OGH 13Os99/22s

OGH13Os99/22s23.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Buttinger in der Strafsache gegen * H* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Privatbeteiligten Fi* GmbH, V* AG, P* GmbH & Co KG, M* GmbH sowie K* GmbH & Co KG gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. März 2022, GZ 15 Hv 3/16t-550, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00099.22S.1123.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen werden zurückgewiesen.

Den Privatbeteiligten Fi* GmbH, V* AG, P* GmbH & Co KG, M* GmbH sowie K* GmbH & Co KG fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * H* und * D* gemäß § 259 Z 3 StPO von der wider sie erhobenen Anklage freigesprochen, sie hätten in W*

„I.* H* in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ö* Gesellschaft m.b.H. ('Ö* GmbH'), Komplementärin und Arbeitsgesellschafterin der Ö* Gesellschaft m.b.H & Co. KG ('Ö*'), die das Vermögen der Ö*, welches aus den Pflichteinlagen und Gewinnen der Kommanditisten bestand verwaltete

1. mit dem Vorsatz, sich bzw. Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, die Kommanditisten der Ö* über die Höhe ihres entnehmbaren Bilanzgewinns durch die Aufstellung/Veranlassung der Aufstellung unrichtiger, weil einen zu geringen Bilanzgewinn ausweisende, Jahresabschlüsse, am

1a. 6 6.2002 (Tag der Feststellung des JA zum 31. 12. 2001) durch die Bildung sachlich nicht gerechtfertigter Rückstellungen in Höhe von EUR 20.855.945,00 sowie

1b. 24.6 2003 (Tag der Feststellung des JA zum 31.12.2002) durch die Bildung sachlich nicht gerechtfertigter Rückstellungen in Höhe von EUR 2.674.061,60 mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, nämlich zur Feststellung der unrichtigen Jahresabschlüsse und zu Unterlassungen, nämlich der Begehrung der Ausschüttung des realiter vorhandenen Bilanzgewinns bzw. Auseinandersetzungsguthabens, verleitet und diesen einen Schaden von insgesamt EUR 22.297.034,25 zugefügt, wobei er letztendlich durch die Auflösung der sachlich nicht gerechtfertigten Rückstellungen in den Folgejahren gegenüber den Kommanditisten, die bis zur Auflösung der Ö* in derselben verblieben, den Schaden wieder gutgemacht und nachgenannte Kommanditisten, die in den Jahren 2003 und 2004 aus der Ö* ausgeschieden sind, in einem insgesamt EUR 300.000,00 übersteigenden Betrag, dadurch, dass ihnen nicht wie im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, die anteiligen stillen Reserven abgegolten wurden, an ihrem Vermögen in nachstehender Höhe geschädigt hat:

Ausgeschiedene Kommanditisten 2003 nicht enthaltene stille Reserven

1 S* EUR 54.013,13

2 L* EUR 40.509,85

3 W* EUR 13.503,28

4 P* EUR 13.503,28

5 ST*EUR 27.006,57

6 M* EUR 27.006,57

7 F* EUR 67.516,42

8 E* EUR 13.503,28

9 SCH* EUR 13.503,28

10 A* EUR 40.509,85

11 PE*, l-LAVIS EUR 13.503,28

12 SO* EUR 13.503,28

13 AS* EUR 13.503,28

14 MA* EUR 13.503,28

15 ASC* EUR 13.503,28

Zwischensumme EUR 378.091,94

Ausgeschiedene Kommanditisten 2004 nicht enthaltene stille Reserven

16 R* EUR 8.755,85

17 PI* EUR 78.802,68

18 ALP* EUR 17.511,71

19 HA* EUR 17.511,71

20 MO* EUR 8.755,85

21 KR* EUR 43.779,27

22 GA* EUR 43.779,27

23 BE* EUR 8.755,85

24 WE* EUR 35.023,41

25 FE* EUR 26.267,56

26 FIX* EUR 17.511,71

27 VI* EUR 26.267,56

28 ALPI* EUR 35.023,41

29 V* EUR 8.755,85

30 PF* EUR 8.755,85

Zwischensumme EUR 385.257,55

Gesamtsumme EUR 763.349,48

2. die ihm eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Ö* zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und die Kommanditisten der Ö* am Vermögen geschädigt, indem er

b. im Jahr 2004 zwei sachlich nicht gerechtfertigte Verbindlichkeiten betreffend eines fingierten Schadensfalls (RL *) in der Buchhaltung erfassen ließ und den derart freiwerdenden Betrag in Form einer Gutschrift an die Kommanditistin I* Gesellschaft m.b.H. ('ITG') in Höhe von EUR 38.325,00 sowie an den Kommanditisten * T* in Höhe von EUR 14.175,00 überwies, und zwar in Höhe von insgesamt EUR 52.500,00;

II. * D*, als im Tatzeitraum Prokurist und Leiter des Rechnungswesens der Ö*

1. zur Ausführung der im Punkt I.1 dargestellten strafbaren Handlungen des Angeklagten * H* beigetragen, indem er im Auftrag des Angeklagten * H* fiktive Gutschriftenrechnungen und damit korrespondierende fiktive Ausgangsrechnungen erstellte, um die Bildung der im Punkt I.1 genannten Rückstellungen rechtzufertigen und derart die Aufstellung unrichtiger Jahresabschlüsse erst zu ermöglichen;

3. die ihm eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Ö* zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und die Kommanditisten der Ö* in den Jahren 2000, 2003 und 2004 um einen EUR 5.000,00 dreifach übersteigenden Betrag, und zwar in Höhe von insgesamt EUR 14.890,79 am Vermögen geschädigt, indem er sachlich nicht gerechtfertigte Umbuchungen und zwei (zusätzliche) ungerechtfertigte Gewinnzuweisungen auf das Verrechnungskonto seiner Treuhänderin * W* vornahm“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richten sich die aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Privatbeteiligten Fi* GmbH, V* AG, P* GmbH & Co KG, M* GmbH sowie K* GmbH & Co KG.

[3] Moniert wird die Abweisung des Antrags des Vertreters der Beschwerdeführer auf „Ladung und Vernehmung der Zeugen * G* bzw * P*, zum Beweis dafür, dass im Zeitraum 25.3.–5.10.04 bei der Urkunde die Betriebsprüfung für Jahre 2000–2002 durchgeführt wurden und zur Frage, ob die hier gegenständlichen sonstigen Rückstellungen die laut Anklage sachlich nicht gerechtfertigt sind, geprüft wurden und aus welchen Gründen eine Prüfung oder zumindest eine unkritische Prüfung unterlassen wurde und der Aufwand für diese Rückstellungen etwa 35 Mio für künftige Gutschriften am hier gegenständlichen Unternehmen anerkannt wurden“. In der Hauptverhandlung wurde dazu vorgebracht, dass sich aus dem Betriebsprüfungsakt eine Notiz ergebe, „die vom Betriebsprüfer * H* im Zuge der Betriebsprüfung am 9.6.04 angefertigt wurde und auf dieser lautet es unter Punkt 8: eine Anmerkung zu diesen anklagegegenständlichen Rückstellungen bzw zu den Posten sonstige Rückstellungen, jedoch im Betriebsprüfungsbericht der dann ergeht, wird dazu kein Wort mehr verwendet. In Anbetracht der Höhe der Rückstellungen stellt das für eine Betriebsprüfung nicht nachvollziehbaren Vorgang dar, auch deshalb, da diese Rückstellungen sehr wohl Thema einer Besprechung am 29.7.04 waren. Herr H* und Herr D*, der Steuerberater und die beiden Betriebsprüfer * G* und seine Gr Leiterin haben damals daran teilgenommen. Sie sind unmittelbare Tatzeugen und belegen, dass meine vertretenen Firmen M*, A*, P* R*, F*, E* und P* AG am Vermögen geschädigt wurden in der Anklage dargestellten Höhe“ (ON 549 S 35 f).

[4] Erfolgreich kann die Verfahrensrüge eines Privatbeteiligten nur dann sein, wenn der abgewiesene Beweisantrag zur Schuldfrage erhebliche Umstände unter Beweis gestellt hat, mit der vom Freispruch betroffenen Tat die Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche verknüpft war und erkennbar ist, dass die Abweisung des Beweisantrags einen auf die Geltendmachung der privatrechtlichen Ansprüche nachteiligen Einfluss zu üben vermochte (§ 282 Abs 2 zweiter Satz StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 282 Rz 45).

[5] Nach Maßgabe dieser Kriterien verfiel der Beweisantrag der Beschwerdeführer zu Recht der Abweisung (ON 549 S 36 f):

[6] Dem Antragsvorbringen war nämlich nicht zu entnehmen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis, also den Nachweis einer Täuschung und (vorsätzlichen) Schädigung der Beschwerdeführer am 6. Juni 2002 und am 24. Juni 2003 erwarten lasse. Solcherart lief es auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinaus (siehe aber RIS-Justiz RS0099453 [T1]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

[7] Gleiches gilt, soweit eine – wie hier beantragte – Beweisführung darauf zielt, abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten sei, (RIS‑Justiz RS0099353 [T11]).

[8] Bei der Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen, weshalb ergänzendes Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde unbeachtlich ist (RIS-Justiz RS0099618 und RS0099117).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[10] Wird der Angeklagte freigesprochen, so ist der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 Abs 1 StPO).

[11] Zur Ergreifung einer Berufung sind die Privatbeteiligten in einem solchen Fall nicht legitimiert (RIS‑Justiz RS0101316).

[12] Auch die (angemeldeten) Berufungen waren somit (als unzulässig) zurückzuweisen (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO.

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