OGH 4Ob14/23x

OGH4Ob14/23x28.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R. * GmbH & Co * KG, *, Deutschland, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. T* Handelsgesellschaft mbH, *, vertreten durch Lang & Schulze-Bauer Rechtsanwälte OG in Fürstenfeld, und 2. N* Rechtsanwälte GmbH, *, vertreten durch Rudolf Fiebinger Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 364.503,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. November 2022, GZ 5 R 116/22a‑31, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00014.23X.0228.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin plante die Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes. Die Erstbeklagte ist eine Konkurrentin der Klägerin, sie betreibt in der Nähe des geplanten Standortes einen Bau- und Gartenmarkt. Ihr kam in den von der Klägerin angestrengten Verwaltungsverfahren aufgrund der Entfernung der beiden Standorte keine Anrainerstellung zu. Sie übernahm die Kosten eines Einschreiters, dem in den Verwaltungsverfahren Parteistellung zukam; die Zweitbeklagte schritt für ihn bei den Behörden ein.

[2] Die Vorinstanzen haben die Klage auf Ersatz des Schadens aus der Verzögerung der bau- und gewerberechtlichen Verfahren der Klägerin durch die Beklagten, die nach Ansicht der Klägerin kollusiv zusammenwirkten, indem sie sich des Einschreiters bedient hätten, um das Bauvorhaben der Klägerin zu behindern, wegen Verjährung abgewiesen.

[3] In ihreraußerordentlichen Revisionzeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die 3‑jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB wird durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Schädigers sowie des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten in Gang gesetzt (RS0034374 [T4]; RS0034951), wobei es darauf ankommt, wann die Kenntnis des Geschädigten einen solchen Grad erreicht, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (RS0034374 [T28, T37, T38, T49]; RS0034524 [T36]).

[5] Aus den bekannten Umständen muss schlüssig ein Zusammenhang zwischen einem Fehlverhalten bzw einer Pflichtverletzung des Schädigers und dem Schaden hergestellt werden können (RS0034366 [T28]). Der den Anspruch begründende Sachverhalt muss dem Geschädigten zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch so weit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T25]). Über die Beweislage muss der Geschädigte freilich nicht Kenntnis haben (RS0034524 [T6]). Zweifel an der Erweisbarkeit des bekannten anspruchsbegründenden Sachverhalts schieben den Verjährungsbeginn nicht hinaus (RS0034524 [T47, T62]; RS0034374 [T46]).

[6] Wann eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann, ist jedenfalls nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0034374 [T47]; RS0034524 [T23, T41]).

[7] 2. Die kurze Verjährungsfrist des § 1489 ABGB wird mit Kenntnis des Primärschadens oder Erstschadens in Gang gesetzt, auch wenn der Geschädigte die Höhe des Schadens noch nicht beziffern kann, ihm nicht alle Schadensfolgen bekannt oder diese noch nicht zur Gänze eingetreten sind (RS0034374 [T34]). Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte daher dann, wenn ihm schon ein Primärschaden entstanden ist, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RS0034374 [T22]; RS0034524 [T9, T11]).

[8] 3. Hier steht fest, dass der Klägerin im Laufe des Jahres 2017 klar war, dass die Erstbeklagte den betreffenden Anrainer instrumentalisierte, indem sie die Kosten der durch die Zweitbeklagte ausgeübten Vertretung zum Großteil übernahm und ab dem Frühjahr 2018 der Anrainer, vertreten durch die Zweitbeklagte, zahlreiche Rechtsmittel in den verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahren der Klägerin erhob. Die Klägerin fasste diese Umstände in ihrer Äußerung vom 8. 8. 2018 im Rahmen des gewerberechtlichen Verfahrens auch bereits zusammen: In der Person des Anrainers habe die Erstbeklagte einen Eigentümer gefunden, der im bau- und gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren für die Anlage der Klägerin Parteistellung reklamieren könne und damit dem von Konkurrenzgründen getragenen Widerstand der Erstbeklagten Nachdruck verleihe. Indem eine der renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien in Wien, die auf Bau- und Anlagenrecht samt allen begleitenden Rechtsmaterien spezialisiert sei, den Beschwerdeführer im Rahmen der anstehenden Genehmigungsverfahren als Nachbarpartei vertrete und dabei – nur angeblich – dessen Interessen wahre, wolle man – finanziert durch die Erstbeklagte – auf diese Weise das Projekt der Klägerin möglichst lange behindern.

[9] Damit hatte die Klägerin spätestens zu diesem Zeitpunkt ausreichende Kenntnis vom schadensverursachenden Verhalten beider Beklagter. Der Eintritt des Schadens ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht vom endgültigen Ausgang des Verwaltungsverfahrens – der erst am 25. 10. 2018 feststand – abhängig gewesen, weil die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch auf die Verzögerung der im Februar 2018 eingeleiteten Verfahren stützt. Diese Verzögerung hat ab dem Frühjahr 2018 stattgefunden; ab diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin Kenntnis von dem in der Verzögerung bestehenden Primärschaden.

[10] Ausgehend davon entspricht die Ansicht der Vorinstanzen, die am 21. 10. 2021 eingebrachte Klage sei damit verjährt, der gefestigten Rechtsprechung und stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall dar.

[11] 4. Eine Beantwortung der Revision der Klägerin wurde den Beklagten nicht freigestellt; die Kosten ihres dennoch erstatteten Rechtsmittelschriftsatzes hat die Zweitbeklagte daher selbst zu tragen (§ 508a Abs 2 ZPO).

[12] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte