigung zum Dekan in einer Art und Weise fest, dass der Bewerberin aufgrund der von ihr behaupteten Tätigkeiten und der daraus resultierenden Qualifikation nicht schon von vornherein jegliche Eignung für die Wahl zur Dekanin abgesprochen werden kann, dann kann – selbst wenn man der Lehre folgt (anders etwa das deutsche Bundesarbeitsgericht zur vergleichbaren Rechtslage des § 15 Abs 2 Satz 2 AGG, 8 AZR 470/14) – nicht von einer objektiven und offensichtlichen „Nicht‑Qualifikation“ gesprochen werden, die die Beklagte berechtigen würde, die Bewerberin gar nicht zum Bewerbungsverfahren (Hearing) zuzulassen. Schließlich will der Gesetzgeber auch das Rechtsgut, sich „diskriminierungsfrei“ am Arbeitsmarkt zu bewerben, schützen (vgl RS0124659).

[30] 7.1. Kommt das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren, nachdem es konkrete Feststellungen zu den von der Bewerberin behaupteten Tätigkeiten und deren fachlichen Qualifikation getroffen hat, zum Ergebnis, die Bewerberin würde die von § 3 der Wahlordnung geforderten Voraussetzung für die passive Wahlberechtigung zur Dekanin erfüllen, dann wird es in einem zweiten Schritt (nach der vom Berufungsgericht geforderten mängelfreien Beweiswürdigung) zu prüfen haben, ob der Klägerin die Glaubhaftmachung des behaupteten Diskriminierungstatbestands gelungen ist. Gegebenenfalls hat die Beklagte sodann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (vgl § 12 Abs 12 GlBG). Der Nachweis, die Bewerberin hätte die zu besetzende Position auch ohne Diskriminierung nicht erhalten, obliegt der beklagten Arbeitgeberin (vgl RS0111216 [T1]).

[31] 7.2. Gelingt der Beklagten dieser Beweis, bleibt noch die Frage zu beantworten, ob die Bewerberin durch das Ausladen vom Hearing im Bewerbungsverfahren wegen ihres Geschlechts (unmittelbar) diskriminiert wurde.

[32] 7.3. Mangels Feststellungen zum (konkretisierungsbedürftigen) Vorbringen der Klägerin, die Studiengangsleitung werde „primär an Männer vergeben“, kann derzeit auch die Frage der behaupteten mittelbaren Diskriminierung nicht abschließend beantwortet werden.

[33] 8.1. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Klagebegehren sei nicht ausreichend konkretisiert, findet im Gesetz keine Deckung. § 12 Abs 4 Satz 1 GBK/GAW‑Gesetz lautet wie folgt: „Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, so kann jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessenvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.“

[34] 8.2. Diese Bestimmung stellt eine Sondernorm gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage nach § 228 ZPO dar. Es handelt sich um eine (besondere) Verbandsklage (vgl Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 [2021] § 12 GBK/GAW‑Gesetz Rz 12 mwN), die im Fall einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots erst dann zulässig ist, wenn dem für die Diskriminierung Verantwortlichen oder dem für eine Diskriminierung iSd III. Teils, 1. Abschnitt GlBG Verantwortlichen schriftlich ein Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung mit der Aufforderung übermittelt wurde, die Diskriminierung binnen einer Frist von zwei Monaten zu beenden (§ 12 Abs 3 GBK/GAW‑Gesetz), diesem Auftrag aber nicht entsprochen wurde. Dass der zuständige Senat der Gleichbehandlungskommission rechtskräftige Gerichtsurteile iSd Abs 4 und 5 leg cit, die Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots feststellen, im vollen Wortlaut, jedoch in anonymisierter Form auf der Website des Bundeskanzleramts kostenlos zu veröffentlichen (§ 12 Abs 6 GBK/GAW‑Gesetz) hat, zeigt ebenfalls, dass dadurch Diskriminierungen in der Arbeitswelt in der Zukunft verhindert werden sollen (vgl Hattenberger in Windisch‑Graetz Gleichbehandlungsgesetz² § 12 GBK/GAW‑Gesetz Rz 17); und zwar dies unabhängig davon, ob der im Einzelfall diskriminierte Bewerber Schadenersatzansprüche (welcher Art auch immer) gegen den Arbeitgeber geltend macht oder nicht. Auch die Voraussetzung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ist entbehrlich (Hattenberger in Windisch‑Graetz Gleichbehandlungsgesetz² § 12 GBK/GAW‑Gesetz Rz 18).

[35] 9. Da das Erstgericht nach Ergänzung des Verfahrens in seiner neuerlichen Entscheidung ohnehin konkretere Feststellungen zu den bisherigen Tätigkeiten der Bewerberin zu treffen haben wird, ist ein Eingehen auf den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO, mit dem letztlich eine unvollständige und unrichtige Sachverhaltsdarstellung durch das Berufungsgericht bemängelt wird, nicht erforderlich.

[36] 10. In Stattgebung der Revision der Klägerin waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben.

[37] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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