European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00123.22Z.1220.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand deren mit 6.249,76 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 761,95 EUR USt und 1.678,05 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin vermittelt Personenbeförderungsdienstleistungen und ist Inhaberin einer Gewerbeberechtigung für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw‑Taxi. Die Erstbeklagte ist ebenfalls Taxiunternehmerin mit einer entsprechenden Konzession und bedient sich für die Vermittlung der Fahrten der von der Zweitbeklagten betriebenen Vermittlungsplattform, für die diese über eine entsprechende Gewerbeberechtigung verfügt.
[2] Die Vermittlungstätigkeit der Zweitbeklagten erfolgt über eine App, und zwar derart, dass sich ein Fahrer, der bei einem Taxiunternehmen wie der Erstbeklagten tätig ist, welches in Kooperation mit der Zweitbeklagten steht, bei der Zweitbeklagten über eine spezielle „Fahrer-Applikation“ mittels Mobiltelefons registriert. Fahrgäste können mit einer App Beförderungsdienstleistungen bestellen. Die über die App bestellten Fahrten gehen bei der Zweitbeklagten ein. Dem Fahrgast werden auf der App die geplante Strecke und die sich derzeit in der Umgebung befindenden Fahrzeuge angezeigt und der von der Zweitbeklagten berechnete Fahrpreis bekannt gegeben. Bei Bestellung wählt die App den geeigneten Fahrer in der Umgebung aus. Die Zweitbeklagte vermittelt ein Fahrzeug an den bestellenden Kunden. Die Fahrpreise werden von der Zweitbeklagten vorgegeben und auch zumeist von ihr durch Abbuchung beim Fahrgast eingehoben. Auch im Fall einer Barzahlung gibt die Zweitbeklagte den Fahrpreis gegenüber dem Fahrgast vor.
[3] Die Beklagten haben bei Taxifahrten mitunter von der Verrechnung von Zuschlägen nach § 5 Wiener Taxitarif abgesehen.
[4] Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres Unterlassungsbegehrens die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der (zusammengefasst) den Beklagten aufgetragen werde, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, im Anwendungsbereich des Wiener Taxitarifs Fahrten durchzuführen (Erstbeklagte) bzw über ihren Kommunikationsdienst zu vermitteln, in eventu zu fördern (Zweitbeklagte), wenn dabei der zu verrechnende Mindestpreis gemäß dem Wiener Taxitarif unterschritten werde, insbesondere indem die jeweils vorgeschriebenen Zuschläge, insbesondere jener für Bestellungen über Kommunikationsdienste, bei der Berechnung des Fahrpreises nicht berücksichtigt bzw miteinbezogen würden. Die Zweitbeklagte vermittle systematisch Fahrten, die den zulässigen Mindestpreis unterschritten und verschaffe sich dadurch wettbewerbswidrig einen Vorteil am Markt; die Erstbeklagte führe derartige Fahrten durch. Aufgrund der Preisregelung gemäß § 14 Abs 1b Gelegenheitsverkehrsgesetz (GelverkG) iVm der VO des Landeshauptmanns von Wien „Wiener Taxitarif“ sei nur eine Preisvereinbarung mit dem Kunden zulässig, die den verbindlichen Tarif für dieselbe Fahrt (Vergleichsfahrt) maximal um 20 % unter- oder überschreiten würde. Bei Bestellung eines Fahrzeugs im Wege eines Kommunikationsdienstes sei ein Zuschlag von 2 EUR zu verrechnen. Dieser Zuschlag sei Teil des verbindlichen Tarifs. Bei drei von der Klägerin veranlassten Überprüfungsfahrten mit Taxis der Erstbeklagten, die über die Zweitbeklagte vermittelt worden seien, sei der sich nach dem Wiener Taxitarif errechnende Preis einer Vergleichsfahrt um mehr als 20 % unterschritten worden.
[5] Die Beklagten wendeten ein, dass bereits in einem Vorverfahren angebliche Verstöße gegen den Wiener Taxitarif geltend gemacht und das Verfahren sodann mit Vergleich beendet worden sei, sodass hier das Prozesshindernis der entschiedenen Sache vorliege. Die Zweitbeklagte sei überdies gar nicht Normadressatin des Wiener Taxitarifs. Das Verrechnen von Zuschlägen, insbesondere jenes bei Bestellung des Fahrzeugs im Wege eines Kommunikationsdienstes, sei keineswegs obligatorisch. Die Rechtsansicht der Beklagten sei jedenfalls vertretbar. Die Unterlassungsbegehren seien zu weit gefasst, weil sie generell auf eine Unterschreitung des Mindestpreises abstellten und sich nicht auf Zuschläge nach § 5 des Wiener Taxitarifs beschränkten.
[6] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die Zweitbeklagte, die nur eine Vermittlungsplattform betreibe, verhalte sich nicht unlauter, weil sie dem GelverkG nicht unterworfen sei. Die VO des Wiener Taxitarifs normiere keine verpflichtende Verrechnung der möglichen Zuschläge; diese seien optional. Es liege daher kein Rechtsbruch oder eine unvertretbare Rechtsansicht vor, wenn kein Zuschlag nach § 5 des Wiener Taxitarifs verrechnet werde und allfällige Zuschläge bei der Festlegung des Preisbandes unberücksichtigt blieben.
[7] Das Rekursgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Der Wortlaut von § 5 der VO des Wiener Taxitarifs sei zwar nicht eindeutig, aber es sei dennoch davon auszugehen, dass die darin genannten Zuschläge verbindlich seien, auch wenn davon die Rede sei, dass Zuschläge ausschließlich für folgende Leistungen verrechnet werden „dürfen“, wobei für diese Leistungen jeweils ein Zuschlag von 2 EUR zu verrechnen „ist“.
[8] Die Eröffnung der Möglichkeit eines im Vorhinein zu vereinbarenden Fahrpreises innerhalb eines Preisbandes, wonach der vereinbarte Preis jenen einer Vergleichsfahrt zum verbindlichen Tarif nach der VO um maximal 20 % unter‑ oder überschreiten dürfe, setze voraus, dass der Preis der Vergleichsfahrt exakt definiert sei und nicht von einem zusätzlichen fakultativen Element der optionalen Verrechnung von Zuschlägen abhänge. Die Verbindlichkeit der Zuschläge ergebe sich auch aus den Erläuterungen zur VO. Wenn darin von „allfälligen“ Zuschlägen die Rede sei, so beziehe sich der Ausdruck darauf, ob überhaupt ein Fall vorliege, in dem ein Zuschlag von 2 EUR zu verrechnen sei. Die gegenteilige Rechtsansicht sei unvertretbar. Der Verstoß gegen die Preisregelungsvorschriften des Wiener Taxitarifs sei eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG.
[9] Die Passivlegitimation der Zweitbeklagten ergebe sich daraus, dass sie Berechnung, Bekanntgabe und Inkasso des Fahrpreises durchführe und daher den einschlägigen Normen unterworfen sei.
[10] Die Unterlassungsbegehren seien weder zu weit noch zu unbestimmt gefasst.
[11] Die hier begehrte Unterlassung der Unterschreitung des Mindestpreises gemäß dem Wiener Taxitarif sei nicht Gegenstand des Vorverfahrens gewesen, weshalb mangels Identität des Streitgegenstands das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen bzw verglichenen Streitsache nicht vorliege.
[12] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil es sich hier um Dienstleistungen des täglichen Lebens handle, die in großer Zahl in Anspruch genommen würden, sodass eine Klarstellung seitens des Höchstgerichts wünschenswert erscheine.
[13] Die Beklagten machen in ihrem – von der Klägerin beantworteten – Revisionsrekurs geltend, ihre Rechtsansicht, wonach die Zuschläge nach § 5 des Wiener Taxitarifs bloß fakultativ seien, sei aufgrund der Eindeutigkeit des Wortlauts der Norm richtig; zumindest sei sie aber vertretbar, habe doch auch das Erstgericht diese Rechtsansicht geteilt. Der Sicherungsantrag möge daher abgewiesen werden.
Rechtliche Beurteilung
[14] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
[15] 1. Wie bereits vom Rekursgericht zutreffend ausgeführt, war die hier begehrte Unterlassung der Unterschreitung des Mindestpreises gemäß dem Wiener Taxitarif nicht Gegenstand des Vorverfahrens, sodass mangels Identität des Streitgegenstands das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen bzw verglichenen Streitsache nicht vorliegt.
[16] 2.1. Mit dem GelverkG 1996 in der Fassung des BGBl I 2019/83 wurde ein einheitliches Gewerbe für bis dahin getrennte Taxi- und Mietwagengewerbe geschaffen. Die Novelle trat – in weiten Teilen – am 1. 1. 2021 in Kraft. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 14 Abs 1b wurde mit BGBl I 2021/13 novelliert und trat in dieser Fassung mit 1. 3. 2021 in Kraft.
§ 14 Abs 1b GelverkG lautet:
Bei Fahrten, die im Weg eines Kommunikationsdienstes bestellt werden, darf von in einer Verordnung gem Abs 1 festgelegten verbindlichen Tarifen abgewichen werden, wenn eine Vereinbarung über den Fahrpreis sowie Abfahrts- und Zielort getroffen wird. Es dürfen jedoch in der Verordnung für Fahrten, die im Weg eines Kommunikationsdienstes bestellt werden, anstelle verbindlicher Tarife sowohl Mindest- als auch Höchstentgelte (Preisband) einschließlich von Zuschlägen gem Abs 4 festgelegt werden; werden in der Verordnung Mindestentgelte nicht festgelegt, so beträgt das Mindestentgelt jedenfalls die Summe aus Grundentgelt und für die jeweilige Beförderung vorgesehenen Zuschlägen gem Abs 4. Der Fahrpreis ist unter Beachtung der vorstehenden Bestimmungen bereits bei der Bestellung zu vereinbaren und darf im Nachhinein nicht überschritten werden. […]
§ 14 Abs 4 GelverkG lautet:
Die Tarife gemäß Abs 1 bis 3 haben alle zur Bestimmung des Beförderungsentgeltes notwendigen Angaben sowie erlaubte Zuschläge zu enthalten und einen angemessenen Gewinn zu berücksichtigen. Setzt sich ein Tarif aus einem Grundentgelt und weiteren Bestandteilen zusammen, so darf für das Grundentgelt auch eine Preisspanne festgelegt werden. Zuschläge können insbesondere für den Transport mehrerer Personen, die Bestellung des Fahrzeugs im Wege eines Kommunikationsdienstes sowie die Vermittlung von Personentransportleistungen durch Drittanbieter vorgesehen werden. […]
[17] 2.2. Aufgrund der Verordnungsermächtigung gemäß § 14 Abs 1 GelverkG erließ der Landeshauptmann von Wien eine Verordnung, mit der verbindliche Tarife sowie Mindest- und Höchstentgelte für im Wege eines Kommunikationsdienstes bestellte Fahrten für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw-Taxi festgelegt werden (Wiener Taxitarif), die weitgehend am 1. 3. 2021 in Kraft trat.
§ 1 der VO (Geltungsbereich) lautet:
(1) Für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw-Taxi […] werden für das Bundesland Wien verbindliche Tarife nach Maßgabe der §§ 2 bis 7 festgelegt.
[…]
(3) Abweichend von Abs 1 werden für im Weg eines Kommunikationsdienstes bestellte Fahrten, für die gemäß § 14 Abs 1b erster Satz GelverkG von den verbindlichen Tarifen abgewichen werden darf, Mindest- und Höchstentgelte (Preisband) nach Maßgabe des § 8 Abs 1 und 2 festgelegt. Für Fahrten gemäß § 14 Abs 1c GelverkG gilt § 8 Abs 3.
[18] Danach setzt sich der Tarif für eine Fahrt (§ 2 der VO) aus einem Grundbetrag, einem Wegstreckentarif, einem Zeittarif (§§ 3, 4) sowie aus allfälligen Zuschlägen (§ 5) zusammen.
§ 5 der VO lautet wie folgt:
Zuschläge dürfen ausschließlich für folgende Leistungen verrechnet werden, wobei für diese Leistungen jeweils ein Zuschlag von 2 Euro zu verrechnen ist:
1. Bestellung eines Fahrzeuges im Weg eines Kommunikationsdienstes;
2. Beförderung von mehr als vier Fahrgästen mit einem Fahrzeug, das nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften für eine solche Beförderung zum Verkehr zugelassen ist.
§ 8 (1) der VO bestimmt:
Der für eine im Weg eines Kommunikationsdienstes bestellte Fahrt (§ 14 Abs 1b GelverkG) vereinbarte Fahrpreis darf den verbindlichen Tarif, der für die selbe Fahrt im Geltungsbereich dieser Verordnung zur Anwendung gelangen würde (Vergleichsfahrt), maximal um 20 % unter- oder überschreiten (Preisband). Die für die Berechnung der Vergleichsfahrt preisrelevanten Daten (Abfahrtsort, Zielort, Wegstrecke in Kilometern, voraussichtliche Fahrzeit) sind dabei unter Berücksichtigung der geplanten Abfahrtszeit aus dem Routenplaner des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation, und Technologie zur Verfügung steht, zu beziehen. Die Verwendung gleichartiger Routenplaner oder Software ist zulässig, sofern der mittels dieser Programme berechnete Fahrpreis nachweislich innerhalb des zulässigen Preisbandes liegt, das sich bei Heranziehung des Routenplaners des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie ergibt.
[19] 3.1. Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (vgl RS0123239).
[20] 3.2. Im Wettbewerbsprozess ist grundsätzlich nur die Frage zu prüfen, ob es eine mit guten Gründen vertretbare Auslegung der strittigen Norm gibt, die dem Verhalten des Beklagten nicht entgegensteht. Ist das der Fall, besteht kein Anlass zur Klärung der weiteren Frage, ob diese Auslegung bei einer vertieften Prüfung auch tatsächlich zutrifft. Eine (auch nur im untechnischen Sinn) „bindende“ Entscheidung über die „richtige“ Auslegung einer Norm ist daher bei Annahme einer vertretbaren Rechtsansicht nicht zu erwarten (RS0077771 [T75]).
[21] 3.3. Maßgebend für die Beurteilung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (RS0077771 [T76]).
[22] 3.4. Unvertretbar ist eine Rechtsauffassung, der ein klarer Gesetzeswortlaut, die offenkundige Absicht des Gesetzgebers, die Rechtsprechung der zuständigen Höchstgerichte, die einschlägige Spruchpraxis der zuständigen Behörden oder ein rechtskräftiger Schiedsspruch entgegenstehen. Liegt keine dieser Voraussetzungen vor und ist somit die Rechtslage unklar, ist maßgebend, ob die Auffassung des belangten Mitbewerbers über den Inhalt der angeblich verletzten Norm durch das Gesetz so weit gedeckt ist, dass sie mit gutem Grund vertreten werden kann. Ist dies objektiv gesehen der Fall, kommt es weder darauf an, aufgrund welcher subjektiven Umstände der Rechtsverletzer gerade zu dieser Rechtsauffassung gelangt ist, noch, ob oder von wem er in dieser Auffassung bestärkt wurde, und ob er die verletzte Norm letztlich tatsächlich richtig ausgelegt hat. Auch dann, wenn eine im obigen Sinn vertretbare Rechtsauffassung später von den Gerichten nicht geteilt wird, begründet ein darauf beruhendes Verhalten keinen Verstoß gegen § 1 UWG (Heidinger/Handig/Wiebe/Frauenberger/ Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 873 f).
[23] 4.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, ob ein klarer Gesetzeswortlaut vorliegt, der die verpflichtende Einrechnung der Zuschläge nach § 5 Wiener Taxitarif in den nach § 8 leg cit zu ermittelten Preis der Vergleichsfahrt vorschreibt. Selbst das Rekursgericht, das letztlich von einer Verbindlichkeit der Zuschläge nach § 5 Z 1 des Wiener Taxitarifs ausgeht, erachtet den Wortlaut dieses § 5 für nicht eindeutig. In der Tat lässt sich aus der Formulierung, wonach Zuschläge verrechnet werden dürfen, nur schwer eine Verpflichtung der Verrechnung ableiten; und auch die Erläuterungen zur VO, wo von allfälligen Zuschlägen die Rede ist, tragen nichts Entscheidendes zur Klarstellung einer Verbindlichkeit der Zuschläge bei.
[24] 4.2. Mögen auch die vom Rekursgericht angestellten Überlegungen mit dem Ergebnis der Verbindlichkeit der Zuschläge zutreffend sein, vermag dies dennoch die Verwirklichung des Rechtsbruchtatbestands des § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch die Beklagten nicht zu begründen, ist doch hier nicht über die „richtige“ Auslegung der Norm zu befinden, sondern ob sie auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht.
[25] 4.3. Dies ist hier der Fall, denn es sprechen ebenso gute Gründe für die Annahme der Nichtverbindlichkeit der Zuschläge wie für deren Verbindlichkeit. So spricht die VO selbst von keiner Verpflichtung der Verrechnung der Zuschläge (§ 5 Wiener Taxitarif: „dürfen“) und auch bei den fahrpreisrelevanten Daten gemäß § 8 Abs 1 Wiener Taxitarif werden die Zuschläge nicht angeführt. Auch aus der Systematik der gesamten VO ergibt sich, dass bestimmte Tarife wie etwa die Zeittarife (§ 3 Abs 1 und § 4 Wiener Taxitarif) zwingend zu verrechnen sind („ist“), nicht aber die Zuschläge („dürfen“). Es sprechen daher gute Gründe dafür, dass die genannte Norm von einem freien Ermessen des Taxiunternehmers hinsichtlich der Einhebung der Zuschläge ausgeht (in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Wien VGW-021/035/4362/2022-2 ecolex 2022/610 [Sabadello]).
[26] 4.4. Es liegt daher weder ein klarer Gesetzeswortlaut, noch die offenkundige Absicht des Gesetz- bzw Verordnungsgebers vor, dass Zuschläge nach § 5 Wiener Taxitarif verbindlich seien. Auch eine Rechtsprechung der zuständigen Höchstgerichte (vor allem des Verwaltungsgerichtshofs) oder eine einschlägige Spruchpraxis der zuständigen Behörden in diese Richtung konnte die Klägerin nicht bescheinigen.
[27] 5. Der beanstandete Rechtsbruch liegt daher nicht vor, sodass dem Sicherungsantrag der Erfolg zu versagen ist.
[28] Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist somit Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der antragsabweisende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen ist.
[29] Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 393 Abs 1 EO.
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