OGH 5Ob56/23f

OGH5Ob56/23f25.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. F*, vertreten durch Mag. Vinzenz Fröhlich ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. H* KG, *, und 2. Dr. G*, vertreten durch Mag. Michael Edler, Bakk., Rechtsanwalt in Rosental an der Kainach, wegen 27.904,61 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 9. November 2022, GZ 6 R 124/22g‑14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 19. April 2022, GZ 5 C 3/22y‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00056.23F.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.898,17 EUR (darin 316,36 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, die mit einem Baurecht belastet ist.Die Erstbeklagte ist aufgrund des Kaufvertrags vom 26. 4. 2012 als Baurechtsberechtigte in den Baurechtsvertrag vom 7. 10. 1997 eingetreten. Mit ihren (nunmehr) 1618/2124 Anteilen ist Wohnungseigentum verbunden. Der Zweitbeklagte ist der unbeschränkt haftende Gesellschafter der Erstbeklagten. Im Baurechtsvertrag vom 7. 10. 1997 samt Nachträgen vom 20. 11. 1998 und 5. 2. 2001 wurde eine Wertsicherung des Bauzinses vereinbart.

[2] Der Kläger begehrte von den Beklagten den sich aus der vereinbarten Wertsicherung des Bauzinses für die Monate ab 2019 bis einschließlich Dezember 2021 ergebenden Betrag von 27.904,61 EUR.

[3] Die Beklagten wendeten – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – ein, die Verkehrsanbindung der Liegenschaft sei durch bauliche Veränderungen an der Landesstraße derart verschlechtert worden, dass die vom Baurecht umfassten Grundstücke mit dem PKW und zu Fuß nur mehr sehr eingeschränkt erreichbar seien. Damit hätte sich seit Abschluss des Baurechtsvertrags und der entsprechenden Nachträge die Geschäftsgrundlage so gravierend geändert, dass eine Vertragsanpassung durch Minderung des Bauzinses erforderlich sei.

[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision über Antrag der Beklagten nachträglich zu, weil (verkürzt) der Frage, ob eine Verschlechterung der Verkehrsanbindung als solche den Wert des Baurechts an sich derart reduziere, dass dies als eine, eine Vertragsanpassung und Reduktion des Bauzinses nach sich ziehende Änderung der Geschäftsgrundlage zu beurteilen sei, über den Einzelfall hinaus für die Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukäme.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:

[7] 1. Die Vertragstreue erfordert es, dass jeder Vertragsteil die von ihm übernommenen Verpflichtungen erfüllt und das Risiko eines Fehlschlags seiner Erwartungen tragen muss (3 Ob 143/18b). Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist daher nur als letztes Mittel heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0017454). Ein Rückgriff auf diese Lehre hat zu unterbleiben, wenn ein Vertrag nach seinem von den Parteien festgelegten immanenten Zweck nicht lückenhaft ist (4 Ob 151/21s mwN).

[8] 2. Die Beklagten argumentieren zum Wegfall der Geschäftsgrundlage und der daraus abgeleiteten Berechtigung zur Anpassung des Bauzinses mit einer Änderung der Verkehrsanbindung der mit dem Baurecht belasteten Liegenschaft, die auf den Umbau der Hauptstraße und des Kreisverkehrs zurückgeht. Nach den Feststellungen, an die der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist (RS0042903 [T7, T10]), gebunden ist, fiel durch diese Umbauarbeiten zwar ein Fußgängerübergang weg, sodass keine gesicherte Überquerungsmöglichkeit der Hauptstraße für Fußgänger mehr existiert; zusätzlich wurde durch Bodenmarkierungen (Sperrlinien) das Zufahren zur Liegenschaft erschwert. Deren Erreichbarkeit ist aber nach wie vor gegeben. Ob bzw allenfalls in welchem Umfang und in welchen Zeiträumen der Erstbeklagten überhaupt ein Nachteil entstanden ist, und inwiefern ein solcher überhaupt auf den Umbau der Hauptstraße zurückgeführt werden kann, konnte demgegenüber nicht festgestellt werden.

[9] 3. Damit lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen, dass die Veränderung der Verkehrsanbindung überhaupt von Einfluss auf die geschäftliche Entwicklung bei der Erstbeklagten gewesen wäre. Die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob eine Verschlechterung der Verkehrsanbindung den Wert des Baurechts an sich reduziert und dann die Anwendung der Geschäftsgrundlagenlehre rechtfertigen könnte, stellt sich damit nicht. Da der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, theoretisch zu einer Rechtsfrage, deren Lösung gar nicht von Relevanz ist, Stellung zu nehmen, ist darauf nicht näher einzugehen (vgl RS0102059 [T8, T18]). Damit kann auch dahin stehen, ob die Beibehaltung der (ursprünglichen) Verkehrsanbindung Grundlage des Baurechtsvertrags war und damit eine – für den Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenfalls erforderliche (dazu 5 Ob 58/18t mwN) – Störung der subjektiven Äquivalenz überhaupt in Betracht kommt.

[10] 4. Andere Fragen werden im Rechtsmittel der Beklagten nicht angesprochen, sodass es keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

[11] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel der Beklagten nicht zulässig ist, und damit Anspruch auf Ersatz ihrer darauf entfallenden Kosten.

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