European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00264.22P.0127.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG
Spruch:
I. Hinsichtlich der auf die Nicht‑Gewährung von (Ersatz‑)Ruhezeitengestützten Forderung von 22.096,38 EUR sA wird der Akt dem Erstgericht zur Herbeiführung einer Entscheidung im Sinn des § 508 ZPO zurückgestellt.
II. Im Übrigen, also hinsichtlich der auf den Vorwurf des Mobbings gestützten Schadenersatzforderung von insgesamt 72.330 EUR sA und des Feststellungsbegehrens, wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger steht seit dem Jahr 2000 in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten.
[2] Er begehrte wegen Mobbings und damit zusammenhängender Verletzungen der Fürsorgepflicht durch den Dienstgeber aus dem Titel der Amtshaftung zuletzt eine Schadenersatzzahlung von insgesamt 72.330 EUR sA (30.000 EUR Schmerzengeld, 42.000 EUR Verdienstentgang, 330 EUR Behandlungskosten) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus der Verletzung ihrer Fürsorgepflicht seit 24. 10. 2018.
[3] Darüber hinaus begehrte er 22.096,38 EUR sA als Entschädigung für ihm rechtswidrig und schuldhaft in den Jahren 2016 bis einschließlich 2018 nicht gewährte (Ersatz‑)Ruhezeiten. Diese Nichtgewährung habe auch zu einer Bereicherung der Beklagten geführt, da sie keinen anderen Mitarbeiter habe einsetzen müssen und sich Mehrausgaben erspart habe. Sein Ersatzanspruch leite sich auch aus der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) ab, die unmittelbar anzuwenden sei.
[4] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Der Beklagten sei kein Mobbing vorwerfbar. Auch ein Anspruch auf finanzielle Entschädigung für nicht gewährte (Ersatz‑)Ruhezeiten bestehe nicht.
[5] Mit außerordentlicher Revision bekämpft der Kläger das Berufungsurteil zur Gänze.
Zu I.:
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RS0037838; RS0053096). Findet keine Zusammenrechnung statt, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (RS0130936; RS0042642).
[7] Die Zusammenrechnung mehrerer Ansprüche (objektive Klagenhäufung) setzt nach § 55 Abs 1 Z 1 JN einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang voraus. Bei der Beurteilung dieser Frage ist vom Klagevorbringen auszugehen (RS0042741 [T7]). Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen derselbe Klagegrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert (RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder aus derselben Rechtsnorm abgeleitet werden und miteinander in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (RS0037648). Er ist dann nicht anzunehmen, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RS0037899).
[8] 2. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen dem hier geltend gemachten Schadenanspruch wegen Mobbings einerseits und dem Entschädigungsanspruch wegen der Nicht‑Gewährung von (Ersatz‑)Ruhezeiten andererseits besteht nicht und wird auch nicht behauptet.
[9] 3. Hat das Berufungsgericht ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig ist, so kann gemäß § 505 Abs 4 ZPO eine Revision (die hier nicht vorliegenden Fälle des § 502 Abs 5 ZPO ausgenommen) nur erhoben werden, wenn der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt (außerordentliche Revision). Das ist hier nur hinsichtlich der Schadenersatzforderung wegen Mobbings von insgesamt 72.330 EUR und dem damit im rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang stehenden Feststellungsbegehren betreffend die Haftung für künftige Schäden der Fall (siehe unten zu II.). Hinsichtlich der für die Frage der Revisionszulässigkeit getrennt zu beurteilenden Forderung wegen Nicht-Gewährung von (Ersatz‑)Ruhezeiten von 22.096,38 EUR sA kann der Kläger gemäß § 508 Abs 1 ZPO (nur) einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde.
[10] 4. Wird gegen eine Entscheidung, die nur mittels Abänderungsantrags angefochten werden kann, eine ordentliche oder eine außerordentliche Revision erhoben, so hat – auch wenn das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist – das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO zu werten sind (RS0109623). Solange eine Abänderung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht nicht erfolgt, mangelt es an der funktionellen Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs (7 Ob 18/11i; RS0109623 [T20]). Ob die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens notwendig ist, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
Zu II.:
[11] Demgegenüber kann bereits jetzt über das Rechtsmittel des Klägers entschieden werden, soweit es sich (wenngleich nur formal) gegen die Abweisung des Leistungsbegehrens im Umfang von 72.330 EUR sA und des Feststellungsbegehrens wendet (vgl 5 Ob 79/13y; Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 ZPO Rz 163).
[12] Diesbezüglich zeigt die außerordentliche Revision aber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, weil sie auf diesen Schadenersatzanspruch inhaltlich nicht zurückkommt und sich in keiner Weise mit der die Klageabweisung tragenden Argumentation des Berufungsgerichts auseinandersetzt (RS0043603).
[13] Das Rechtsmittel ist daher – soweit es die Forderungen aus dem angeblichen Mobbing betrifft – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
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