European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00140.22G.1221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die jeweils mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagte ist Hälfteeigentümerin einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Es bestehen zwei Wohnungen; mit dem Hälfteanteil der Beklagten ist das Wohnungseigentum an der Wohnung W 2 verbunden. Die Wohnung W 1 steht im Wohnungseigentum zweier nicht am Verfahren beteiligter Eigentümerpartner. Die Klägerin ist die Eigentümergemeinschaft, der Nebenintervenient war bis 31. 12. 2020 Verwalter der Liegenschaft.
[2] In der Vorausschau für das Jahr 2019 gab der Verwalter den Wohnungseigentümern bekannt, dass die Sanierung der Fenster anstehe. Die Beklagte erklärte, dass sie an einer gemeinsamen Sanierung der Fenster nicht interessiert sei. Die Eigentümerpartner der Wohnung W 1 leisteten am 20. 9. 2019 eine Zahlung von 19.200 EUR mit der Widmung „Fenstersanierung“ auf das Rücklagenkonto der Klägerin. Damit wollten sie der Beklagten zeigen, dass sie bereit sind, die gesamten Kosten der Fenstersanierung zu übernehmen, wenn die Beklagte ihnen – wie zu diesem Zeitpunkt diskutiert – ein Vorkaufsrecht für die Wohnung W 2 einräumt.
[3] Mit Schreiben vom 27. 5. 2020 teilte der Verwalter der Beklagten mit, dass die Sanierung der Fenster in der Wohnung W 1 18.488,40 EUR kosten werde und diese Kosten mangels eines abweichenden Aufteilungsschlüssels von den Eigentümern je zur Hälfte zu tragen sind. Der Verwalter forderte die Beklagte zugleich auf, 9.244,20 EUR auf das Konto der Eigentümergemeinschaft einzuzahlen.
[4] Mit der am 10. 11. 2020 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten 9.244,20 EUR sA. Die Beklagte habe die auf sie entfallenden Kosten für die Sanierung von Fenstern der Eigentümergemeinschaft trotz Vorschreibung nicht gezahlt.
[5] Die Beklagte wandte – soweit im Revisionsverfahren noch relevant – ein, dass die Eigentümer der Wohnung W 1 bereits vor der Vorschreibung des Klagebetrags gegenüber der Beklagten 19.200 EUR für die Fenstersanierung in die Rücklage eingezahlt gehabt hätten. Bei der Klageforderung handle es sich somit nicht um die Vorschreibung einer Rücklage gegenüber der Beklagten, sondern um eine Nachverrechnung eines ohnedies auf dem Konto der Klägerin vorhandenen Betrags. Die Klägerin sei daher nicht aktivlegitimiert.
[6] Am 21. 12. 2020 – also nach Klageeinbringung und Einspruch der Beklagten – zahlte der Verwalter den Eigentümern der Wohnung W 1 namens der Eigentümergemeinschaft 9.955,80 EUR zurück.
[7] Das Erstgerichtgab der Klage statt.
[8] Die Vorschreibung durch den Verwalter sei für den einzelnen Miteigentümer bindend. Zwar habe hier ein anderer Miteigentümer eine Zahlung geleistet, sodass die Liquidität der Eigentümergemeinschaft nicht gefährdet gewesen sei. Das führe aber nicht dazu, dass die Beklagte den auf ihren Anteil entfallenden Teil der Sondervorschreibung nicht zahlen müsse.
[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
[10] Die vom Verwalter namens der Eigentümergemeinschaft von den Wohnungseigentümern als Sondervorschreibung zur Finanzierung der Fenster geforderte Einmalzahlung seiein Beitrag zu der nach § 31 Abs 1 WEG zu bildenden Rücklage. Die Bildung einer angemessenen Rücklage zähle zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung. Solange kein Beschluss der Wohnungseigentümer oder keine Entscheidung des Außerstreitrichters vorliege, sei es daher Sache des Verwalters, die Höhe der einzuhebenden Beiträge und die Modalitäten der Einhebung festzulegen.
[11] Zu prüfen sei, ob die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Sondervorschreibung durch die Zahlung der Eigentümer der Wohnung W 1 über 19.200 EUR am 20. 9. 2019 nicht (mehr) bestanden habe bzw ob dieseerst durch die Rückzahlung des Betrags von 9.955,80 EUR am 21. 12. 2020 (wieder) ausgelöst worden sei. Aus welchem Grund (mit Ausnahme einer Schenkung zugunsten der Beklagten, worauf sich diese aber nicht berufen habe) die Eigentümer der Wohnung W 1 eine Zahlung von mehr als dem doppelten des vorgeschriebenen Betrags in die Rücklage leisteten, sei dabei rechtlich nicht relevant, weil feststehe, dass ein abweichender Verteilungsschlüssel nicht vereinbart worden sei. Irrelevant sei auch, warum die Eigentümer der Wohnung W 1 den Betrag von 9.955,80 EUR zurückbezahlt erhalten hätten, weil die vom Verwalter vorgeschriebene Sonderzahlung, solange dazu kein Beschluss der Wohnungseigentümer oder keine Entscheidung des Außerstreitrichters vorliege, für die beklagte Mit- und Wohnungseigentümerin grundsätzlich bindend sei. Zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz sei nur der Sanierungskostenanteil der Eigentümer der Wohnung W 1 in die Rücklage einbezahlt gewesen, sodass jedenfalls eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieser Sondervorschreibung bestehe. Selbst wenn durch die Rückzahlung der Sondervorschreibung aus der Rücklage der Eigentümergemeinschaft ein Schaden verursacht worden wäre, führe dies nicht dazu, dass die Eigentümergemeinschaft nicht mehr legitimiert sei, von der Beklagten die Zahlung der vorgeschriebenen Sondervorschreibung klageweise geltend zu machen.
[12] Das Berufungsgericht ließ die Revision nachträglich zu. Zur Frage, ob ab dem Zeitpunkt der Rückzahlung eines von einem Wohnungseigentümer über seinen Anteil hinaus geleisteten Betrags in die Rücklage der Eigentümergemeinschaft der ursprünglich dem anderen Wohnungseigentümer vorgeschriebene (aber nicht geleistete) Betrag gegenüber diesem aufgrund der ursprünglichen Vorschreibung erfolgreich durchgesetzt werden könne, fehle eine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.
[13] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
[14] Die Klägerin und der Nebenintervenient beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[15] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zu beantworten. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[16] 1. Mangels Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen (§ 32 Abs 1 und 2 WEG 2002). Dieser Beitragspflicht der Wohnungseigentümer steht naturgemäß ein entsprechender Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegenüber (5 Ob 162/19p; 5 Ob 14/22b).
[17] 2. Die Beklagte bestreitet diese Beitragspflicht im Revisionsverfahren (nur noch) mit dem Argument, dass die Eigentümer der Wohnung W 1 die gesamte für die Sanierung der Fenster vorgeschriebene Sonderrücklage („in der Höhe von 19.200 EUR“) zur Gänze gezahlt hätten. Damit sei die Forderung der Klägerin erfüllt. Der Verwalter habe die Hälfte („sohin den Betrag von 9.955,80 EUR“) ohne Grund und aus Eigenem zurückgezahlt. Diese schikanöse Rückzahlung könne keine Schuld der Beklagten begründen.
[18] 3. Damit zeigt die Revisionswerberin keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[19] 3.1. Die Beklagte entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0043312; RS0043603), wenn sie meint, die Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 hätten die vom Verwalter allen Wohnungseigentümern insgesamt vorgeschriebene Sonderzahlung zur Gänze geleistet. Deren Zahlung erfolgte nämlich zeitlich (lange) vor und losgelöst von der späteren Vorschreibung gegenüber der Beklagten. Diese Zahlung erfolgte auch nur deshalb in einer die gesamten voraussichtlichen Kosten deckenden (in etwa der späteren Vorschreibung entsprechenden) Höhe, um die Beklagte zur Einräumung eines Vorkaufsrechts zu bewegen. Zu einer solchen Vereinbarung, die die Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels iSd § 32 Abs 2 WEG beinhaltet hätte, kam es – unstrittig – nicht.
[20] 3.2. Zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistung durch die Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 bestand demnach die hier eingeklagte Beitragsschuld der Beklagten (noch) nicht. Die von der Beklagten behauptete Tilgung gemäß § 1412 ABGB oder Einlösung gemäß § 1422 ABGB einer für sie formell und materiell fremden Schuld kommt schon aus diesem Grund nicht in Betracht.
[21] Eine schuldtilgende Wirkung gemäß § 1412 ABGB wäre zudem auch im Hinblick auf die Möglichkeit der bereicherungsrechtlichen Rückforderung der Zahlung zu verneinen. Bei einem Anspruch des Zahlers nach § 1431 ABGB oder § 1435 ABGB gegen den Empfänger (hier: die Klägerin), ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der wahre Schuldner (hier: die Beklagte) durch die Drittzahlung nicht befreit (5 Ob 90/21b mwN; RS0107954 [T4]).
[22] 3.3. Die Beklagte hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Klägerin die Überzahlung der Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 zur Deckung jenes Aufwands verwendet, den sie aufgrund ihrer Beitragspflicht zu tragen hat. Aus dem Umstand, dass zur Geltendmachung des solcher Art begründeten Verwendungsanspruchs nach § 1042 ABGB nicht die Klägerin, sondern die Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 legitimiert wären, ist für den Prozessstandpunkt der Beklagten daher nichts zu gewinnen.
[23] Ein allfälliger Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB der Wohnungseigentümer der Wohnung W 1 gegenüber der Beklagten stünde außerdem in Konkurrenz zu einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin (2 Ob 157/10t [§ 1431 ABGB] = RS0126987).
[24] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin und der Nebenintervenient haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).
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