OGH 11Os30/23f

OGH11Os30/23f9.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Mai 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz als Vorsitzende sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Dr. Michel‑Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gigl als Schriftführerin in der Strafsache gegen * C* wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 19. Dezember 2022, GZ 38 Hv 96/22p‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00030.23F.0509.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die (verbleibende) Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * C* mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB (I./) sowie eines Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 4 zweiter Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – gekürzt wiedergegeben – in S* zumindest von (ersichtlich gemeint [US 3 und 10 iVm ON 5.5 S 3 und ON 5.9 S 4]:) Oktober 2009 bis 7. Mai 2022, somit länger als ein Jahr, gegen seine (im genannten Zeitraum großteils) unmündigen Kinder G*, geboren am * 2006, F*, geboren am * 2009, und Ge*, geboren am * 2012 (I./) sowie gegen seine Ehefrau A* (II./) auf im Urteil näher beschriebene Weise Gewalt ausgeübt, indem er sie teils täglich, zumindest aber mehrmals monatlich am Körper misshandelte oder verletzte, wodurch sie Hämatome und Schürfwunden erlitten (I./ 1./ und II./ 1./), und sie wiederholt mit einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen (I./ 2./ und II./ 2./), wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der A* herstellte und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) behauptet, aufgrund „unkonkreter“ bzw nicht „detaillierter“ Schilderungen der Opfer sei die „Verletzungsabsicht des Angeklagten … nicht auf alle Fälle eindeutig nachweisbar“ und beschränkt sich dergestalt darauf, den – eindeutigen – Annahmen der Tatrichter (US 4 f [zu I./] und US 5 f [zu II./]; vgl auch US 10) eigenständige Erwägungen zur Bewertung der Ergebnisse des durchgeführten Beweisverfahrens (§ 258 Abs 2 StPO) gegenüberzustellen und für den Standpunkt des Beschwerdeführers günstigere Schlussfolgerungen im Tatsächlichen zu reklamieren. Sie bekämpft damit bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

[5] Die Subsumtionsrüge (Z 10) lässt die unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gebotene Darlegung vermissen, welchem Strafgesetz die Taten aus ihrer Sicht konkret zu unterstellen seien (RIS‑Justiz RS0117247 [T7], RS0099984, RS0118415 [T3]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 644).

[6] Zum undifferenziert – mit der lapidaren Behauptung, die Annahme eines „einheitlichen Tatgeschehens [sei] rechtsirrig“ – geforderten Günstigkeitsvergleich (§§ 1, 61 StGB) bleibt anzumerken, dass die Taten nach dem Urteilssachverhalt (US 5 und 6) im Rahmen von tatbestandlichen Handlungseinheiten (vgl RIS‑Justiz RS0129716 [T4]; allgemein dazu Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89) begangen wurden. Bei deren Beurteilung ist die zum Zeitpunkt der Vornahme des letzten Teilakts geltende Rechtslage maßgebend (RIS‑Justiz RS0119545 [T11]). Hiervon ausgehend wurden die Taten rechtsrichtig (in Bezug auf jedes Opfer jeweils) einem Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB (I./) und einem Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 4 zweiter Fall StGB (II./) in der (bereits damals) geltenden Fassung (BGBl I 2019/105) unterstellt (siehe auch US 11; RIS‑Justiz RS0129716).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung ebenso sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehene (ausgeführte: ON 34 S 3 ff) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 285i StPO).

[8] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte