OGH 4Ob239/22h

OGH4Ob239/22h31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch die Likar Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. M*, Rechtsanwalt, *, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der G* GmbH, *, wegen 10.000 EUR sA, über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. Juni 2022, GZ 58 R 49/22m‑34, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling im Verfahren vom 11. Februar 2022, GZ 3 C 166/21i‑28, im Zinsenzuspruch abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00239.22H.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Über das Vermögen der ursprünglichen Beklagten G* GmbH (in der Folge: „Schuldnerin“) wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 7. Juli 2022, AZ *, – während offener Frist zur Erstattung einer Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts – das Insolvenzverfahren eröffnet und es wurde der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (in der Folge: „Beklagter“). Der Kläger meldete seine Klagsforderung im Insolvenzverfahren an und beantragte nach Bestreitung derselben durch den Beklagten die Fortsetzung des führenden Verfahrens. Das Erstgericht nahm die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Verfahren mit Beschluss vom 4. November 2022 gemäß § 7 Abs 2 IO auf.

[2] Die Schuldnerin betrieb seit 2014 das freie Gewerbe der Pfandleihe. Sie veröffentlichte im Februar 2018 einen ersten Nachtrag gemäß § 6 KMG zum Kapitalmarktprospekt für das öffentliche Angebot von qualifizierten Nachrangdarlehen.

[3] Die Schuldnerin schloss mit dem Kläger 2018 einen Darlehensvertrag über ein sogenanntes Nachrangdarlehen in Höhe von 10.000 EUR mit einer Verzinsung von 7,5 % jährlich ab; der Darlehensbetrag langte noch am Tag des Vertragsabschlusses bei der Schuldnerin ein. Die Laufzeit des Darlehens betrug zwei Jahre.

[4] Die Darlehensbedingungen lauten auszugsweise:

„§ 7 Nachrangigkeit

(1) Die Forderungen des Darlehensgebers [= Klägers] aus diesem Darlehensvertrag sind unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin [= Schuldnerin] gleichrangig sind.

(2) Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Im Fall der Liquidation oder der Insolvenz der Emittentin dürfen die Forderungen des Darlehensgebers aus diesem Darlehensvertrag erst nach den Forderungen der gegenwärtigen und künftigen nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin befriedigt werden, sodass Zahlungen an den Darlehensgeber so lange nicht geleistet werden, bis die Ansprüche der [richtig: nicht] nachrangigen Gläubiger der Emittentin vollständig befriedigt sind. [...]

[5] Im Kapitalmarktprospekt wurde unter anderem festgehalten, dass es sich bei der gegenständlichen Veranlagung um die Gewährung eines qualifizierten Nachrangdarlehens durch den Anleger an die Emittentin handle. Die Forderungen des Anlegers seien unbesicherte, nachrangige Forderungen, die mit allen anderen gegenwärtigen und zukünftigen unbesicherten, nachrangigen Verbindlichkeiten der Emittentin im gleichen Rang stünden. Im Falle der Insolvenz trete der Anleger daher mit seinen nachrangigen Forderungen im Rang hinter sämtliche nicht nachrangigen Forderungen gegenwärtiger und zukünftiger anderer Gläubiger zurück, mit Ausnahme jener Gläubiger, deren Forderungen ebenfalls nachrangig seien (qualifizierter Rangrücktritt).

[6] Im Insolvenzfall würden demnach zuerst sämtliche nicht nachrangigen Gläubiger befriedigt und erst dann Zahlungen an den Anleger geleistet. Weiters war festgehalten wie folgt: „Der Anleger verpflichtet sich weiters, außerhalb der Insolvenz die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen solange und soweit nicht zu verlangen, wie dies bei der Emittentin zu einer die Insolvenzantragspflicht auslösenden Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit führen würde. Die Rückzahlung der Darlehenssumme bzw. die Zahlung von Zinsen an die Anleger ist soweit und solange ausgeschlossen, als diese einen Insolvenzeröffnungsgrund herbeiführen würde. Außerhalb einer Insolvenz können die Forderungen der Anleger nur nachrangig – somit nach Befriedigung aller Gläubiger mit nicht nachrangigen Forderungen – und nach dem Überwinden einer allfälligen Unternehmenskrise bedient werden. Eine derartige Krise liegt dann vor, wenn die Eigenmittelquote der Emittentin gemäß § 23 URG unter acht Prozent sowie die fiktive Schuldentilgungsdauer gemäß § 24 URG über 15 Jahre betragen. Zum 31. 12. 2014 weist die Bilanz der Emittentin ein positives Eigenkapital in Höhe von EUR 60.468,60 aus. Somit liegt aus derzeitiger Sicht kein die Insolvenzantragspflicht auslösender Sachverhalt vor.“

[7] Laut Kapitalmarktprospekt war ein Volumen von maximal 30 Mio EUR für die Aufnahme von qualifizierten Nachrangdarlehen vorgesehen.

[8] Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ordnete rund eine Woche vor Ende der Laufzeit des Darlehns des Klägers eine Kontosperre für die Konten der Schuldnerin an, die erst ein knappes Jahr später wieder aufgehoben wurde. Bei Aufhebung der Kontosperre verfügte die Schuldnerin über rund 3,4 Mio EUR an liquiden Mitteln.

[9] Kurz vor Schluss der Verhandlung erster Instanz verfügte die Schuldnerin über liquide Mittel in Höhe von insgesamt rund 1 Mio EUR und Forderungen in Höhe von etwa 8 Mio EUR, wobei davon etwa 6,8 Mio EUR aufgrund von Rechtsstreitigkeiten nicht zeitnah eingetrieben werden konnten. Diesen Aktiva standen ca 28 Mio EUR an fälligen und nicht fälligen Forderungen gegen die Schuldnerin gegenüber, davon rund 10,15 Mio EUR an ausgelaufenen qualifizierten Nachrangdarlehen.

[10] Der Kläger begehrt die Rückzahlung seines Nachrangdarlehens inklusive kapitalisierter und laufender Zinsen. Das Darlehen sei seit Ende der zweijährigen Laufzeit zur Rückzahlung fällig. Die AGB der Schuldnerin seien sittenwidrig, intransparent und gröblich benachteiligend. Sie würden der Schuldnerin ermöglichen, die Fälligkeit der Darlehen durch die Aufnahme weiterer Nachrangdarlehen immer weiter aufzuschieben. § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen greife daher nur, wenn die Schuldnerin bereits durch die Rückzahlung eines einzelnen Darlehens insolvent würde. Die Schuldnerin habe den Kläger getäuscht. Hätte er gewusst, dass die Schuldnerin noch weitere knapp 14 Mio EUR an Fremdkapital aufnehme, hätte er das Darlehen nicht gewährt. Außerdem sei das Fremdkapital statt für den operativen Geschäftsbetrieb für Kick-Back-Provisionen von Vertriebspartnern verwendet worden. Hätte der Kläger die wahren Umstände gekannt, hätte er in gebundene Sparbücher oder ähnlich risikolose Anlageformen investiert.

[11] Der Beklagtebestritt und wendete ein, dass der Rückzahlungsanspruch nicht fällig sei. Nach den Darlehensbedingungen sei das Darlehen nach Ablauf der Laufzeit „vorbehaltlich der Bestimmung des § 7 Abs 2“ zurückzuzahlen. Demnach könne die Rückzahlung solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Schuldnerin einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeiführen würde. Auf dieses Risiko habe die Schuldnerin sogar in einem gesonderten Merkblatt hingewiesen. Die Kontosperre habe den Eintritt des Nachrangfalls für sämtliche während der aufrechten Kontosperre auslaufenden Nachrangdarlehen bewirkt. Die Forderungen aus den während der Kontosperre ausgelaufenen Nachrangdarlehen betrügen über 10 Mio EUR, das liquide Vermögen der Schuldnerin nur rund 1 Mio EUR. Müsste die Schuldnerin die Nachrangdarlehen (gleichzeitig) begleichen, wäre sie zahlungsunfähig. Eine volle Auszahlung an einzelne Gläubiger wäre eine allenfalls anfechtbare Gläubigerbegünstigung. Die Nachrangabrede sei nicht sittenwidrig.

[12] Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Schuldnerin verfüge über knapp 1,1 Mio EUR liquides Vermögen und könne daher die Forderung des Klägers bedienen, ohne dass sie insolvent würde. Wollte man § 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen dagegen so verstehen, dass auf alle nachrangigen Darlehen abzustellen wäre, würde dies dazu führen, dass diese nie fällig würden, weil die liquiden Mittel die Summe der aushaftenden Darlehen typischerweise nie erreichten.

[13] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil (mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens). Die Klausel 7 Abs 2 der Darlehensbedingungen sei intransparent. Ein Verbraucher könne sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen. Die Klausel schaffe keine Klarheit darüber, ob und wann Gründe für die Insolvenz der Emittentin vorlägen, die einer Rückzahlung entgegenstünden, in welchem Verhältnis der Darlehensgeber zu anderen Nachrangdarlehensgebern stehe, und wann die Unternehmenskrise wieder überwunden sei. Dass Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz ableitbar seien, ändere daran nichts, da die Klausel keinen klaren Hinweis auf die heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen enthalte. Die Klausel enthalte auch keinen Querverweis auf im Kapitalmarktprospekt und den Risikohinweisen enthaltene Bestimmungen. Es widerspräche dem Transparenzgebot, wenn der Verbraucher gezwungen sei, sich die notwendigen Informationen „zusammenzusuchen“. Sollte die Klausel wirksam sein, hindere sie aus den vom Erstgericht genannten Gründen die Fälligkeit des einzelnen Darlehens des Klägers nicht.

[14] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Auslegung der vorliegenden Vertragsbedingungen wegen der Vielzahl der anhängigen Verfahren über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukomme.

[15] Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die gänzliche Klagsabweisung; hilfsweise wird Aufhebung beantragt.

[16] In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[17] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[18] 1. Gemäß § 113 IO gelten die Bestimmungen der §§ 110 und 112 IO auch für die Fortsetzung und Entscheidung der gegen den Schuldner vor der Insolvenzeröffnung anhängig gewesenen und unterbrochenen Rechtsstreitigkeiten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners kann gegen diesen während des Insolvenzverfahrens kein Leistungsurteil erwirkt werden (8 ObA 65/19w Pkt II). Durch die Aufnahme des zunächst infolge Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens wird der bisherige gegen den Schuldner geführte Leistungsprozess von Gesetzes wegen zu einem Prüfungsprozess nach § 110 IO. Das Leistungsbegehren ist über Antrag oder von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens auf ein Feststellungsbegehren über Richtigkeit und Rangordnung der angemeldeten Forderung zu ändern (vgl RS0041103 [T3, T7, T8]). Diese Änderung ist deshalb geboten, weil dem Insolvenzgläubiger kein klagbarer Leistungsanspruch gegen die Insolvenzmasse zusteht (Fink in Fasching/Konecny 3 § 159 ZPO Rz 111).

[19] 2. Die Umstellung ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch im Rechtsmittelverfahren zulässig (RS0041103 [T3, T8]). Grundsätzlich sind die Parteien dabei an den bei der Unterbrechung bestehenden Stand des Verfahrens gebunden (vgl Kodek in Bartsch/Pollak/ Buchegger, Insolvenzrecht IV4 [2006] § 113 KO Rz 36 mwN). Inwieweit dessen ungeachtet neue Einreden bestreitender Gläubiger oder des Insolvenzverwalters, die in erster Instanz nicht erhoben wurden, im Rechtsmittelverfahren in Ausnahmefällen doch vorgebracht werden können (vgl etwa 17 Ob 9/21d), muss hier nicht weiter geprüft werden, da sich aus der Insolvenzeröffnung ergebende Änderungen der Sach- oder Rechtslage im Revisionsverfahren nicht geltend gemacht wurden.

[20] 3.1. In der zum Zeitpunkt des Abschlusses des vorliegenden Vertrags geltenden Fassung des § 2 Z 2 und 3 AltFG (idF vor der Novelle BGBl I 2018/48: vgl § 8a AltFG idF BGBl I 2018/48) wird das Nachrangdarlehen als alternatives Finanzierungsinstrument definiert, welches keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch gewähren darf, also keinen Anspruch auf Rückzahlung hingegebener Gelder, der ohne Bedingung, insbesondere ungeachtet der wirtschaftlichen Lage des Emittenten, geltend gemacht werden kann. Nach den Materialien (ErläutRV 628 BlgNR 25. GP 4) kann die Geltendmachung der Forderungen des Darlehensgebers aus dem Darlehensvertrag sowohl für den Fall einer Insolvenz oder Liquidation des Darlehensnehmers als auch außerhalb einer Insolvenz vertraglich eingeschränkt werden („qualifizierte Nachrangklausel“).

[21] 3.2. Eine Nachrangabrede ist daher ein Rechtsgeschäft, bei dem der Gläubiger seine Forderung in der Liquidation oder im Insolvenzfall erst geltend machen kann, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger voll befriedigt wurden („einfache Nachrangabrede“). Ein qualifiziertes Nachrangdarlehen (vgl dazu Pateter/Pirker, Zur Rechtsnatur der Nachrangabrede, ZIK 2015/275, 217 [219]) ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anleger nicht nur im Fall der Insolvenz nachrangig befriedigt wird, sondern auch dann keine Rückzahlung erhält, wenn sich die Gesellschaft in der Krise befindet. Sie bezweckt, dass die betreffende Verbindlichkeit bei der Prüfung der rechnerischen Überschuldung nicht berücksichtigt werden muss (Kriegner, Qualifizierte Nachrangdarlehen und Inhaltskontrolle, VbR 2017/78, 116 [119, FN 3]).

[22] 4.1. Zwischen den Parteien wurde eine als „qualifiziertes Nachrangdarlehen“ bezeichnete Vereinbarung getroffen. In den dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet sich die nähere Regelung dazu in § 7 „Nachrangigkeit“.

[23] 4.2. Nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Als objektiv ungewöhnlich wird eine Klausel beurteilt, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Bei der Beurteilung der Ungewöhnlichkeit eines Inhalts iSd § 864a ABGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0014627 [T6]). Der Inhalt der Klausel, auf den es dabei alleine nicht ankommt, spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). § 864a ABGB erfasst alle dem Kunden nachteilige Klauseln, eine grobe Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234).

[24] 4.3. Wenn der Kläger geltend macht, dass „die verwendete Schrift zu klein und unleserlich ist und damit die entsprechende Transparenz bzw Klarheit nicht gegeben ist“, zielt er offenbar nicht auf mangelnde Transparenz ab sondern auf eine Geltungskontrolle der Klausel nach § 864a ABGB. Dieses Argument ist aber schon deshalb nicht überzeugend, weil der Kläger ausdrücklich ein als solches bezeichnetes Nachrangdarlehen abgeschlossen hat. Im Fall eines Nachrangdarlehens muss jedem potenziellen Darlehensgeber bewusst sein, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen beinhalten, nach welchen seine Forderung in einer in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher präzisierten Weise hinter den Forderungen anderer Gläubiger zurücktritt, weil es sich dabei um das Hauptcharakteristikum der vom Darlehensgeber zu erbringenden Leistung handelt (vgl Graf,Zur Inhaltskontrolle von Nachrangdarlehen-AGB samt Überlegungen zu § 879 Abs 3 ABGB, VbR 2018/25, 48 [52]: „quasi die Quintessenz des Nachrangdarlehens“; vgl auch Pirker,Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [809]). Weder musste der Kläger daher nicht mit einer solchen Regelung rechnen, noch ist diese aufgrund des Schriftbildes in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen besonders „verborgen“. Vielmehr findet sie sich in einem gesonderten Abschnitt, der die Überschrift „Nachrangigkeit“ trägt, ist also dort zu finden, wo sie nach dem Regelwerk zu vermuten war (vgl RS0014646 [T14]; RS0105643 [T2]; RS0014659 [T2, T3]). Darüber hinaus hat der Kläger die Risikohinweise, die nochmals auf die qualifizierte Nachrangigkeit hinweisen, gesondert unterfertigt.

[25] 5. Der weiteren Prüfung ist voranzustellen, dass es sich vorliegend um keinen Verbands-, sondern einen Individualprozess handelt. Im Individualprozess ist die Auslegung nicht „im kundenfeindlichsten Sinn“ vorzunehmen. Vielmehr hat sie zunächst nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu erfolgen (9 Ob 19/20i; 9 Ob 21/19g; RS0016590 [T32]) und zwar so, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen (RS0008901 [T15]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten des Verwenders, das heißt im Regelfall zu Lasten des Unternehmers (RS0050063 [T3]).

[26] 6. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist (Transparenzgebot). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Unterscheidung zwischen Haupt‑ und Nebenleistung an (2 Ob 59/12h Pkt 7). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass der Verbraucher durch ihre Lektüre klare und verlässliche Auskunft über seine Rechtsposition erhält (RS0115217 [T14]). Das Transparenzgebot begnügt sich dabei nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2, T6]). Es sollen daher auch jene Klauseln beseitigt werden, die dem Verbraucher ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position vermitteln. Es soll verhindert werden, dass er dadurch von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird oder ihm unberechtigte Pflichten auferlegt werden. Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht (RS0115217 [T3]). Daraus kann sich konkret eine Pflicht zur Vollständigkeit ergeben, wenn die Auswirkung einer Klausel sonst unklar bleibt (vgl 4 Ob 110/17f; 6 Ob 120/15p; 6 Ob 17/16t; 6 Ob 62/22v Rz 16 mwN).

[27] 7.1. § 7 Abs 2 1. Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet: „Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens sowie die Zahlung von Zinsen kann solange und soweit nicht verlangt werden, wie dies bei der Emittentin einen Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens herbeiführen würde.“

[28] 7.2. Die Klausel legt – insoweit völlig unmissverständlich – fest, dass der Darlehensgeber trotz Fälligkeit des Darlehens unter bestimmten Umständen keine Zahlung erhält. Zu prüfen bleibt aber, ob diese Umstände mit „Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ ausreichend umschrieben sind.

[29] 7.2.1. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen selbst definieren diese Wortfolge nicht näher und enthalten auch keinen Querverweis auf gesetzliche Bestimmungen über die Insolvenzeröffnung oder Vertragsbestimmungen. Wie bereits oben in Pkt 6 dargelegt, führt die Verwendung von, auch juristischen, Fachbegriffen nicht notwendigerweise zur Intransparenz einer Vertragsbestimmung. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache nämlich eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dieser Grundsatz kann allerdings nur dann zur Anwendung kommen, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie deshalb in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben. Dementsprechendes hat auch für die in den Allgemeinen Vertragsbedingungen verwendeten Rechts-begriffe zu gelten (vgl RS0123773).

[30] 7.2.2. Die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens finden sich in §§ 66 f IO. Auch wenn die Klausel nicht auf diese Bestimmungen Bezug nimmt, sind die „Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ im Gesetz definiert, wobei auch der durchschnittliche Verbraucher mit einer Insolvenzeröffnung Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit verbinden wird, mögen ihm auch die konkreten rechtlichen Details nicht näher bekannt sein. Der vom Berufungsgericht geforderte Hinweis auf konkrete Bestimmungen der Insolvenzordnung, in denen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geregelt werden bzw die Auflistung detaillierter Angaben in der Klausel über die Fälle, in denen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens droht, lassen damit keine zusätzliche Klarheit für den Vertragspartner erwarten. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien in der verfahrensgegenständlichen Darlehensabrede dem Begriff einen anderen als den gesetzlichen Inhalt beilegen wollten.

[31] 7.2.3. Kann aber eine Rückzahlung dann nicht verlangt werden, wenn und soweit eine solche Zahlung dazu führen würde, dass die nunmehrige Schuldnerin nach dem Gesetz zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gezwungen wäre, kann die Klausel von einem durchschnittlich verständigen Vertragspartner auch nicht dahin verstanden werden, dass es bei der Beurteilung der drohenden Insolvenz nur auf die Höhe seiner eigenen Forderung ankommt, sondern es muss dabei notwendigerweise die wirtschaftliche Situation des gesamten Unternehmens im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Darlehens berücksichtigt werden. Dabei kann die Vertragsbestimmung objektiv nur so verstanden werden, dass auch die Verbindlichkeiten aus anderen Nachrangdarlehen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt bereits fällig sind, heranzuziehen sind. Dieses Auslegungsergebnis wird auch dem Zweck eines qualifizierten Nachrangdarlehens gerecht, der ja gerade darin liegt, dass der Rückzahlungsanspruch nicht unbedingt zusteht, sondern der Darlehensgeber aufschiebend bedingt mit Eintritt eines negativen Eigenkapitals (bzw des Fehlens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses) – hier mit Überschuldung bzw Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) – auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs verzichtet; dies wiederum unter der auflösenden Bedingung des Wegfalls des negativen Eigenkapitals bzw des Vorliegens eines Bilanzgewinns oder Liquidationsüberschusses (Pirker,Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [809]; siehe auch oben Pkt 4).

[32] Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht von einer Intransparenz der konkreten Klausel auszugehen.

[33] 8. Daran ändert auch nichts, dass für den Darlehensgeber die wirtschaftliche Entwicklung und Lage des Darlehensnehmers möglicherweise nicht (leicht) erkennbar ist. Das Wissen um die eigene vertragliche Position (hier als Darlehensgeber eines hochriskanten qualifizierten Nachrangdarlehens) und die Verpflichtungen des Vertragspartners dürfen nicht verwechselt werden mit der Möglichkeit, zu überprüfen, ob diese Pflichten vom Darlehensnehmer auch eingehalten werden. Dass, wie der Kläger argumentiert, der Verbraucher sich als außerhalb der Gesellschaft stehender Gläubiger keinen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Schuldnerin verschaffen kann, sagt nichts darüber aus, ob ihm als Darlehensgeber zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war, dass er im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit keine Rückzahlung erhalten wird, ihm daher bei Vertragsabschluss die Bedeutung der qualifizierten Nachrangigkeit ausreichend deutlich dargestellt wurde. Dass der durchschnittliche Verbraucher das Risiko des Finanzierungsinstruments mangels Überblicks über die finanzielle Situation des Darlehensnehmers nicht abschätzen habe können – so die Revisionsbeantwortung –, ist daher allenfalls für die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung bei Vertragsabschluss von Bedeutung. Im Übrigen regelt die Klausel auch nicht allfällige Kontrollrechte des Darlehensgebers, sondern definiert nur, was zwischen den Parteien als Nachrangigkeit verstanden wird.

[34] 9.1. Der Oberste Gerichtshof hat im Rahmen eines Verbandsverfahrens bereits dazu Stellung genommen, inwieweit die Vertragsbestimmungen, welche die qualifizierte Nachrangigkeit einer Darlehensvereinbarung konkretisieren, die Hauptleistungspflicht betreffen und daher einer inhaltlichen Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen sind (4 Ob 110/17f = RS0131613). In dieser Entscheidung kam der Oberste Gerichtshof zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass zwar nicht schon jede die Hauptleistung betreffende Vertragsbestimmung der Kontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist (RS0016931). Als Hauptleistungspflicht werden nur jene Vertragsbestandteile aufgefasst, die die individuelle zahlenmäßige Umschreibung der beiderseitigen Leistungen festlegen; es sind dies jene Bestandteile eines Vertrags, die die Parteien vereinbaren müssen, damit ein hinreichend bestimmter Vertrag zustande kommt (4 Ob 112/04f). Bei der zu beurteilenden qualifizierten Nachrangklausel handelt es sich um ein für den Vertragstypus konstitutives Merkmal, das daher der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist. Das Zurverfügungstellen von Kapital ist die Hauptleistung des Verbrauchers, während die Beklagte Rückzahlung und Verzinsung schuldet. Der Befriedigungsrang der entsprechenden Forderung des Darlehensgebers ist als Faktor anzusehen, der die Art und Güte der geschuldeten Leistung festlegt, weil davon abhängt, ob das Darlehen als Fremd- oder Mezzaninkapital (eine Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital) anzusehen ist (4 Ob 110/17f Pkt 4).

[35] 9.2. Der Senat geht weiterhin davon aus, dass die inkriminierte Klausel (Vertragsbestimmung § 7 Abs 2) die Hauptleistungspflichten der Parteien regelt und daher einer Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen ist.

[36] 10. In der Entscheidung 4 Ob 110/17f (Pkt 4 mwN; zust Pirker,Qualifizierte Nachrangdarlehen als Finanzierungsinstrument, RdW 2016, 807 [810]) wurde auch bereits ausgesprochen, dass die Entgegennahme von Kapital in Form von Nachrangdarlehen nicht als konzessionspflichtiges Einlagengeschäft gilt (vgl auch Völkel/Marek in König/Mitterecker, Praxishandbuch Sportrecht Kap 30 I.A.3.b)aa); Reich-Rohrwig, Crowdfunding und andere Formen der Unternehmensfinanzierung, ecolex 2020, 4; Majcen, Die neue EU-Crowdfunding Verordnung, ÖBA 2020, 868 [872]).

[37] 11. Zusammenfassend ist daher allein aufgrund des Vertragstextes nicht von einer Unwirksamkeit der Vereinbarung über ein qualifiziertes Nachrangdarlehen auszugehen.

[38] Allerdings haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer – vom Senat nicht geteilten – Rechtsauffassung hinsichtlich der Wirksamkeit der Vereinbarung noch keine Beweise zu den übrigen Einwendungen des Klägers gegen die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung (insb Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells; arglistige Täuschung; mangelhafte Aufklärung, wobei noch kein Vorbringen zur Zurechenbarkeit des Vermittlers [„G*-Berater“] an die Schuldnerin erstattet wurde; hilfsweise Aufhebung des Vertrags aus wichtigem Grund) aufgenommen.

[39] Sollte danach von einem wirksam vereinbarten Nachrang auszugehen sein, liegt die Beweislast für den Eintritt des Nachrangfalls bei der Schuldnerin bzw beim Beklagten. Dabei werden im fortgesetzten Verfahren allerdings auch allfällige, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedingte Änderungen der Sachlage zu berücksichtigen sein.

[40] Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht war die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[41] 12. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 dritter Satz ZPO.

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