OGH 10ObS118/22h

OGH10ObS118/22h13.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Faber, den Hofrat Mag. Schober, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei W*, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Höhe der Korridorpension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. August 2022, GZ 10 Rs 72/21 p‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00118.22H.1213.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Sozialrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Im Verfahren über die außerordentliche Revision ist die Frage zu beurteilen, ob der im April 1956 geborene Kläger, der seit 1. 5. 2018 von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Korridorpension bezieht, ab 1. 1. 2020 Anspruch auf eine höhere Pensionsleistung als 2.469,70 EUR hat.

[2] Mit Bescheid vom 7. 5. 2020 sprach die Pensionsversicherungsanstalt aus, dass die Korridorpension ab 1. 1. 2020 mit dem Faktor 1,018987 vervielfacht wird und dass die Pensionshöhe daher ab 1. 1. 2020 2.469,70 EUR beträgt.

[3] Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Gewährung einer Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer in Höhe von 2.915,82 EUR monatlich ab 1. 1. 2020, insbesondere ohne Abzüge aufgrund vorzeitigen Pensionsantritts vor dem Regelpensionsalter. Dazu brachte er im Wesentlichen vor, dass der Wegfall der Abschlagsregelung ab 1. 1. 2020 gegenüber jenen Versicherten, die – wie er selbst – vor dem 1. 1. 2020 eine Korridorpension mit Abschlägen in Anspruch genommen haben, eine verfassungswidrige Diskriminierung darstelle. Die neue Regelung führe zu unsachlichen und den Gleichheitsgrundsatz (Art 7 B‑VG) verletzenden Ergebnissen. Zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Diskriminierung sei auch bei „Alt‑Korridor-Pensionisten“ die Pension ohne Abschläge zu gewähren. Daher stehe ihm ab 1. 1. 2020 unter Berücksichtigung des Aufwertungsfaktors eine Pension von 2.915,82 EUR zu.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Bescheid vom 16. 5. 2018, mit dem der Anspruch des Klägers auf Korridorpension ab 1. 5. 2018 anerkannt worden sei, sei in Rechtskraft erwachsen, weshalb der Kläger die Abschläge hinnehmen müsse.

[5] Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 13. 6. 2022, G 176‑177/2021, den vom Kläger gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG gestellten Parteiantrag auf Aufhebung von Teilen von Bestimmungen des Allgemeinen Pensionsgesetzes sowie des ASVG betreffend das (derzeit) unterschiedliche Anfallsalter von Regelpensionen für Frauen und Männer mit der Begründung ab, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Die stufenweise Anpassung des Pensionsantrittsalters stehe im Einklang mit der Verfassungsrechtslage.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass es den Inhalt des Bescheids vom 7. 5. 2020 im Urteilsspruch ergänzte (Vervielfachung der Korridorpension ab 1. 1. 2020 mit dem Faktor 1,018987; Pensionshöhe ab 1. 1. 2020 2.469,70 EUR).

[7] Seiner rechtlichen Beurteilung stellte es voran, dass ein die Zulässigkeit des Rechtswegs eröffnender Sachbescheid über die Höhe der dem Kläger ab 1. 1. 2020 zustehenden Pensionsleistung vorliege, weil die beklagte Partei den Antrag des Klägers nicht zurückgewiesen habe. Der Oberste Gerichtshof habe bereits mehrfach zu § 236 Abs 4b ASVG, § 120 Abs 7 GSVG und § 111 Abs 8 BSVG Stellung genommen und festgehalten, dass die Sonderregelungen über den abschlagsfreien Bezug nicht für Stichtage vor dem 1. 1. 2020 gelten und diesbezüglich keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Nach allen Systemen könne der Versicherungsfall des Alters nur einmal eintreten. Im Fall des Klägers sei zum Stichtag 1. 5. 2018 über den Antrag des Klägers auf Zuerkennung einer Korridorpension dem Grund und der Höhe nach entschieden worden. Eine erst nach rechtskräftiger Zuerkennung der (vorzeitigen) Alterspension erfolgte Rechtsänderung vermöge die Rechtskraft der Entscheidung über die Zuerkennung einer Pension nicht zu berühren. Nach der rechtskräftigen Zuerkennung einer Alterspension finde nur mehr deren Anpassung, nicht aber deren Neubemessung im Sinne einer Neufeststellung statt. Auch eine Unionsrechtswidrigkeit der Regelung sei vom Obersten Gerichtshof bereits verneint worden.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die außerordentliche Revision des Klägers ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.

[9] 1. Der Kläger bekämpft im Wesentlichen den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs, dem er vorwirft, unmittelbar anwendbares Unionsrecht, insbesondere seine Vorlagepflicht missachtet zu haben. Er schlägt mehrere Vorlagefragen an den EuGH vor, die sich auf die Behandlung von Parteianträgen auf Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof beziehen, weiters einen (dem eigenen Parteiantrag wortwörtlich entsprechenden) Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof.

[10] 2. Die gesetzmäßige Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503 Z 4 ZPO setzt voraus, dass der Revisionswerber konkret ausführt, aus welchen Gründen das Berufungsgericht die Sache rechtlich unrichtig beurteilt habe. Wird in der Revision nicht – zumindest in grundsätzlicher Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht oder der Argumentation des Berufungsgerichts (RIS‑Justiz RS0043603 [T9]; RS0043312 [T13]) – dargelegt, aus welchen Gründen dem Revisionswerber die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts unrichtig erscheint, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, die materiell-rechtliche Beurteilung zu überprüfen (RS0043654; RS0043605; RS0043603; RS0043312).

[11] 3. Gemäß § 509 Abs 1 ZPO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Revision grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorherige mündliche Verhandlung. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, besteht kein Anlass, im Sinne des § 509 Abs 2 ZPO ausnahmsweise eine mündliche Revisionsverhandlung anzuordnen. Der Kläger zeigt nicht auf, warum eine Revisionsverhandlung der Klärung von Rechtsfragen dienlich sein sollte (9 Ob 2/22t).

[12] 4. Wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

[13] 5. Ein Kostenzuspruch an den Kläger kommt nicht in Betracht, weil im Hinblick auf die vom Berufungsgericht zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung keine rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen.

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