European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0030OB00161.22F.0202.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Akt wird dem Berufungsgericht zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist zu zwei Dritteln und der Beklagte zu einem Drittel Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der ein Wohnhaus errichtet ist. Das Haus besteht aus zwei getrennten Wohneinheiten, wobei die Klägerin den südlichen und der Beklagte den nördlichen Bereich bewohnt.
[2] Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Unterlassung bestimmter, von ihm vorgenommener Veränderungen an der Bausubstanz des Hauses sowie im Garten und jeweils die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Sie bewertete ihr Begehren mit insgesamt 14.000 EUR.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die das gesamte Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts und ließ nachträglich die Revision mit dem Hinweis darauf zu, dass es zwischen Verwaltung, Verfügung sowie Benützungshandlungen nicht unterschieden habe und nicht ausgeschlossen sei, dass zumindest für einzelne dieser Rechtshandlungen keine gültige Zustimmung vorliege.
[4] In ihrer Revision beantragt die Klägerin, ihrem Klagebegehren stattzugeben.
[5] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Oberste Gerichtshof ist (derzeit) zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel aus folgenden Gründen nicht berufen:
[7] 1. Gemäß § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, hat eine einheitliche Bewertung des Entscheidungsgegenstands aufgrund Zusammenrechnung nur dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RS0042741; RS0053096), somit die geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN stehen (RS0042258). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagegrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag bzw einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden (RS0037899 [T3]). Er ist dann nicht anzunehmen, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RS0037899). Bei der Beurteilung dieser Frage ist vom Klagevorbringen auszugehen (RS0042741). Da § 55 Abs 1 JN als Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzusammenrechnung anzusehen ist, scheidet die Zusammenrechnung im Zweifel aus (RS0122950). Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen, stehen nach ständiger Rechtsprechung nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RS0110012). Selbst eine physische Nähe der Eingriffshandlungen zueinander reicht noch nicht für einen tatsächlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 JN aus. Dass der Rechtsgrund in allen derartigen Fällen die Freiheit des Eigentums nach § 523 ABGB ist, stellt den in § 55 Abs 1 JN geforderten rechtlichen Zusammenhang der auf dieselbe Norm gestützten Ansprüche untereinander noch nicht ausreichend her, wenn die Eigentumsfreiheit von im Tatsachenbereich verschiedenen Belastungen behauptet wird (5 Ob 215/19g mwN).
[8] 2. Die hier von der Klägerin erhobenen Wiederherstellungs- und Unterlassungsbegehren stehen nur teilweise in einem rechtlichen bzw tatsächlichen Zusammenhang im Sinn des § 55 Abs 1 Z 1 JN. So betreffen die Punkte zu den Baumaßnahmen im Heiz- und Tankraum (lit a bis e und g des Begehrens) die vom Beklagten für seinen Wohnbereich geplante Heizungsanlage, während die im Außenbereich an der Fassade des Wohnhauses angebrachten Außensteckdosen (lit f des Klagebegehrens) erkennbar (nur) einer getrennten Abrechnung des Stromverbrauchs für die Gartenarbeiten des Beklagten dienen sollen, weshalb dieses Teilbegehren selbständig zu bewerten ist. Das weitere Klagebegehren, das sich auf das renovierte Auffangbecken für Regenwasser bezieht (lit h), ist wiederum eine von den beiden anderen Tatsachenbereichen zu unterscheidende „Eingriffshandlung“, die mit den Baumaßnahmen des Beklagten für die Heizungsanlage und die Außensteckdosen unzweifelhaft in keinem Zusammenhang steht und daher ebenfalls selbständig zu bewerten ist.
[9] 3. Das Berufungsgericht hat bei seiner Pauschalbewertung, die sich an der Bewertung der Klägerin orientierte, die gebotene Differenzierung unterlassen. Es wird daher seinen Bewertungsanspruch im Sinn der unter Punkt 2 aufgezeigten Aufteilung der Entscheidungsgegenstände zu gliedern haben. Sollte sich dabei ergeben, dass hinsichtlich einzelner Teile der erhobenen Begehren der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht übersteigt, wäre das Rechtsmittel jedenfalls unzulässig.
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