OGH 1Ob263/22s

OGH1Ob263/22s28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der antragstellenden Partei Land Steiermark als Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Graz‑Umgebung), *, gegen den Antragsgegner G*, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz‑Schreiner und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwältinnen in Graz, wegen Kostenersatz gemäß § 43 B-KJHG 2013, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 24. Oktober 2022, GZ 1 R 171/22g‑22, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 13. Juli 2022, GZ 153 Fam 2/22h‑16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00263.22S.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Unterhaltsrecht inkl. UVG, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Ersatz der Verfahrenskosten findet nicht statt.

 

Begründung:

[1] Der Antragsgegner ist der Vater der bereits volljährigen E*, die sich seit 22. 6. 2021 nach dem unbestrittenen Vorbringen des antragstellenden Landes in dessen „(freiwilliger) voller Erziehung“ befindet. Vom 12. 7. 2021 bis 6. 8. 2021 bezog sie im Rahmen eines Ferialjobs ein Gesamteinkommen von 1.432,87 EUR. Seit 25. 4. 2022 bezieht sie als Hilfskraft in einem Kaffeehaus ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 911,42 EUR inklusive Sonderzahlungen. Der Sozialhilfeverband Graz‑Umgebung trug bis 5. 2. 2022 Kosten von 3.826,29 EUR im Monat. Die Mutter, deren Einkommen monatlich durchschnittlich 2.372,25 EUR inklusive Sonderzahlungen betrug, ist aufgrund einer mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) getroffenen Vereinbarung zu monatlichen Zahlungen von 536 EUR seit 22. 6. 2021 für diese Kosten verpflichtet. Der Vater verfügte als Außendienstmitarbeiter im Jahr 2021 über ein Nettoeinkommen von 4.637,67 EUR monatlich inklusive Sonderzahlungen.

[2] Das Land beantragte, den Antragsgegner gemäß § 43 B‑KJHG 2013 zu einem monatlichen Kostenersatz von 920 EUR ab 22. 6. 2021 zu verpflichten.

[3] Der Antragsgegner beantragte Antragsabweisung und wandte ein, dass die Entscheidung über den Rückersatz Richtersache sei. Aufgrund leicht überdurchschnittlicher Verhältnisse sei der Gesamtunterhaltsbedarf mit dem 2,5‑fachen Regelbedarf, also mit 1.220 EUR, anzusetzen. Dieser Betrag sei zwischen den Eltern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit aufzuteilen. Solcherart errechne sich eine Unterhaltsverpflichtung des Vaters von 840 EUR und der Mutter von 380 EUR. Zudem sei das Eigeneinkommen der Tochter zu berücksichtigen.

[4] Das Erstgericht durch seine Diplomrechtspflegerin verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung eines Kostenersatzes von 920 EUR pro Monat ab 22. 6. 2021. Bei Drittpflege reiche der Regelbedarf als Orientierungshilfe zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes regelmäßig nicht aus, weil er nur eine Messgröße dafür abgebe, welcher Geldunterhalt zusätzlich zur Betreuung eines Kindes erforderlich sei. Die durch die üblichen Prozentquoten vom Nettoeinkommen angegebenen relativen Leistungsgrenzen (hier 4.637,67 EUR x 20 %, also rund 928 EUR monatlich) dürften allerdings nicht überschritten werden.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

[6] Jene Entscheidungen, die im Zusammenhang mit dem Kostenersatz bei voller Erziehung von einer dem Richter vorbehaltenen Angelegenheit ausgegangen seien, beruhten auf einer alten Rechtslage. Die damals analog herangezogene Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 5 RPflG habenunmehr einen anderen Regelungsinhalt. Unter Berücksichtigung, dass zwischenzeitig immer mehr mit dem Kindesunterhalt zusammenhängende Verfahren in die Zuständigkeit des Rechtspflegers übertragen worden seien (insbesondere auch das Verfahren über den Ersatz zu Unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund), sei auch der Kostenersatz für die volle Erziehung eines volljährigen Kindes dem Rechtspflegerbereich zuzuordnen. Dafür spreche auch das mit den entsprechenden Novellen verfolgte Ziel, Doppelgleisigkeiten zwischen Richter und Rechtspfleger in diesem Bereich zu reduzieren, die sich hier andernfalls für die Verfahren nach § 44 Abs 3 StKJHG (Legalzession) und § 44 Abs  1 StKJHG (Kostenersatz) ergeben würden.

[7] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil – soweit überblickbar – noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Richter- oder Rechtspflegerzuständigkeit bei Kostenersatz aufgrund „voller Erziehung“ bei volljährigen Kindern nach dem StKJHG vorliege.

[8] Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners, der auf eine Aufhebung der Vorentscheidungen wegen Nichtigkeit abzielt. Hilfsweise wird der Abänderungsantrag gestellt, den Vater nur zu einem Kostenersatz von 872 EUR pro Monat ab 22. 6. 2021, von je 220 EUR für die Monate Mai und Juli 2022 sowie von 510 EUR pro Monat ab Juli 2022 zu verpflichten.

[9] Das Land beteiligte sich nicht am Revisionsrekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.

[11] 1. Die in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten schweren Verfahrensmängel, zu denen gemäß § 58 Abs 4 Z 4 AußStrG auch ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt gehört, können auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint worden sind (RS0121265). Ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, ist im Falle seiner Anfechtung aufzuheben (§ 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG; RS0007465).

[12] Die Vorinstanzen sind allerdings – wie im Folgenden noch näher zu zeigen sein wird – zutreffend davon ausgegangen, dass die Entscheidung über den Kostenersatz im Rahmen der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen in den Wirkungskreis der Rechtspfleger fällt.

2. Zur Anspruchsgrundlage

[13] 2.1. Nach § 43 des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (B‑KJHG 2013) entscheidet (soweit eine Vereinbarung über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen nicht zustande kommt) über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruchs, auf Antrag des KJHT das Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen. Die Regelungen über das Unterhaltsverfahren sind dabei anzuwenden. Ein Ersatz der Verfahrenskosten findet nicht statt. Diese Bestimmungen befinden sich im 2. Teil des Gesetzes und sind daher – anders als die Grundsatzbestimmungen des 1. Teils – unmittelbar anwendbares Bundesrecht.

[14] Nach der Grundsatzbestimmung des § 30 Abs 3 B-KJHG 2013 sind die Kosten der vollen Erziehung (§ 26 B‑KJHG 2013) und der –hier ungeachtet des missverständlichen Antragsvorbringens („freiwillige volle Erziehung“) vorliegenden – Betreuung von jungen Erwachsenen (§ 29 B-KJHG 2013), soweit dadurch der Unterhalt tatsächlich geleistet wurde, von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind oder zum Zeitpunkt der Gewährung der Erziehungshilfe dazu imstande waren.

[15] 2.2. § 42 Abs 2 des in Ausführung dieses Grundsatzgesetzes erlassenen Steiermärkischen Kinder- und Jugendhilfegesetzes (StKJHG) bestimmt, dass die Kosten der vollen Erziehung (§ 28 StKJHG) und der Betreuung von jungen Erwachsenen (§ 31 StKJHG) zunächst von den Sozialhilfeverbänden oder Städten mit eigenem Statut getragen werden. Von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten ist sodann ein Kostenrückersatz nach den Bestimmungen des § 44 StKJHG zu leisten.

[16] Nach § 44 Abs 1 StKJHG sind die vorläufig gemäß § 42 Abs 2 leg cit übernommenen Kosten, soweit dadurch der Unterhalt tatsächlich geleistet wurde, von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind oder zum Zeitpunkt der Gewährung der Erziehungshilfe dazu imstande waren.

[17] 2.3. Nach ständiger Rechtsprechung macht der KJHT mit dem auf diese bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen gestützten Ersatzanspruch den Ersatz eines Aufwands geltend, den der unterhaltspflichtige Elternteil nach dem Gesetz hätte erbringen müssen (RS0128633). Auch wenn es sich bei diesem Kostenersatzanspruch um keinen Unterhaltsanspruch handelt, haben dieselben Grundsätze wie für die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts zu gelten (4 Ob 156/19y), weshalb die Kostentragung nach bürgerlichem Recht, das heißt nach familienrechtlichem Unterhaltsrecht erfolgt (RS0113418). Die Höhe der Kostenersatzforderung bemisst sich somit nach der Unterhaltsverpflichtung der in Anspruch genommenen Eltern, und zwar nach den in § 231 ABGB genannten Kriterien (vgl RS0078933).

3. Zum Wirkungskreis der Rechtspfleger in Kindschaftsangelegenheiten

[18] 3.1. Aus Art 87 und 87a B‑VG ergibt sich, dass die Gerichtsbarkeit grundsätzlich von Richtern auszuüben ist, wobei die Besorgung einzelner und genau zu bezeichnender Arten von Geschäften der Gerichtsbarkeit I. Instanz in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeten nichtrichterlichen Bundesbediensteten übertragen werden kann (Rechtspfleger). In Durchführung dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen ordnen die §§ 18 ff RpflG Wirkungskreise für Rechtspfleger an (Mayr/Fucik, Das neue Verfahren außer Streitsachen3, Rz 70 f).

[19] Nach § 19 Abs 1 RpflG umfasst der Wirkungskreis in Kindschaftsangelegenheiten insbesondere die Geschäfte in Pflegschaftsangelegenheiten (und damit insbesondere den Kindesunterhalt, Z 1), Verfahren über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder (Z 4) und die Entscheidung über Anträge nach den §§ 35 und 36 EO in Unterhaltssachen nach Z 1 und  4 (Z 5).

[20] 3.2. Zur Frage, ob ein Verfahren über den Ersatzanspruch nach § 30 Abs 3 B-KJHG 2013 bzw der landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen unter die den Rechtspflegern zugewiesenen Angelegenheiten zu subsumieren ist, liegt bislang keine (explizite) höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.

[21] In den Verfahren 4 Ob 191/15i und 4 Ob 156/19y, die vergleichbare Ansprüche betrafen, hatten in erster Instanz Rechtspfleger entschieden, ohne dass der Oberste Gerichtshof einen Anlass für ein Vorgehen nach § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG gesehen hätte. Eine Auseinandersetzung mit der Zuständigkeitsfrage erfolgte jedoch nicht.

[22] Zur Rechtslage vor dem B-KJHG 2013 hatte der Oberste Gerichtshof zwar in 6 Ob 299/98h ausgeführt, dass die Entscheidung über einen auf § 48 Oö JWG 1991 gestützten Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers auf Ersatz der von ihm getragenen Kosten einer vollen Erziehung zum Wirkungskreis der Rechtspfleger gehöre. Dies folgte allerdings daraus, dass diese Bestimmung eine Legalzession vorsah, weswegen der Kostenträger als Zessionar einen Unterhaltsanspruch des Kindes geltend machte. Im vorliegenden Fall ist demgegenüber ein gesetzlicher Ersatzanspruch zu beurteilen, der nur inhaltlich den Regeln des Unterhaltsrechts folgt.

[23] 3.3. Zweitinstanzliche Gerichte hatten sich zwar auch mit solchen Ersatzansprüchen auseinandergesetzt. Die Rechtsprechung war aber nicht einheitlich:

[24] (a) Das Landesgericht Salzburg kam in der Entscheidung 21 R 507/96x zu dem Schluss, dass die im Verfahren außer Streitsachen vom Pflegschaftsgericht zu treffende Entscheidung über einen Antrag gemäß § 40 JWG auf Ersatz der Kosten der vollen Erziehung immer Richtersache sei (RSA0000003). Dem lag einerseits die Überlegung zugrunde, dass nach Erreichen der Volljährigkeit von keiner Pflegschaftssache im Sinn des § 19 Abs 1 Z 1 RpflG mehr gesprochen werden könne, und andererseits eine Analogie zu § 19 Abs 2 Z 5 RpflG idF vor dem AußStr‑BegleitG, wonach die Entscheidungen über den Ersatz zu Unrecht geleisteten vorläufigen Unterhalts gemäß § 399b EO sowie über den Ersatz zu Unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse auf Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund dem Richter vorbehalten blieb. Dabei bezog sich das Landesgericht Salzburg auf eine Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz zu 2 R 210/95f, nach der sich eine solche Analogie zur Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 5 RpflG geradezu aufdränge (EFSlg 82.614).

[25] (b) Das Landesgericht St. Pölten vertrat in der Entscheidung 10 R 356/96x demgegenüber den Standpunkt, dass, da die dem Richter vorbehaltenen Agenden im § 19 Abs 2 RpflG ausdrücklich aufgezählt seien und Ersatzansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers nach dem JWG dort nicht aufschienen, darüber der Rechtspfleger zu entscheiden habe (EFSlg 85.567).

[26] (c) Das Landesgericht Innsbruck schloss sich in der Entscheidung 51 R 108/10x [unveröff] wiederum der gegenteiligen Ansicht an. Die Entscheidung über den Rückersatz von Kosten der vollen Erziehung eines volljährigen Kindes gemäß § 40 JWG sei auch nach dem neuen AußStrG Richtersache, obwohl derartige Verfahren nicht ausdrücklich in § 19 Abs 2 RpflG als dem Richter vorbehaltene Wirkungskreise genannt seien, weil nach dem B‑VG die Gerichtsbarkeit grundsätzlich durch Richter auszuüben sei und Rechtspfleger nur in Ausnahmefällen tätig werden dürften.

[27] 3.4. In der Literatur geht Fucik (in Fasching/Konecny 3 § 109 JN Rz 5/3) unter Hinweis auf 6 Ob 299/98h und EFSlg 85.567 davon aus, dass der „Kostenersatz gemäß JWG“ nach „herrschender Ansicht“ nicht dem Richter vorbehalten bleibe. Auch Etz (in Szöky, Rechtspflegergesetz² [2017] § 19 Rz 16, 44) meint (nicht zuletzt unter Hinweis auf die Befugniserweiterungen des Außerstreitrechtspflegers in den letzten Jahren), dass zum Wirkungskreis des Rechtspflegers die Entscheidung über den Kostenersatz bei voller Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen gehöre. Die vom Revisionsrekurs für die gegenteilige Auffassung zitierte Stelle bei Gitschthaler (Unterhaltsrecht4 [2019] Rz 1797) verweist lediglich auf die oben genannten Entscheidungen der Landesgerichte Salzburg und Innsbruck, ohne dazu inhaltlich Stellung zu nehmen und die anderslautende Entscheidung des Landesgerichts St. Pölten zu erwähnen.

[28] 3.5. Auf dieser Grundlage teilt der Senat die Auffassung des Rekursgerichts, dass die Entscheidung über den Rückforderungsanspruch in die Zuständigkeit des Rechtspflegers fällt:

[29] (a) Das Rekursgericht hat zutreffend hervorgehoben, dass der Richtervorbehalt für Entscheidungen über den Ersatz zu Unrecht gewährter Unterhaltsvorschüsse und über die unmittelbare Rückzahlungspflicht an den Bund durch das AußStr‑BegleitG, BGBl I 2003/112, beseitigt und damit auch diese Angelegenheit in die Zuständigkeit der Rechtspfleger verwiesen wurde (3 Ob 136/17x). Die Gesetzesmaterialien (RV 225 BlgNR 22. GP 35) halten dazu ausdrücklich fest, dass die Entscheidungen nach Abs 2 Z 5 (Entscheidungen über Rückersatzansprüche) ebenso wie jene des Abs 2 Z 6 (Zwangsmittelvorbehalt) in Hinkunft in die Zuständigkeit des Rechtspflegers fallen sollen. Damit ist nicht nur die Grundlage für die von den genannten zweitinstanzlichen Entscheidungen vorgenommene Analogie weggefallen. Vielmehr spricht diese Kompetenzverschiebung gerade dafür, dass, so man eine Vergleichbarkeit der Verfahren annehmen will, die Rechtspfleger nunmehr auch für Entscheidungen über Kostenersatzansprüche bei voller Erziehung zuständig sein sollen.

(b) Das Argument, der Ersatzanspruch nach § 30 Abs 3 B-KJHG 2013 (bzw der entsprechenden Ausführungsgesetze der Länder) sei keine Pflegschaftsangelegenheit, überzeugt ebenfalls nicht (mehr), seit auch Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder in den Wirkungskreis der Rechtspfleger fallen. Auch kann dem Befund des Rekursgerichts beigetreten werden, dass die mittlerweile sehr umfassenden Erweiterungen der Befugnisse der Rechtspfleger in Angelegenheiten des Unterhalts und damit zusammenhängender Verfahren – die nach den Gesetzesmaterialien die „Konzentration der Zuständigkeit in Kinderunterhaltssachen beim Rechtspfleger“ bezweckten (RV 180 BlgNR 25. GP  14) – nahe legen, dass diese auch zur Entscheidung über den Kostenersatz bei voller Erziehung oder im Fall der Hilfe für junge Erwachsene befugt sind.

[30] (c) Als ausschlaggebend erweist sich aber, dass § 43 B-KJHG 2013 die Entscheidung über den Kostenersatz nicht nur dem Pflegschaftsgericht im Verfahren außer Streitsachen zuweist, sondern ausdrücklich die Anwendung der Regelungen über das Unterhaltsverfahren verfügt. Das Kindesunterhaltsverfahren liegt nun aufgrund der eindeutigen Regelung in § 19 Abs 1 Z 1 und Z 4 RpflG sowohl für minderjährige als auch für volljährige Kinder in der (funktionellen) Zuständigkeit der Rechtspfleger. Damit besteht aber auch kein Zweifel an der Rechtspflegerzuständigkeit für Kostenersatzverfahren nach § 43 B-KJHG 2013.

[31] 4. In der Sache steht der Antragsgegner nach wie vor auf dem Standpunkt, dass der Gesamtbedarf des in Drittpflege befindlichen Kindes bei überdurchschnittlichen Lebensverhältnissen beider Eltern mit dem 2,5‑fachen Regelbedarf zu begrenzen sei. Jedenfalls aber sei das Eigeneinkommen der Tochter in unbilliger Weise nicht berücksichtigt worden.

[32] 4.1. Maßgeblich für die Ermittlung des Unterhaltsanspruchs bei Drittpflege ist ua der Gesamtunterhaltsbedarf des Kindes, der sich nach der Rechtsprechung aus den Drittpflegekosten und einem Zuschlag für zusätzliche Kindesbedürfnisse, wie Kleidung, kulturelle und sportliche Bedürfnisse, Ferienkosten, Taschengeld etc ergibt (RS0047403 [T3]). Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach betonte, reicht bei Drittpflege der Regelbedarf (auch Durchschnittsbedarf) als Orientierungshilfe zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs des Kindes regelmäßig nicht aus, weil er nur eine Messgröße dafür abgibt, welcher Geldunterhalt zusätzlich zur Betreuung eines Kindes erforderlich ist (RS0125632).

[33] 4.2. Ausgehend von den festgestellten „Drittpflegekosten“ von 3.826,29 EUR monatlich ist die Entscheidung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden:

[34] Das Erstgericht hat das Eigeneinkommen der Tochter zur Gänze vom Gesamtunterhaltsbedarf abgezogen, ist aber zu einer verbleibenden Deckungslücke von 2.914,87 EUR gelangt, die einen Unterhaltsanspruch – und folglich einen Ersatzanspruch des KJHT – rechtfertigt (vgl 4 Ob 191/15i). Da diese Deckungslücke weder durch den Kostenbeitrag des Vaters noch der Mutter auch nur annähernd geschlossen wird, ist kein Grund ersichtlich, warum der Antragsgegner zu einem geringeren als dem seiner Leistungsfähigkeit entsprechenden Beitrag verpflichtet sein sollte.

[35] 5. Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Das Verfahren über den Ersatz von Kosten der vollen Erziehung und der Betreuung von jungen Erwachsenen nach § 43 B-KJHTG fällt als Unterhaltsverfahren in die Zuständigkeit der Rechtspfleger.

[36] 6. Eine Kostenersatzpflicht ist ausgeschlossen (§ 43 B‑KJHG).

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