OGH 12Os133/22h

OGH12Os133/22h7.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kastner in der Strafsache gegen * K* wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG, AZ 48 Hv 33/21x des Landesgerichts Wiener Neustadt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 5. August 2021, GZ 48 Hv 33/21x-33, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner und des Verteidigers Dr. Feigl zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00133.22H.1207.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. August 2021, GZ 48 Hv 33/21x-33, verletzt § 27 Abs 2 SMG sowie § 488 Abs 1 iVm § 270 Abs 2 Z 4, Abs 4 Z 1 iVm § 260 Abs 1 Z 1 StPO.

Dieses Urteil wird ebenso wie die gemäß §§ 494, 494a StPO zugleich gefassten Beschlüsse aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

 

Gründe:

[1] * K* wurde mit gekürzt ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 iVm § 488 Abs 1 StPO) Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. August 2021, GZ 48 Hv 33/21x-33, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG schuldig erkannt und zu einer nach § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Mit zugleich gefassten Beschlüssen wurde vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. September 2019, AZ 48 Hv 18/19p, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO) und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494a Abs 6 StPO) sowie (nicht gesondert ausgefertigt; siehe aber RIS‑Justiz RS0101841 [T1], RS0126528; Schroll/Oshidari in WK2 StGB § 50 Rz 16; Danek/Mann, WK-StPO § 270 Rz 50) Bewährungshilfe angeordnet und eine Weisung erteilt (US 3).

[2] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat * K* von Frühjahr bis Dezember 2020 in W* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cocain, Ecstasy (MDMA), LSD, Methamphetamin, Cannabis (Delta-9-THC, THCA) sowie Tabletten mit den Wirkstoffen Methylphenidat und Diazepam erworben und besessen.

[3] Dazu hielt das Gericht fest, dass der Angeklagte den im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) angeführten Sachverhalt objektiv begangen hat, mit der Verwirklichung des Tatbilds ernsthaft rechnete und sich damit abfand (US 4).

Rechtliche Beurteilung

[4] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[5] Das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG verwirklicht, wer vorschriftswidrig Suchtgift erwirbt und besitzt. Wird die Straftat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen, ist die Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG erfüllt. In einem solchen Fall ist Diversion nach § 35 Abs 1 SMG (iVm § 37 SMG) – bei Vorliegen auch der weiteren Voraussetzungen und Bedingungen (§ 35 Abs 3 bis 7 SMG) – stets geboten (RIS-Justiz RS0131952).

[6] Nach der auch für das Hauptverfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter geltenden (§ 488 Abs 1 StPO) Bestimmung des § 270 Abs 4 StPO hat eine gekürzte Urteilsausfertigung die in § 270 Abs 2 StPO genannten Angaben mit Ausnahme der Entscheidungsgründe, also auch die Inhaltserfordernisse nach § 260 StPO (§ 270 Abs 4 Z 1 StPO), sowie im Fall einer Verurteilung die vom Gericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung (§ 270 Abs 4 Z 2 StPO) zu enthalten. Im Urteilstenor, der bei gekürzter Urteilsausfertigung die fehlenden Entscheidungsgründe als Bezugspunkt für die materiell‑rechtliche Beurteilung ersetzt, ist auszusprechen, welcher Tat der Angeklagte schuldig befunden wurde, und zwar unter ausdrücklicher Bezeichnung der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände, das heißt unter Anführung der für die Subsumtion entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; RIS-Justiz RS0125764). Aus der gekürzten Urteilsausfertigung müssen daher die einen bestimmten Strafsatz bedingenden (vgl zu § 27 Abs 2 SMG RIS-Justiz RS0131857) und gegebenenfalls die eine scheinbar bestehende Privilegierung ausschließenden Tatumstände ausdrücklich hervorgehen (RIS-Justiz RS0101786 [T5]; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6).

[7] Mit Blick auf die Angaben des Verurteilten, er benötige im Monat etwa 150 bis 180 Euro für seinen Suchtmittelkonsum, er konsumiere seit etwa vier Jahren regelmäßig Suchtgift, er hätte (auch) von * W* Suchtgift erworben, diesem jedoch kein Suchtgift überlassen, die im Zuge einer Hausdurchsuchung aufgefundenen Suchtmittel hätten ihm gehört und seinem Eigenkonsum gedient (ON 11 S 7 f; ON 20 S 10 f), er hätte Suchtgift zwar besessen, aber nicht verkauft, das Suchtgift hätte er konsumiert, um seine Konzentration zu steigern, zum Teil hätte er damit experimentiert (ON 32 S 2 ff), kamen in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO; ON 32 S 7), Indizien dafür vor, dass der Erwerb und Besitz des Suchtgifts bloß zum (eigenen) persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs 2, 35 Abs 1 SMG) erfolgte, in welchem Fall dem Verurteilten die Privilegierung des § 27 Abs 2 SMG zugute käme.

[8] Das Urteil enthält dazu aber keine Konstatierungen, weshalb ihm ein Feststellungsmangel (RIS‑Justiz RS0099689, RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600) anhaftet, der eine zweifelsfreie Subsumtion nicht zulässt.

[9] Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil des Verurteilten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO konkrete Wirkung wie im Spruch ersichtlich zuzuerkennen.

[10] Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass es sich bei der im Urteilstenor angeführten Substanz Diazepam um einen psychotropen Stoff handelt (Anhang zur Psychotropenverordnung Pkt 2./) und Erwerb und Besitz eines Arzneimittels (hier Gewacalm 10 mg; ON 26 S 9), das einen psychotropen Stoff enthält, der die – bei Diazepam mit vier Gramm festgesetzte (Anhang zur Psychotropen-Grenzmengenverordnung Pkt 2./) – Grenzmenge nicht übersteigt, nach § 30 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 SMG nur strafbar sind, wenn sie nicht für den eigenen Gebrauch oder für den Bedarf eines Tieres erfolgten.

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