European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00042.23Z.0524.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten * Y* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde * Y* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./1./ und 2./) und der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (II./1./ und 2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
I./ mit Gewalt, zu 1./ zudem durch Entziehung der persönlichen Freiheit, nachstehende Personen zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar
1./ in der Nacht zum 12. September 2021 in H* die 16‑jährige * Ya*, indem er sie auf die Rückbank seines Pkw stieß, die Türen verriegelte, ihre Hände zunächst an ihren Körper drückte, wobei er sie küsste und sie anschließend aufforderte, ihn oral zu befriedigen, was sie jedoch ablehnte, woraufhin er mit seiner Hand in ihre Hose fuhr, ihre Scheide berührte und ihr anschließend zwei Finger vaginal einführte, während er sie an der Brust festhielt, wobei * Ya* vergeblich versuchte, seine Hand wegzudrücken, und ihn bereits zuvor aufgefordert hatte, aufzuhören, was er jedoch ignorierte;
2./ am 17. Juli 2022 in R* (im Zeitraum 3:30 bis 4:30 Uhr) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit * P* als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) die 16‑jährige * N*, indem * P* sie festhielt, von hinten umklammerte, sie an der Brust berührte und sie durch Drücken ihres Kopfes zu seinem Penis dazu veranlasste, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen, während Y* sie auszog, anschließend an den Haaren zu sich zog, sie aufforderte, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen und ihr Ohrfeigen versetzte, als sie sich weigerte, woraufhin sie Y* oral befriedigte, während P* seinen Penis von hinten anal in sie einführte und den Analverkehr mit ihr vollzog, Y* sie anschließend umdrehte und zunächst den Vaginal‑ und dann den Analverkehr mit ihr vollzog und dabei kraftvoll ihre Brüste festhielt, obwohl sie bereits zu Beginn sagte, dass sie es nicht wollte, mehrfach nein sagte, strampelte und schrie, woraufhin ihr der Mund zugehalten wurde;
II./ am 17. Juli 2022 die 16‑jährige * N*, die infolge übermäßigen Alkoholkonsums in Verbindung mit der Einnahme einer Tablette des ihr ärztlich verordneten Antidepressivums „T*“, somit wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornahm, und zwar
1./ in R* (im Zeitraum 3.30 bis 4.30 Uhr) mit * P* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) durch die zu I./2./ geschilderten Handlungen;
2./ in S* (im Zeitraum 2:20 bis 2:50 Uhr), indem er sie dazu veranlasste, den Oralverkehr an ihm zu vollziehen und sodann den vaginalen Geschlechtsverkehr in verschiedenen Stellungen mit ihr vollzog, bis er ohne Kondom in ihr ejakulierte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Y*, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 121 S 3 f) des vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung am 9. Dezember 2022 gestellten Antrags (ON 120 S 35 f) auf Einholung eines Gutachtens eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass sich N* (im Tatzeitraum zu II./) „in keinem starken alkoholisierten Zustand befand bzw. keine alkoholbedingte Beeinträchtigung vorlag, die sie unfähig gemacht hätte, die Bedeutung der sexuellen Handlung einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln“, Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.
[5] Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, welche im Verfahren hervorgekommenen Umstände es dem Schöffengericht unter Berücksichtigung der im Antragszeitpunkt vorliegenden Beweisergebnisse zum Alkoholkonsum und zum Zustand der N* im Tatzeitraum zu II./ (vgl US 29–41) erlaubt hätten, mit Hilfe eines medizinischen Sachverständigen auf die Fähigkeit des bis zur Tatnacht im Umgang mit Alkohol nur wenig erfahrenen Tatopfers (vgl US 32), die Bedeutung der Vorgänge zu II./ einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zu schließen (RIS-Justiz RS0119248, RS0099453).
[6] Die Mängelrüge (nominell Z 5 vierter Fall; dSn zu II./2./ auch Z 9 lit a und zu II./1./ auch Z 10) behauptet, das Urteil enthalte keine Aussagen dazu, dass der Beschwerdeführer den Zustand des Opfers zu II./1./ und II./2./ „erkennen konnte und musste“, übergeht dabei aber prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810, RS0119370) die ohnehin zum (bedingten) Vorsatz zu II./ getroffenen Feststellungen der Tatrichter (US 9, 13) und die dazu angestellten (sehr ausführlichen) Erwägungen (US 31–41), die unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit auch nicht zu beanstanden sind (RIS-Justiz RS0116732).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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