OGH 1Ob54/23g

OGH1Ob54/23g25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K* Z*, 2. Dr. A* Z*, 3. Ing. J* Z*, 4. S* R*, und 5. J* Z*, vertreten durch die Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Gemeinde *, vertreten durch Mag. Georg Schmeissner, Rechtsanwalt in St. Gilgen, wegen Feststellung und Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Februar 2023, GZ 3 R 156/22i‑34, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00054.23G.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. § 287 ABGB unterscheidet zwischen den dem Gemeingebrauch gewidmeten Sachen des Staats und jenem Staatseigentum, das zur Deckung der Staatsbedürfnisse bestimmt ist; § 288 ABGB führt die gleiche Unterscheidung für das Gemeindeeigentum durch (5 Ob 44/03m SZ 2003/33).

[2] Die Begründung des Gemeingebrauchs, die einer im Eigentum einer Gebietskörperschaft stehenden Liegenschaft die Qualifikation als öffentliches Gut verleiht, bedarf eines besonderen Widmungsakts, für den Gesetze, Verordnungen und individuelle Verwaltungsakte (Erklärung der zuständigen Verwaltungsbehörde), aber auch die rechtssetzende Wirkung einer der „Ersitzung“ entsprechenden langjährigen Übung in Frage kommen (RS0117551; RS0109155; vgl RS0009784; ebenso VwGH Ro 2014/05/0020).

[3] 2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Grundstück der beklagten Gemeinde, betreffend dem die Kläger – für unterschiedliche Grundstücksteile – die Feststellung und Einverleibung der Dienstbarkeit des „uneingeschränkten“ Gehens und der „exklusiven“ Nutzung als Badeplatz begehren, im Gemeingebrauch stand und nach wie vor steht, ist nicht zu beanstanden: Im Grundbuch ist die Zugehörigkeit dieses Grundstücks zum öffentlichen Gut ersichtlich gemacht. Bereits zu einer Zeit, als sich auf dem nunmehrigen Grundstück der Beklagten noch die Bahntrasse einer Lokalbahn befunden hatte, deren Betrieb Ende der 1950iger‑Jahre eingestellt worden war, wurde der Bereich entlang der Bahntrasse als Gehweg genutzt. Seit dem Abbau der Geleise befindet sich dort ein Gehweg „für die Allgemeinheit“.

[4] 3. Eine Dienstbarkeit an einer im Gemeingebrauch stehenden fremden Liegenschaft kann auch bei deren redlicher Benützung nur erworben werden, wenn die Benützung außerhalb des Gemeingebrauchs erfolgt bzw über diesen hinausgeht und für den Liegenschaftseigentümer zudem erkennbar ist, dass ein vom Gemeingebrauch verschiedenes eigenes Privatrecht in Anspruch genommen wird (RS0009762 [T4, T6, T22]; RS0009785 [T4]). Ob eine solche – über den Gemeingebrauch hinausgehende – Rechtsausübung für den betroffenen Liegenschaftseigentümer erkennbar ist, hängt stets von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich damit regelmäßig einer Qualifikation als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0009785 [T1]; RS0033021 [T1]; 1 Ob 188/10v). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass für die Beklagte eine solche „Sondernutzung“ der Kläger und ihrer Rechtsvorgänger nicht erkennbar gewesen sei, ist angesichts der getroffenen Feststellungen nicht korrekturbedürftig.

[5] Dabei ist einerseits entscheidend, dass das Gehen auf dem Gehweg und den angrenzenden Flächen nicht über den Gemeingebrauch hinausging, sodass für die betroffenen Flächen keine vom Gemeingebrauch verschiedene „uneingeschränkte“ Dienstbarkeit des Gehens entstehen konnte. Andererseits konnte in Bezug auf den Badeplatz eine „exklusive“ Nutzung durch die (insofern beweispflichtigen) Kläger und ihre Rechtsvorgänger gerade nicht festgestellt werden. Damit fehlt jede Grundlage für die behauptete Ersitzung einer „verneinenden“, also Benutzungshandlungen des Eigentümers (hier der Allgemeinheit) ausschließenden Dienstbarkeit (vgl zu diesem Begriff Memmer in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 472 Rz 4; Merth/Spath in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 472 Rz 6).

[6] 4. Den Ausführungen der Revisionswerber, dass anlässlich des Eigentumserwerbs durch die beklagte Gemeinde im Jahr 1984 bereits ihre Dienstbarkeiten („uneingeschränktes“ Gehrecht und „exklusive“ Nutzung eines Badeplatzes) bestanden hätten und diese offenkundigen Servituten von der Beklagten übernommen worden wären, steht schon entgegen, dass sie keine Rechtsgrundlage für die Begründung dieser Dienstbarkeiten – eine Vereinbarung mit dem Voreigentümer Republik Österreich behaupten sie (zutreffend) nicht – anzuführen vermögen.

[7] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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