OGH 8ObA84/22v

OGH8ObA84/22v16.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andrea Kehrer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. G*, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei V* GmbH, *, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Rechtsanwalt in Wien, wegen 28.806,72 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. Oktober 2022, GZ 11 Ra 50/22k‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00084.22V.1216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war bei der Beklagten als Key‑Account-Managerin beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag war die Beklagte berechtigt, den örtlichen Tätigkeitsbereich der Klägerin zu bestimmen. Am 28. 1. 2022 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie mit der ihr angebotenen Stelle für Westösterreich nicht einverstanden sei, weil das geographisch weitläufige Gebiet für sie als Mutter eines fünfjährigen Sohnes nur schwer bewältigbar sei. Nachdem keine Reaktion der Beklagten erfolgte, erklärte die Klägerin am 31. 1. 2022 das Dienstverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 28. 2. 2022 zu beenden.

[2] Die Klägerin begehrt 28.806,72 EUR brutto sA an Kündigungsentschädigung für die Zeit von 1. 3. 2022 bis 15. 7. 2022. Sie habe mit ihrem Kündigungsschreiben ein Austrittsrecht geltend gemacht, weil die Änderung ihres Einsatzgebietes eine verschlechternde Versetzung darstelle, die mangels Zustimmung des Betriebsrats unwirksam sei. Da sie bis 9. 1. 2022 die Betriebsratsvorsitzende vertreten habe, sei eine Kündigung erst zum 15. 7. 2022 möglich gewesen.

[3] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Nach Ansicht des Berufungsgerichts habe die Klägerin hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich auf einen Austrittsgrund stütze. Die Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien aber bei sonstigem Verlust des Auflösungsrechts unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen. Da die Klägerin die fehlende Zustimmung des Betriebsrats gegenüber der Beklagten nie thematisiert habe, sei sie nicht zum Austritt berechtigt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] 1. Ist mit der dauernden Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden, so bedarf sie nach § 101 ArbVG zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Eine nachträgliche Zustimmung zu einer bereits vollzogenen Versetzung ist nicht vorgesehen (RS0107426). Die Zustimmung des Betriebsrats muss deshalb vor deren Vollzug eingeholt werden (RS0051304). Nach der Rechtsprechung berechtigt der durch die Anordnung einer unzulässigen Versetzung geschaffene rechtswidrige Zustand den Arbeitnehmer zum vorzeitigen Austritt (9 ObA 34/88). Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitgeber auf seiner rechtswidrigen Anordnung beharrt (9 ObA 165/89; 9 ObA 19/92).

[6] 2. Die von der Klägerin als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob eine „Aufgriffsobliegenheit“ bestanden hat, wonach sie das Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats gegenüber der Beklagten einmahnen hätte müssen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Die Klägerin hat sich jedenfalls weder in ihrem Schreiben vom 28. 1. 2022 noch in ihrer Kündigung auf eine fehlende Zustimmung des Betriebsrats berufen. Die Klägerin hat auch gar nicht vorgebracht, dass die Beklagte eine Versetzung ausgesprochen hätte, sondern nur, dass die Beklagte eine solche Versetzung beabsichtigt habe.

[7] 3. Die außerordentliche Revision der Klägerin war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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