European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00033.23A.0524.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * D* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am 29. August 2020 in W* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer akuten Psychose im Rahmen einer bestehenden paranoiden Schizophrenie, den Polizeibeamten * M*
I./ mit Gewalt an Amtshandlungen zu hindern versucht hat, und zwar
A./ an der Vollziehung ihrer Festnahme nach § 35 Z 3 VStG, indem sie ihn im Halsbereich kratzte;
B./ an ihrer Verbringung in den Arrestantenwagen, indem sie ihm einen Tritt gegen den Unterleib versetzte;
II./ während der Vollziehung seiner Aufgaben
A./ durch die zu I./A./ genannte Tat am Körper verletzt hat, wodurch er Kratzwunden am Hals erlitt;
B./ durch die zu I./B./ genannte Tat an der Gesundheit geschädigt hat, wodurch er mehrere Tage andauernde Schmerzen im Hodenbereich und im Bereich des linken Nierenlagers erlitt;
sohin Taten begangen hat, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (I./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./) mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.
[3] Die Unvollständigkeit reklamierende Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet, das Schöffengericht habe die Angaben der Zeugin * P* übergangen, wonach beim Vorfall vom 29. August 2020 auch Nachbarn „hinunter geschrien“ hätten, dass die Polizisten die Betroffene nicht so grob angreifen sollen (ON 54 S 9). Damit gibt sie die Aussage nicht vollständig – und damit sinnentstellt – wieder, weil die Zeugin im Anschluss an diesen Satz angab, dass sich die Polizisten aus ihrer Sicht „sehr gut in dieser Situation verhalten haben, weil sie sehr lange ruhig geblieben sind und versucht haben, sie [Anm: die Betroffene] normal zu beruhigen bis sie dann handgreiflich geworden ist“. Im Übrigen spricht die Rüge kein erhebliches Verfahrensergebnis, also nicht ein solches an, das geeignet ist, die dem Gericht durch die Gesamtheit der übrigen Beweisergebnisse vermittelte Einschätzung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache maßgebend zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116877 [T1]), weshalb es nicht gesondert erörterungsbedürftig war (RIS‑Justiz RS0118316).
[4] Warum die Prognosetaten durch die Feststellungen, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Betroffene (gemeint [US 3]:) unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit „in Zukunft Taten, wie die ihr vorgeworfene Tat, dieser äquivalente Taten, aber auch mit Strafe bedrohte Taten mit schweren Folgen, wie schwere Körperverletzungen“ begehen wird (US 7, 9 f, 12), nicht ausreichend determiniert sein sollen, legt die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) mit der Behauptung, dem Erfordernis werde „etwa durch Ausführungen zum Risiko eines einschlägigen kriminellen Rückfalls, einer Steigerung der Drohungen und der Befürchtung ähnlicher Straftaten analog zur gegenständlichen nicht gerecht“, nicht dar.
[5] Soweit die Gefährlichkeitsprognose als unzulänglich begründet kritisiert wird, weil das Erstgericht die Auffassung des Sachverständigen übernommen habe, wonach auch Körperverletzungen mit schweren Verletzungsfolgen zu befürchten seien (ON 54 S 21), obwohl die Begründung des Sachverständigen hiefür aus Sicht der Beschwerde nicht zufriedenstellend sei, wird lediglich ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0116498).
[6] Die Kritik an der Nichtgewährung bedingter Nachsicht der vorbeugenden Maßnahme (§ 45 Abs 1 idF BGBl I 2001/130) spricht keine Nichtigkeit, sondern einen Berufungsgrund an (RIS‑Justiz RS0099865 [T5], RS0100032 [T2]).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)