European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00005.23B.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.
[2] Wie die Revision selbst einräumt, in der Folge aber in ihren Ausführungen nicht mehr beachtet, können behauptete Mängel des Verfahrens und der Beweiswürdigung erster Instanz, die das Berufungsgericht behandelt und für nicht berechtigt erachtet hat, im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0043111). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]).
[3] Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die im Rechtsmittel des Beklagten als Rüge von Mängeln des Berufungsverfahrens bezeichneten Ausführungen sich inhaltlich nur als Versuch darstellen, die unanfechtbare Verneinung erstinstanzlicher Verfahrensmängel noch zu revidieren.
[4] Bloße Verweise in der Revision auf den Inhalt anderer Schriftsätze (hier: auf Seiten der Berufung) sind unbeachtlich (RS0043616; RS0043579; RS0007029).
[5] 2. Im Übrigen zeigt die Revision keine entscheidungsrelevante Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[6] Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Abruf der Bankgarantie durch den Beklagten nicht rechtsmissbräuchlich und im Umfang des von der Nebenintervenientin bereits ausbezahlten Betrags von 412.134,35 EUR auch berechtigt war. Soweit die Revision sich dennoch damit befasst, dieses ohnehin der Entscheidung zugrundegelegte Ergebnis weiter zu untermauern, sind ihre Ausführungen für die Entscheidung ohne Relevanz.
[7] Davon zu unterscheiden ist die im vorliegenden Verfahren zu klärende Frage, ob dem Beklagten im Valutaverhältnis zur Klägerin auch die übrige, zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch nicht ausgezahlte Garantiesumme zusteht, oder ob er infolge Wegfalls des weiteren Sicherungszwecks im verbliebenen Umfang gegenüber der Klägerin zum Widerruf des Garantieabrufs verpflichtet ist.
[8] Die Auslegung des Sicherungsumfangs eines Garantievertrags hängt, wie die Vertragsauslegung im Allgemeinen, von den Umständen des Einzelfalls ab und hat im Regelfall keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RS0042936). Eine geradezu unvertretbare Auslegung durch die Vorinstanzen, die zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie ihrer rechtlichen Argumentation zugrundelegt, dass dem Beklagten nach wie vor eine vom vereinbarten Sicherungsumfang der Garantie gedeckte Steuernachzahlung drohe, weicht sie von den in dritter Instanz bindenden Tatsachenfeststellungen ab, die auch der Beklagte noch im Berufungsverfahren als Tatsachenfeststellungen qualifizierte (AS 503).
[9] Der Einwand, dass sich die Bankgarantie durch Ziehen in eine Barkaution verwandle und insoweit ein Widerruf des Abrufs nicht mehr stattfinden könne, übergeht, dass bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz nach dem maßgeblichen Sachverhalt keine Auszahlung des streitgegenständlichen Teils der Garantiesumme erfolgt war.
[10] Fragen der Beweislast stellen sich im Verfahren dann, wenn das Beweisverfahren ohne subsumtionsfähiges Sachverhaltsergebnis geblieben ist. Wer eine Tatsache beweisen muss, ist nur so lange von Bedeutung, als diese Tatsache nicht erwiesen ist. Steht die Tatsache fest, spielt es keine Rolle mehr, wen die Beweislast trifft (RS0039872 [T1]). Dies gilt hier insbesondere auch für die im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbare und vor deren Hintergrund des Sicherungszwecks zu verstehende „Feststellung“, dass der Beklagte tatsächlich keine Steuernachzahlung aus der Einkommensteuer 2014 zu leisten hat.
[11] Der Satz, dass „nach Ansicht des Beklagten“ ein bestimmtes Verhalten der Klägerin entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts ein Anerkenntnis darstelle (AS 653), ist eine Leerformel, mit der der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gesetzmäßig ausgeführt wird (RS0043605; auch RS0043654).
[12] Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.
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