OGH 9Ob101/22a

OGH9Ob101/22a31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* S*, vertreten durch LIKAR Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. M* L*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH, AZ * des Handelsgerichts Wien, wegen 23.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Mai 2022, GZ 33 R 133/21b‑17, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Handelsgericht vom 31. Oktober 2021, GZ 24 Cg 72/21k‑12, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00101.22A.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird wie aus dem Kopf dieser Entscheidung ersichtlich berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens in Rechtskraft erwachsen sind, werden aufgehoben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zu neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] I. Voranzustellen ist, dass mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. 7. 2022, AZ *, das Insolvenzverfahren über die Schuldnerin eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Das aus diesem Grund unterbrochene Verfahren wurde auf Antrag des Klägers mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 5. 10. 2022 fortgesetzt; eine Berichtigung der Bezeichnung der beklagten Partei von der Schuldnerin auf den Masseverwalter in Form eines Beschlusses erfolgte bisher nicht. Dies war nachzuholen.

[2] II. Die nunmehrige Schuldnerin betrieb bis zur Insolvenzeröffnung das freie Gewerbe der Pfandleihe. Über Antrag vom 19. 7. 2018 schloss sie mit dem Kläger – unstrittig ein Verbraucher – durch Annahme am 16. 8. 2018 und Zuzählung der Darlehensvaluta durch den Kläger am 24. 7. 2018 einen Darlehensvertrag über ein „qualifiziertes Nachrangdarlehen“ über 20.000 EUR mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab.

[3] Die Darlehensbedingungen enthalten unter anderem folgende Bestimmung:

„§ 7 Nachrangigkeit

1. Die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin gleichrangig sind.

2. Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.“

[4] Den dem Abschlussantrag beigelegten Merkblatt ist zu entnehmen:

1.5 Nachrangigkeit der Darlehen

1.5.1 Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens, sowie die Zahlungen von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde.

1.5.2 Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin werden die Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt. Das bedeutet, dass in diesem Fall Zahlungen an den Darlehensgeber solange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind.“

[5] In der Belehrung über die Rücktrittsrechte [./4, 5] finden sich § 3 und 3a KSchG im Wortlaut:

Belehrung über das Rücktrittsrecht der Darlehensgeber nach § 8 FernFinG

Der Anleger kann von einem Vertrag, der ausschließlich im Fernabsatz im Sinn des Fern-Finanzdienstleistungs-Gesetzes (FernFinG) abgeschlossen wurde, ohne Angabe von Gründen binnen 14 Tagen zurücktreten. Die Frist ist jedenfalls gewahrt, wenn der Rücktritt schriftlich oder auf einem anderen, dem Empfänger zur Verfügung stehenden und zugänglichen dauerhaften Datenträger erklärt und diese Erklärung vor dem Ablauf der Frist abgesendet wird. Als Fernabsatz gilt die ausschließliche Verwendung von Kommunikationsmitteln ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragspartner im Rahmen eines entsprechend organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems. Die Rücktrittsfrist beginnt mit dem Tag des Vertragsabschlusses zu laufen. Hat der Anleger die Vertragsgrundlagen und Vertriebsinformationen nach §§ 5 und 7 FernFinG erst nach Vertragsabschluss erhalten, beginnt die Rücktrittsfrist mit deren Erhalt.

Informationen gemäß §§ 5 und 7 FernFinG

(1) Die G* GmbH mit dem Sitz in * und der Geschäftsanschrift *, ist eine im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien unter der Firmenbuchnummer FN * eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (in diesem Abschnitt auch kurz die 'Gesellschaft'). Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ist die Unterhaltung einer Vermittlungs-Plattform im Onlineverfahren für Pfandgüter jeglicher Art, der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Goldwaren und Schmuckgegenständen aller Art in Europa, der Erwerb sowie die Verwaltung und die Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen und Gesellschaften im In- und Ausland. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Gesellschaft ist Herr D* M*, geb. *. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt EUR 100.000,-- und ist zur Gänze einbezahlt.

(2) Der Gesellschaft wurde am *2015 eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe 'Pfandleiher' vom Amt der * Landesregierung, * als ausstellende Behörde erteilt.

(3) Die vertragliche Grundlage für die gegenständliche Veranlagung ist der Darlehensvertrag, der durch Annahme des Antrags auf Abschluss eines Darlehensvertrages über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen durch die Gesellschaft zustande kommt. Für den Inhalt des Darlehensvertrages sind der Antrag auf Abschluss eines Darlehensvertrages über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen sowie die (oben angeführten) Darlehensbedingungen maßgeblich. Die Gesamtsumme des gewährten qualifizierten Nachrangdarlehens hat zumindest EUR 4.850,- zu betragen.

(4) Der Anleger erwirbt mit dem Abschluss des Darlehensvertrages keine unternehmerische Beteiligung an der Gesellschaft, sondern nur einen Anspruch auf eine fixe Verzinsung über die gesamte Vertragslaufzeit von 24 Monaten. Diese Verzinsung beträgt 7,5 % p.a. linear bzw. 15 % für 24 Monate und wird dem Anleger am Ende der Laufzeit zusammen mit der Rückzahlung des Nominalwertes des qualifizierten Nachrangdarlehens ausgezahlt (endfällige Verzinsung).

(5) Der Darlehensvertrag wird für eine fixe Laufzeit von 24 Monaten abgeschlossen. Die Laufzeit des qualifizierten Nachrangdarlehens beginnt mit dem Eingang des Darlehensbetrags auf dem Konto der Gesellschaft. Weder der Anleger noch die Gesellschaft haben das Recht, das qualifizierte Nachrangdarlehen während der Laufzeit im Wege einer ordentlichen Kündigung zu kündigen. Eine allfällige außerordentliche Kündigungsmöglichkeit bleibt davon unberührt.

(6) Bei der gegenständlichen Veranlagung handelt es sich um die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens durch den Anleger an die Gesellschaft, das nicht in Form eines Wertpapiers verbrieft ist. Der Anleger kann seine Rechte und Pflichten aus dem qualifizierten Nachrangdarlehen nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen.

(7) Die Forderung des Anlegers sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft in gleichem Rang stehen. Im Fall der Insolvenz tritt der Anleger daher mit seinen nachrangigen Forderungen unwiderruflich im Rang hinter sämtliche nicht nachrangigen Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger zurück, mit Ausnahme jener Gläubiger, deren Forderungen ebenfalls nachrangig sind. Im Insolvenzfall werden demnach zuerst sämtliche nicht nachrangigen Gläubiger befriedigt und erst dann Zahlungen an den Anleger geleistet. Der Anleger verpflichtet sich weiters, außerhalb der Insolvenz die Rückzahlung des qualifizierten Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen solange und soweit nicht zu verlangen, wie dies bei der Gesellschaft zu einer die Insolvenzantragspflicht auslösenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führen würde (qualifizierter Rangrücktritt). Die Rückzahlung der Darlehenssumme bzw die Zahlung von Zinsen an die Anleger ist daher soweit und solange ausgeschlossen, als diese einen Insolvenzeröffnungsgrund herbeiführen würden. In diesen Fällen können die Forderungen der Anleger nur nachrangig - somit nach Befriedigung aller Gläubiger mit nicht nachrangigen Forderungen - und nur nach dem Überwinden einer allfälligen Unternehmenskrise bedient werden. Eine derartige Krise liegt dann vor, wenn die Eigenmittelquote der Gesellschaft gemäß § 23 URG unter 8 %, sowie die fiktive Schuldentilgungsdauer gemäß § 24 URG über 15 Jahre betragen.

(8) Die Rückzahlung des qualifizierten Nachrangdarlehens inklusive der angefallenen Zinsen erfolgt nach Ende der Laufzeit binnen 10 Bankarbeitstagen auf das vom Anleger zuletzt bekanntgegebene Konto. Dies gilt allerdings nur insofern, als nicht der qualifizierte Rangrücktritt zur Anwendung kommt.

(9) Eine Investition in qualifizierte Nachrangdarlehen ist mit wesentlichen Risiken verbunden. Vor einer Anlageentscheidung sollten Anleger den Kapitalmarktprospekt samt allen Nachträgen vollständig und sorgfältig lesen und sich dabei insbesondere mit den in Punkt 6.3 enthaltenen Risikohinweisen vertraut machen, diese Risiken abwägen und zur Grundlage ihrer Entscheidung machen. Die Gesellschaft weist überdies daraufhin, dass in der Vergangenheit erwirtschaftete Erträge kein Indikator für künftige Erträge sind.

(10) Die Gesellschaft legt der Aufnahme von Beziehungen zu potentiellen Anlegern vor Abschluss des Vertrags österreichisches Recht zugrunde. Die gegenständliche Veranlagung sowie sämtliche daraus resultierenden Rechte und Pflichten der Darlehensgeber und der Gesellschaft bestimmen sich gemäß § 14 Abs 3 der Darlehensbedingungen nach österreichischem Recht unter Ausschluss der Verweisungsnormen des internationalen Privatrechts sowie des UN-Kaufrechts. Als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit der Veranlagung wird gemäß § 14 Abs 4 der Darlehensbedingungen das zuständige Gericht *, vereinbart; zwingende Gerichtsstände, zB Verbrauchergerichtsstände, werden dadurch nicht berührt.

(11) Diese Informationen sowie die Darlehensbedingungen, der Kapitalmarktprosekt samt allen Nachträgen und die darin referenzierten Unterlagen werden potentiellen Anlegern in deutscher Sprache übermittelt. Ebenso erfolgt die sonstige Kommunikation mit und Information von (potentiellen) Anlegern in deutscher Sprache. Besondere zusätzliche Kosten für die Benutzung von Fernkommunikationsmitteln in Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss werden von der Gesellschaft nicht in Rechnung gestellt.

(12) Ein Zugang zu außergerichtlichen Beschwerde- oder Schlichtungsverfahren ist nicht vorgesehen. Weiters bestehen weder ein Garantiefonds noch eine sonstige besondere Entschädigungsregelung; insbesondere unterliegen die qualifizierten Nachrangdarlehen nicht der staatlichen Einlagensicherung.

(13) Die hierin angeführten Informationen sind bis zur Bekanntgabe von Änderungen gültig.

Belehrung über das Rücktrittsrecht der Darlehensgeber gemäß § 5 KMG

Nach § 5 Abs 1 des Kapitalmarktgesetzes (KMG) können Anleger, die Verbraucher im Sinn des § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sind, von ihrem Angebot oder vom Vertrag zurücktreten, wenn ein prospektpflichtiges Angebot ohne vorherige Veröffentlichung eines Prospekts oder der Angaben nach § 6 KMG (Nachtrag zum Prospekt) erfolgt. Dieses Rücktrittsrecht erlischt mit Ablauf einer Woche nach dem Tag, an dem der Prospekt oder die Angaben nach § 6 KMG veröffentlicht wurden. Der Rücktritt bedarf der Schriftform, wobei es genügt, wenn der Anleger ein Schriftstück, das seine Vertragserklärung oder die des Veräußerers enthält, dem Veräußerer oder dessen Beauftragten, der an den Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat, mit einem Vermerk zurückstellt, der erkennen lässt, dass der Anleger das Zustandekommen oder die Aufrechterhaltung des Vertrages ablehnt. Es ist ausreichend, wenn die Rücktrittserklärung vom Anleger innerhalb der angeführten Frist abgesendet wird. Rücktrittserklärungen sind an die G* GmbH, *, zu richten.

Form der Rücktrittserklärung und Rücktrittsfolgen

Der Rücktritt des Anlegers bedarf ‑ mit Ausnahme eines Rücktritts gemäß § 5 KMG, wie oben angeführt ‑ keiner bestimmten Form. Es ist ausreichend, wenn die Rücktrittserklärung vom Anleger innerhalb der angeführten Zeiträume abgesendet wird. Schriftliche Rücktrittserklärungen sind an die G* GmbH, *, zu richten. Nach einem wirksamen Rücktritt besteht keine Einzahlungsverpflichtung. Sollte eine Einzahlung bereits erfolgt sein, wird diese rückabgewickelt, wobei im Gegenzug vom Anleger allenfalls gezogene Nutzungen (wie z.B. Zinszahlungen) herauszugeben sind.“

[6] Am 4. 3. 2020 wurden die Konten der Schuldnerin im Zuge einer Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte über Antrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gesperrt. Die Sperre wurde am (richtig lt Blg ./8) 25. 1. 2021 aufgehoben. Das sichergestellte Guthaben betrug insgesamt 3.398.085,20 EUR. Am 4. 3. 2020 standen den beschlagnahmten liquiden Mitteln der Schuldnerin offene Forderungen aus Kapital und Zinsen aus bis zu diesem Zeitpunkt abgelaufenen qualifizierten Nachrangdarlehensverträgen in Höhe von 336.955,75 EUR gegenüber. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt von Darlehensgebern der Beklagten 479.325,75 EUR aus 29 abgelaufenen Darlehen (Zinsen und Kapital) zur Auszahlung eingefordert.

[7] Nach Ablauf der Darlehensfrist am 23. 7. 2020 zahlte die Schuldnerin weder das Kapital noch die vereinbarten Zinsen von 7,5 % per anno aus dem Kapital an den Kläger. An diesem Stichtag betrugen die bis dahin offenen Kapital- und Zinsforderungen aus derartigen Verträgen 3.887.284,34 EUR. Ausdrücklich eingefordert waren zu diesem Zeitpunkt 674.250,75 EUR.

[8] Am 25. 1. 2021 (Aufhebung der Beschlagnahme) hafteten aus den genannten Titeln 8.397.377,35 EUR aus. Eingefordert waren aus Darlehensverträgen zu diesem Zeitpunkt 1.122.693,25 EUR.

[9] Am 27. 10. 2021 (Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) bestanden gegenüber der Schuldnerin aus 649 qualifizierten Nachrangdarlehen Verbindlichkeiten von 10.108.137,50 EUR. Aus nach der Kontosperre ausgelaufenen Verträgen hafteten 9.991.362,78 EUR (inklusive Zinsen und 4 % Verzugszinsen) offen aus. Aus noch nicht abgelaufenen Verträgen bestanden offene Zinsforderungen von 1.085.269,94 EUR. Aus ausgelaufenen Verträgen hatten Darlehensgeber bis dahin 3.530.179,44 EUR (zum Teil gerichtlich) eingefordert. Die Schuldnerin verfügt über insgesamt 1.273.189,64 EUR an liquiden Mitteln.

[10] Mit seiner Klage vom 28. 6. 2021 begehrte der Klägervon der Schuldnerin die Rückzahlung seines Darlehens von 23.000 EUR samt 7,5 % Zinsen jährlich ab 23. 7. 2020. Darüber, dass er auch nach Fälligkeit das Darlehen nicht zurückverlangen könne, sei er nicht aufgeklärt worden. Er hätte einer solchen Vereinbarung, welche im Übrigen gröblich benachteiligend und somit sittenwidrig sei, nicht zugestimmt. Eine aliquote Befriedigung der Nachranggläubiger könne aus § 7 Abs 1 und 2 des Vertrags nicht abgeleitet werden. § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen stelle auf die Rückzahlung des Nachrangdarlehens ab und nicht auf die Rückzahlung sämtlicher Darlehen. Eine andere Auslegung führe dazu, dass die Schuldnerin kein einziges Darlehen zurückzahlen müsse, wenn die Gesamtheit der von ihr aufgenommenen Darlehen nicht gleichzeitig rückzahlbar sei. Eine qualifizierte Nachrangabrede führe dazu, dass die betreffenden Verbindlichkeiten bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht zu berücksichtigen seien. Dies bedeute, dass aus dem vorhandenen Vermögen jedenfalls die geforderten Nachrangdarlehen zurückzuzahlen seien, weil keine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit vorliege. Die Schuldnerin habe so lange Zahlungen zu leisten, bis sie tatsächlich zahlungsunfähig sei. § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei missverständlich und intransparent, es sei nicht klar, welche Parameter bei der Beurteilung der Fälligkeit konkret heranzuziehen seien.

[11] Der Kläger löse die allenfalls rechtswirksam zustande gekommene Darlehensvereinbarung aus wichtigem Grund auf, weil die Schuldnerin grob fahrlässig die drohende Insolvenz verschuldet habe und weil die Staatsanwaltschaft * gegen ihren Geschäftsführer strafrechtlich wegen § 3 VbVG iVm § 163a Abs 1 Z 1 StGB ermittle.

[12] Der Kläger sei von seinem „G*-Berater“ immer wieder dahingehend beraten worden, dass es sich um ein sicheres Investment handle. Dass die Nachrangdarlehen primär dazu dienten, die Aufwendungen für Angestellte, Provisionen von über 3,5 Millionen EUR sowie Zuwendungen an den Geschäftsführer der Schuldnerin, sowie dessen Lebensgefährtin und Kinder (ca 2 Millionen EUR) zu decken, sei dem Kläger vor Vertragsschluss nicht offengelegt worden. Er habe auf die Angaben des Beraters und die Werbung auf der Website der Beklagten („Börsenunabhängigkeit“, „Konjunkturunabhängigkeit“, „automatische Auszahlung nach Ablauf“) vertraut. Er sei über die Risiken des Nachrangdarlehens und insbesondere die Möglichkeit eines Totalverlusts nicht aufgeklärt worden. Es sei ihm versichert worden, dass die Risikohinweise zwar zu unterschreiben seien, tatsächlich aber kein Risiko bestehe. Aufgrund der Zusicherungen habe der Kläger den Vertrag geschlossen. Hätte der Kläger über die konkreten Risiken Bescheid gewusst, insbesondere, dass sein Darlehen nicht zur Vorantreibung des operativen Geschäfts genutzt werde und das Modell von Anfang an nicht profitabel ausgelegt gewesen sei sowie dass ein massives Totalverlustrisiko bestehe, so hätte er das gegenständliche Nachrangdarlehen nie gezeichnet. Er hätte vielmehr in eine risikolose Veranlagung, wie etwa ein gebundenes Sparbuch, investiert.

[13] Die Schuldnerin bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass der Rückzahlungsanspruch nicht fällig sei. Gemäß § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen könnten die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen vom Kläger solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Schuldnerin als Darlehensnehmerin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Aufgrund der finanziellen Situation der Schuldnerin im Fälligkeitszeitpunkt, die bis heute andauere, würde die Rückzahlung des Darlehens an den Kläger einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen. Der Kläger habe sich verpflichtet, auf seine Rückzahlungs- und Zinszahlungsansprüche bis nach Beendigung der Krise der Schuldnerin zu verzichten. Die Schuldnerin dürfe einzelne Nachrangdarlehensgläubiger nicht befriedigen, weil es sich bei den jeweiligen Forderungen, so auch jener des Klägers, um untereinander gleichrangige Forderungen handle. Die Befriedigung bloß einzelner Nachranggläubiger widerspräche auch dem Gebot der Gläubigergleichbehandlung.

[14] Im Jahr 2020 habe die Beklagte ihre Geschäftstätigkeit nicht ausüben können, weil die Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 4. 3. 2020 im Rahmen eines gegen die Schuldnerin und deren Geschäftsführer geführten Ermittlungsverfahrens die Beschlagnahme sämtlicher Vermögenswerte an sichergestellten Guthaben auf den Konten der Schuldnerin („Kontosperre“) angeordnet habe. Das Ermittlungsverfahren gegen die Schuldnerin und ihren Geschäftsführer sei am 25. 1. 2021 eingestellt worden und im Anschluss daran sei die Kontosperre aufgehoben worden.

[15] Die Schuldnerin sei zum aktuellen Zeitpunkt nicht zahlungsunfähig. Alleiniger Grund dafür sei, dass die zwischen der Schuldnerin und ihren Nachrangdarlehensgläubigern jeweils gleichlautend getroffene qualifizierte Nachrangabrede dazu führe, dass diese Forderungen aufgrund der fehlenden Durchsetzbarkeit nicht als Verbindlichkeit in der (Liquiditäts-)Bilanz auszuweisen seien. Die Kontosperre habe den Nachrangfall bewirkt, weil die Schuldnerin nicht über ihre liquiden Mittel verfügen habe können.

[16] Die Schuldnerin verfüge insgesamt über 1.273.189,64 EUR an liquiden Mitteln, die sie aber zur Aufrechterhaltung ihres laufenden Geschäftsbetriebs benötige. Seit Beginn der Kontosperre Anfang 2020 hätten die Gläubiger aus insgesamt mindestens 202 Nachrangdarlehensverträgen, die seither ausgelaufen seien, von der Schuldnerin ausdrücklich die Rückzahlung ihrer Nachrangdarlehen von insgesamt 3.530.179,44 EUR gefordert (Stand August 2021). Dieser Umstand begründe das Verbot der Geltendmachung eines Rückzahlungsanspruchs nach der getroffenen Nachrangabrede für sämtliche Darlehensgeber, so auch für den Kläger, nicht etwa nur für solche, deren Forderung alleine einen Insolvenzeröffnungsgrund herbeiführe. Dies entspreche dem Wesen und dem Zweck qualifizierter Nachrangabreden.

[17] Die Forderungen der Beklagten aus der Bilanz 2019 seien keine „bereiten“ Mittel. Hinsichtlich eines Betrags von 5,5 Millionen EUR seien bereits Rechtsanwälte mit der Abwicklung oder gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche beauftragt.

[18] § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei nicht intransparent. Das Rückforderungsverbot greife nur dann, wenn die Rückzahlung einen Insolvenzantragsgrund bilden würde. Damit sei die Rückzahlung der Nachrangdarlehen an objektive und überprüfbare Kriterien geknüpft. Die Beurteilung der Fälligkeit erfolge anhand eindeutig identifizierbarer, gesetzlicher Parameter. Die Insolvenzantragsgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung seien in den §§ 66 und 67 IO definiert. Detaillierte Beschreibungen der Nachrangigkeit fänden sich in den Risikohinweisen und im Kapitalmarktprospekt 2015, deren Erhalt und Kenntnis der Kläger ausdrücklich bestätigt habe. Außerhalb einer Insolvenz könnten die Forderungen der Anleger nur nachrangig – somit nach Befriedigung aller Gläubiger mit nicht nachrangigen Forderungen – und nur nach dem Überwinden einer allfälligen Unternehmenskrise – bedient werden. Eine derartige Krise liege dann vor, wenn die Eigenmittelquote der Emittentin gemäß § 23 URG unter 8 %, sowie die fiktive Schuldentilgungsdauer gemäß § 24 URG über 15 Jahre betrage. Das Verständnis, wonach eine Insolvenz oder ein Insolvenzantragsgrund vorliege, wenn die Schulden das Aktivvermögen übersteigen, sei einem Verbraucher zuzutrauen. Im Übrigen unterliege die Nachrangabrede aufgrund ihrer Qualifikation als Hauptleistungspflicht nicht der Inhaltskontrolle nach § 879 ABGB.

[19] Der Kläger sei sich des Risikos der Nachrangdarlehensvergabe an die Beklagte bewusst gewesen. Vor Abschluss des Nachrangdarlehensvertrags habe der Kläger durch seine Unterschrift bestätigt, den Kapitalmarktprospekt, die Risikohinweise und die Bedingungen des Nachrangdarlehens „gut studiert“ zu haben und dabei insbesondere über das Risiko eines Totalverlusts des eingesetzten Kapitals und der bereits angelaufenen Zinszahlungsansprüche informiert worden zu sein. Der Kläger habe den Kapitalmarktprospekt vor Abschluss des Darlehensvertrags erhalten, woraus sich ergebe, dass die Schuldnerin zur Finanzierung der operativen Tätigkeit qualifizierte Nachrangdarlehen von 30 Millionen EUR bei Anlegern aufnehmen wolle. Auch die Höhe der Provisionen ergebe sich aus dem Kapitalmarktprospekt.

[20] Die vom Kläger erklärte vorzeitige Kündigung des Vertrags sei unwirksam. Das Ermittlungsverfahren sei bereits beendet.

[21] Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Verzinsung in Höhe von 7,5 % seit 23. 7. 2020, weil das gegenständliche Darlehen mit Ablauf des 24. 7. 2020 geendet habe. Darüber hinaus gebe es keine vertragliche Vereinbarung, wonach der Kläger Anspruch auf 7,5 % Zinsen nach Ablauf des Darlehens habe.

[22] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens) statt. Nach eigenem Vorbringen der Schuldnerin verfüge diese über ausreichend liquide Mittel, um die Forderung des Klägers zu erfüllen. Dass andere Gläubiger andrängten, sei nicht relevant. Solange keine Insolvenzeröffnung drohe, seien fällige Forderungen zu befriedigen. Folge man der Sicht der Schuldnerin, so werde solange nicht eine einzige Darlehensrückzahlung fällig, bis sie ausreichend Mittel erwirtschaftet habe, um sämtliche bereits abgelaufenen und in der Zukunft noch auslaufenden Nachrangdarlehen samt Zinsen und Verzugszinsen bedienen zu können, wobei noch dazu sämtliche ihrer regulären (nicht benachrangten) fälligen Schulden samt den Kosten des laufenden Geschäftsbetriebs vorher zu befriedigen seien. Das Argument der Schuldnerin sei daher in Wahrheit ein wirtschaftliches und kein insolvenz- oder schuldrechtliches.

[23] Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Schuldnerin nicht Folge. Die Klausel 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei intransparent. Ein Verbraucher könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen. Die Klausel schaffe keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz der Emittentin vorlägen, die einer Rückzahlung entgegenstünden, in welchem Verhältnis der Darlehensgeber zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Dass Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz ableitbar seien, ändere daran nichts, da die Klausel keinen klaren Hinweis auf die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen enthalte. Die Klausel enthalte auch keinen Querverweis auf im Kapitalmarktprospekt und den Risikohinweisen enthaltene Bestimmungen. Es widerspräche dem Transparenzgebot, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen „zusammenzusuchen“. Eine geltungserhaltende Reduktion einer solchen Klausel komme auch in einem Individualprozess nicht in Betracht. Die Beklagte könne sich daher auf diese Klausel nicht berufen, weshalb bereits aus diesem Grund dem Klagebegehren im Ergebnis zutreffend stattgegeben worden sei.

[24] Die Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen, weil die Frage der Zulässigkeit einer Nachrangklausel in Darlehensverträgen mit Verbrauchern bisher noch nicht vom Obersten Gerichtshof beurteilt worden sei.

[25] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Schuldnerin mit dem Antrag, die Entscheidung der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[26] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[27] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[28] 1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden (8 ObA 65/19w Pkt II). Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny³ § 159 ZPO Rz 111).

[29] 2. Die Umstellung ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch im Rechtsmittelverfahren zulässig (RS0041103 [T3, T8]). Grundsätzlich sind die Parteien dabei an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl Kodek in Bartsch/Pollak/Buchegger, Insolvenzrecht IV4 [2006] § 113 KO Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittelverfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d; Lovrek in: Zwischen den Welten, Insolvenzeröffnung nach Schluss der Verhandlung erster Instanz und Prüfungsprozess, in FS Konecny [2022] 311), muss hier nicht weiter geprüft werden, da sich aus der Insolvenzeröffnung ergebende Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.

[30] 3.1. In der zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorliegenden Vertrags geltenden Fassung des § 2 Z 2 und 3 Alternativfinanzierungsgesetz – AltFG (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48: vgl § 8a AltFG idF BGBl I 2018/48) wird das Nachrangdarlehen als alternatives Finanzinstrument definiert, das keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch, also keinen Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann, gewähren darf. Nach den Materialien (ErläutRV 628 BlgNr 25. GP  4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden („qualifizierte Nachrangklausel“).

[31] 3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden („einfache Nachrangabrede“). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015/275, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, 116 [119, FN 3]).

[32] 4.1. Zwischen den Parteien wurde eine als „qualifiziertes Nachrangdarlehen“ bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrunde liegenden AGB findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 „Nachrangigkeit“.

[33] 4.2. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts iSd § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0014627 [T6]). Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). § 864a ABGB erfasst alle dem Kunden nachteilige Klauseln, eine grobe Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234).

[34] 4.3. Wenn der Kläger geltend macht, dass „die verwendete Schrift zu klein und unleserlich ist und damit die entsprechende Transparenz bzw Klarheit nicht gegeben ist“, zielt er offenbar nicht auf mangelnde Transparenz ab, sondern auf eine Geltungskontrolle der Klausel nach § 864a ABGB. Dieses Argument ist aber schon deshalb nicht überzeugend, weil der Kläger ausdrücklich ein als solches bezeichnetes Nachrangdarlehen abgeschlossen hat. Im Fall eines Nachrangdarlehens muss jedem potentiellen Darlehensgeber bewusst sein, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen beinhalten, nach welchen seine Forderung in einer in den AGB näher präzisierten Weise hinter den Forderungen anderer Gläubiger zurücktritt, weil es sich dabei um das Hauptcharakteristikum der vom Darlehensgeber zu erbringenden Leistung handelt (vgl Graf,Zur Inhaltskontrolle von Nachrangdarlehen-AGB samt Überlegungen zu § 879 Abs 3 ABGB, VbR 2018/25, 48 [52], „quasi die Quintessenz des Nachrangdarlehens“; vgl auch Pirker,Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [809]). Weder musste der Kläger daher nicht mit einer solchen Regelung rechnen, noch ist diese aufgrund des Schriftbildes in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders „verborgen“. Vielmehr findet sie sich in einem gesonderten Abschnitt, der die Überschrift „Nachrangigkeit“ trägt, ist also dort zu finden, wo sie nach dem Regelwerk zu vermuten war (vgl RS0014646 [T14]; RS0105643 [T2]; RS0014659 [T2, T3]). Darüber hinaus hat der Kläger die Risikohinweise, die nochmals auf die qualifizierte Nachrangigkeit hinweisen, gesondert unterfertigt.

[35] 5. Der weiteren Prüfung ist voranzustellen, dass es sich vorliegend um keinen Verbands-, sondern einen Individualprozess handelt. Im Individualprozess ist die Auslegung nicht „im kundenfeindlichsten Sinn“ vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (9 Ob 19/20i; 9 Ob 21/19g; RS0016590 [T32]) und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders, das heißt im Regelfall zu Lasten des Unternehmers (RS0050063 [T3]).

[36] 6. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenleistung an (2 Ob 59/12h Pkt 7.). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (RS0115219).

[37] 7.1. § 7 Abs 2 1. Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet: „Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde.“

[38] 7.2. Die Klausel legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit „Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ ausreichend umschrieben sind.

[39] 7.2.1. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits unter Punkt 6 dargelegt, führt die Verwendung von, auch juristischen, Fachbegriffen nicht notwendigerweise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen verwendeten Rechtsbegriffe zu gelten (vgl RS0123773).

[40] 7.2.2. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die „Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der verfahrensgegenständlichen Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.

[41] 7.2.3. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständigen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) – hier mit Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) – auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses (Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [809]; siehe auch Pkt 4.).

[42] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen.

[43] 8. Daran ändert auch nichts, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit, zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass, wie der Kläger argumentiert, der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzinstruments mangels Überblick über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher allenfalls für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was zwischen den Parteien als Nachrangigkeit verstanden wird.

[44] 9.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, die die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = VbR 2018/25 [Georg Graf] = ecolex 2018/4 [Sommerauer] = VbR 2019/132 [Mock]). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass zwar nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist (RS0016931). Als Hauptleistungspflicht werden nur jene Vertragsbestandteile aufgefasst, die die individuelle zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen; es sind dies jene Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit ein hinreichend bestimmter Vertrag zustande kommt (4 Ob 112/04f). Bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangdarlehensklausel handelt es sich um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während die Beklagte Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f Pkt 4.).

[45] 9.2. Auch der erkennende Senat geht davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.

[46] 10. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f Pkt 4. mwN (zust Pirker, Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [810]) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessionspflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I.A.3.b)aa); Reich‑Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).

[47] 11. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen. Allerdings haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer – vom erkennenden Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen Einwendungen des Klägers gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (insb Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; arglistige Täuschung; mangelhafte Aufklärung, wobei noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des Vermittlers [„G*-Berater“] an die Schuldnerin erstattet wurde; hilfsweise Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund) aufgenommen.

[48] Sollte danach von einem wirksam vereinbarten Nachrang auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin bzw beim Beklagten. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch allfällige, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigten sein.

[49] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[50] 12. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.

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