OGH 2Nc27/23b

OGH2Nc27/23b11.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und 2. H*, wegen 105.924,28 EUR sA, über die Befangenheitsanzeige der * sowie der * im Verfahren zu AZ * den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020NC00027.23B.0411.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Die * und * sind im Verfahren * des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien und in den damit in Zusammenhang stehenden Verfahren über die Befangenheit von Richtern befangen.

II. Es besteht ein zureichender Grund, die Unbefangenheit der * in der Rechtssache * in Zweifel zu ziehen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger macht Schadenersatzansprüche (unter anderem) gegen einen ehemaligen Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs geltend. Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr in einer Ablehnungssache über einen Rekurs des Klägers gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden. Das im Spruch genannte Verfahren ist im * Senat des Obersten Gerichtshofs angefallen, dessen Mitglieder * und *sind.

[2] * und * geben bekannt, dass sie mit dem Zweitbeklagten viele Jahre im Senat zusammengearbeitet hätten. Die Gründe, die bereits in der Vergangenheit zu ihrer Befangenheit geführt hätten (vgl 2 Nc 9/21b), kämen nach wie vor zum Tragen.

[3] * gibt bekannt, dass ihr Ehemann an der im Rekursverfahren angefochtenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien mitgewirkt habe. Es könnte daher ein Grund vorliegen, der bei objektiver Betrachtungsweise ihre Unbefangenheit bezweifeln lasse, auch wenn sie sich subjektiv nicht befangen fühle.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Befangenheitsanzeigen sind begründet:

[5] I.1. * und * haben durch den Verweis auf die in der Vorentscheidung des Befangenheitssenats 2 Nc 9/21b angenommenen, aus ihrer Sicht weiterhin bestehenden Gründe der Befangenheit zum Ausdruck gebracht, subjektiv befangen zu sein.

[6] 2. Zeigen Richter ihre (subjektive) Befangenheit an, ist diese grundsätzlich anzunehmen (RS0046053); anderes gilt nur dann, wenn die Anzeige offenkundig missbräuchlich oder die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet wären, Befangenheit zu begründen (2 Nc 27/19x). Beides trifft hier nicht zu, ist doch nach der Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, dass eine langjährige berufliche Zusammenarbeit subjektive Befangenheit begründen kann.

[7] 3. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch in Zukunft in der Hauptsache und in damit zusammenhängenden Ablehnungsverfahren Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof erhoben werden. Da der angezeigte Befangenheitsgrund auch solche Verfahren erfasst, war die Befangenheit zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen schon jetzt auch insofern auszusprechen.

[8] II.1. Ein zureichender Grund, die Unbefangenheit eines Richters iSv § 19 Z 2 JN in Zweifel zu ziehen, liegt nach ständiger Rechtsprechung schon dann vor, wenn bei objektiver Betrachtungsweise der äußere Anschein der Voreingenommenheit – also der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche Motive (RS0045975) – entstehen könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2, T6]), dies auch dann, wenn der Richter tatsächlich (subjektiv) unbefangen sein sollte (RS0045949 [T5]). Dabei ist zur Wahrung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Rechtsprechung ein strenger Maßstab anzuwenden (vgl RS0045949).

[9] 2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der objektive Anschein der Befangenheit gegeben, weil ein Verfahrensbeteiligter den Eindruck gewinnen könnte, die Willensbildung der * könnte durch die Verfahrensbeteiligung ihres Ehemanns als Mitglied des Senats * des Oberlandesgerichts Wien beeinflusst werden (2 Nc 35/20z mwN, 2 Nc 13/22t; vgl RS0046024 [T11, T12, T25, T27]).

[10] 3. Aus diesem Grund ist iSd § 19 Z 2 JN auszusprechen, dass ein zureichender Grund vorliegt, die Unbefangenheit der * in Zweifel zu ziehen. Das schließt ihre Mitwirkung an der Entscheidung in der im Spruch genannten Rechtssache aus.

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