European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0200DS00001.23M.0426.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Soweit im Verfahren über die Berufung relevant wurde * mit dem angefochtenen Erkenntnis der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldbuße von 3.500 Euro verhängt.
[2] Danach hat er
a) sich als Vertreter von * R* diesem gegenüber mit Vertrag vom 20. April 2020 verpflichtet, im Fall von dessen Ableben den Inhalt seines im Erkenntnis näher bezeichneten Schließfaches sicherzustellen und vier im Schließfach befindliche Sparbücher an vier im Erkenntnis namentlich genannte Personen auszufolgen und hat dadurch an einem bedenklichen Rechtsgeschäft mitgewirkt (AZ D 18/22);
b) im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts * betreffend die Feststellung der Teilunwirksamkeit des Mietvertrags vom 19. September 2016 die rechtsfreundliche Vertretung des Vermieters * L* gegen die Mieterin * G* übernommen, obwohl er diesen Mietvertrag, der keinen Vertretungsvorbehalt enthielt, verfasst hat (AZ D 3/22).
[3] Bei der Strafbemessung ging der Disziplinarrat – mangels Offenlegung (Lehner in Engelhart/ Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO11 § 16 DSt Rz 17) – von zumindest durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (§ 16 Abs 6 DSt) aus und wertete „das Vorliegen zweier strafbarer Handlungen“ als erschwerend, die Unbescholtenheit des Beschuldigten als mildernd (ES 14).
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe.
[5] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).
[6] Der Argumentation eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung (§ 34 Abs 1 Z 17 zweiter Fall StGB) durch Offenlegung der Vereinbarung vom 20. April 2020 gegenüber dem Verlassenschaftskommissär könnte zwar als „Tatsachengeständnis“ Bedeutung zukommen, wenn sich dieses maßgeblich auf die Beweisführung ausgewirkt hätte (RIS‑Justiz RS0091460 [T5, T6]; Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 38). Der Berufungswerber übersieht jedoch, dass der als unberücksichtigt relevierte Beitrag zur Wahrheitsfindung lediglich Nebeneffekt der ohnedies gebotenen pflichtgemäßen Offenlegung war.
[7] Bei der Strafbemessung war hingegen zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte hinsichtlich beider Verfehlungen jeweils beide Fälle des § 1 Abs 1 DSt zu verantworten hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).
[8] Auf Grundlage der Schuld (§ 32 StGB) sowie unter Berücksichtigung der dargestellten Bemessungsgründe (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) und des Umstands, dass die vom Disziplinarrat gefundene Sanktion ohnedies im unteren Bereich der nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt möglichen Geldbuße angesiedelt ist, ist die ausgesprochene Geldbuße einer Reduktion nicht zugänglich.
[9] Der angestrebten bedingten Nachsicht stand der sich aus dem Verhalten des Beschuldigten ergebende Spezialpräventionsbedarf entgegen (§ 16 Abs 2 DSt).
[10] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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