European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00006.23B.0314.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.126,58 EUR (darin enthalten 187,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger und die Erstbeklagte sind Miteigentümer einer Liegenschaft. Mit den Miteigentumsanteilen der Erstbeklagten ist unter anderem das Wohnungseigentum am Dachboden des darauf errichteten Hauses verbunden. Die Zweit- bis Viertbeklagten sind die unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Erstbeklagten. Im Jahr 2019 kam es im Zug des von der Erstbeklagten durchgeführten Dachbodenausbaus zu Wassereintritten und Schäden am Gebäude. Die Eigentümergemeinschaft, vertreten durch ihren Verwalter, beauftragte Arbeiten zur Reparatur des Dachs und der Beseitigung der Schäden an den allgemeinen Teilen. Dafür wendete sie 30.322,84 EUR aus der Rücklage auf. In einem von ihr wegen dieser Schäden eingeleiteten Beweissicherungsverfahren fielen 8.854,30 EUR an Gerichts- und Sachverständigengebühren an, die sie ebenfalls aus der Rücklage beglich.
[2] Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von 12.732,72 EUR sA. Unter Außerachtlassung des Anteils der Erstbeklagten entspreche dieser Betrag seinem Anteil an dem von der Eigentümergemeinschaft im Zusammenhang mit der Beseitigung der Schäden aufgewendeten Betrag aus der Rücklage. Durch die Belastung der Instandhaltungsrücklage mit Kosten, die durch das schuldhafte Verhalten der Erstbeklagten entstanden seien, sei die Rücklage in der Höhe des von der Eigentümergemeinschaft aufgewendeten Betrags reduziert worden, sodass ihm ein Schaden in Höhe seines Anteils aus deren Verminderung entstanden sei.
[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die Zahlungen zur Beseitigung der Schäden aus der Rücklage erfolgt seien und diese ein Sondervermögen der Eigentümergemeinschaft bilde, sei der Kläger nicht aktiv legitimiert.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und lies die Revision zu. Mögliche Zahlungen in die Rücklage zur Finanzierung künftiger Aufwendungen seien nicht fällig und könnten seinen Anspruch ebenso wenig begründen, wie sein Hinweis auf die susbidiäre Haftung der Wohnungseigentümer für Liegenschaftsaufwendungen. Zwar falle die Geltendmachung deliktischer Schadenersatzansprüche nicht (mehr) in die Rechtszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft; geschädigt seien nämlich die Wohnungseigentümer, die ihre Ansprüche abtreten könnten. Mit dem Erstgericht sei jedoch davon auszugehen, dass die Eigentümergemeinschaft zur Sanierung der Schäden an allgemeinen Teilen verpflichtet gewesen sei, sodass es zu einer Schadensverlagerung und damit zu einem Übergang der Forderung auf die Eigentümergemeinschaft gekommen sei. Die Revision sei – zusammengefasst – zulässig, weil zur Frage, ob bei Schädigung allgemeiner Teile des Hauses im Fall der Schadensbehebung mit Mitteln aus der Rücklage der Anspruch (aliquot) auf die Eigentümergemeinschaft übergehe, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
[5] Die von den Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Die vom Berufungsgericht als erheblich gemäß § 502 Abs 1 ZPO erachtete Rechtsfrage stellt sich nicht:
[7] 1.1 Richtig ist zwar, dass seit der Rechtslage nach der WRN 2006 die Geltendmachung deliktischer Schadenersatzansprüche – abgesehen vom Fall der Abtretung nach § 18 Abs 2 WEG – nicht (mehr) in die Rechtszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft fällt (dazu ausführlich 5 Ob 16/18s mwN). Deren Rechtsfähigkeit (und damit ihre Parteifähigkeit) besteht daher grundsätzlich nur in Angelegenheiten der Verwaltung und ist abgesehen von den Fällen des § 18 Abs 2 WEG durch Rechtsgeschäft nicht erweiterbar (RIS‑Justiz RS0108020 [T18, T26]).
[8] 1.2 Ob dennoch Ansprüche aus der nach den Behauptungen des Klägers von der Erstbeklagten rechtswidrig und schuldhaft verursachten Schädigung von allgemeinen Teilen des Hauses analog zu § 1358 ABGB auf die Eigentümergemeinschaft übergegangen sein könnten, weil ihr im Rahmen der ordentlichen Verwaltung die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft obliegt (§ 2 Abs 5 iVm § 28 Abs 1 Z 1 WEG) und sie die Aufwendungen zur Beseitigung der Schäden aus der Rücklage getragen hat (Schadensverlagerung; Drittschadensliquidation), kann hier aber dahin stehen. Da sie nicht Partei des Verfahrens ist, muss nämlich nicht geprüft werden, ob sie – auch ohne Abtretung im Sinn des § 18 Abs 2 WEG – zur Geltendmachung eines solchen Ersatzanspruchs legitimiert wäre.
[9] 2. Nach den Festellungen liegt wegen der Sanierung ein unmittelbarer Schaden aus dem der Erstbeklagten angelasteten Verhalten nicht mehr vor. Der Kläger macht auch nicht Ansprüche geltend, die aus einer unmittelbaren Schädigung durch die Erstbeklagte herrühren und damit allenfalls in seinem Vermögen eingetreten sind. Er sieht seinen Schaden vielmehr darin, dass die Rücklage (§ 31 WEG) vermindert wurde, weil die Eigentümergemeinschaft die Aufwendungen zur Beseitigung der Schäden an allgemeinen Teilen der Liegenschaft getragen hat.
[10] 2.1 Die Rücklage ist Sondervermögen der Eigentümergemeinschaft und nicht quotenmäßiges Miteigentum der Liegenschaftseigentümer (RS0110524). Die Beitragsleistungen der Wohnungseigentümer fließen, sobald sie in die Verfügungsgewalt der Eigentümergemeinschaft getreten sind, ex lege und widmungsunabhängig der Eigentümergemeinschaft zu (vgl 2 Ob 188/14g). Der einzelne Wohnungseigentümer kann daher auch keine Rückzahlungen aus (dem angesparten Teil) der Rücklage verlangen (5 Ob 171/09x). Sie dient nach § 31 Abs 2 WEG der Deckung von Aufwendungen. Da keine Zweckwidmung besteht, ist ihre Verwendung für alle Arten von Liegenschaftsaufwendungen, die den Rahmen der alltäglichen Finanzgebarung übersteigen, gedeckt (RS0108664).
[11] 2.2 Indem der Kläger den Anteil aus der Verminderung der Rücklage fordert, der unter Außerachtlassung der Miteigentumsquote der Erstbeklagten dem Verhältnis seines Mindestanteils entspricht, macht er keinen Nachteil geltend, der in seinem Vermögen eingetreten wäre. Dieser Nachteil betrifft ausschließlich das der Eigentümergemeinschaft zugeordnete Sondervermögen.
[12] 2.3 Schaden ist nach dem weiten Begriff des ABGB (§ 1293 ABGB) zwar nicht nur eine Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven; der Schaden kann daher auch darin bestehen, dass das Vermögen des Geschädigten durch Entstehen einer Verbindlichkeit vermindert wurde (RS0022568). Dazu muss aber feststehen, dass eine solche Verbindlichkeit nicht nur buchmäßig besteht, sondern dass auch mit ihrer Einforderung zu rechnen ist (RS0022568 [T13; T15; T16; T17]). Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Anspruchs darauf beruft, dass die durchdie Wohnungseigentümer gespeiste Rücklage reduziert wurde, was zur Verringerung des Haftungsfonds führe, und bedinge, dass notwendige Aufwendungen aus der Rücklage in Höhe deren Verminderung nicht erbracht werden können, sodass sie von den einzelnen Wohnungseigentümern durch zusätzliche Einzahlungen getragen werden müssten, behauptet er aber bloß theoretisch mögliche Nachteile in seinem Vermögen, nicht aber eine konkrete Verbindlichkeit, die bereits entstanden wäre und damit sein Vermögen reduzieren könnte. Erörterungen zum Freistellungs-/Befreiungsanspruch (dazu ausführlich 1 Ob 121/17a) erübrigen sich damit.
[13] 2.4 Mit seinen Ausführungen spricht der Kläger daher insgesamt keinen Schaden im Sinn des § 1293 ABGB, der in seinem Vermögen eingetreten wäre, und damit auch keine Frage von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO an. Eine Schädigung, weil der Wert seines Miteigentumanteils gemindert worden sei, hat er im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Dabei handelt es sich auch keinesfalls um eine bloße Rechtsfrage, wie der Kläger meint, sodass es nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht von einer unzulässigen Neuerung ausging. Eine solche Unterlassung kann auch im Revisionsverfahren nicht nachgetragen werden (RS0037612).
[14] 3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass das Rechtsmittel des Klägers nicht zulässig ist.
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