OGH 2Ob208/22k

OGH2Ob208/22k22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowiedie Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Christian Schubeck und Dr. Michael Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. H* GmbH, 2. F*, beide *, 3. G* AG, *, alle vertreten durch BAH Heim & Hitzenbichler Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 5.997,60 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 17. August 2022, GZ 53 R 123/22b‑23, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. März 2022, GZ 15 C 657/21x‑19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00208.22K.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Schadenersatz nach Verkehrsunfall

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 720,12 EUR (darin enthalten 120,12 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Am 27. Juni 2021 ereignete sich auf einer Bundesstraße im Ortsgebiet ein Verkehrsunfall, bei dem der Kläger mit seinem PKW und der Zweitbeklagte mit dem von der Erstbeklagten gehaltenen und beim Drittbeklagten versicherten PKW beteiligt waren. Der Zweitbeklagte wollte das immer langsamer werdende und mit einer Warnblickanlage (Alarmblinkanlage) fahrende Klagsfahrzeug links überholen, als der Kläger plötzlich sein Fahrzeug nach links lenkte, um zu einer unmittelbar vor dem Ortsende geschotterten Fläche zuzufahren, wodurch die Fahrzeuge miteinander kollidierten. Der Zweitbeklagte konnte die Kollision nicht vermeiden, er reagierte nicht verspätet und fuhr nicht zu schnell. Für den Kläger war vor dem Einleiten seines Abbiegmanövers das überholende Fahrzeug erkennbar und die Kollision vermeidbar.

[2] Der Kläger stützt den von ihm begehrten Ersatz seines Sachschadens auf ein rechtswidriges Überholmanöver des Zweitbeklagten.

[3] Die Vorinstanzen gingen vom Alleinverschulden des Klägers aus. Dem liegt das von der Revision nicht mehr angezweifelte Fehlverhalten des Klägers zugrunde, dass dieser den nachfolgenden Verkehr nicht beobachtete und er weder sein Abbiegen rechtzeitig anzeigte noch sich zur Mitte einordnete.

[4] Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht geklärt habe, ob eine bedenkliche Verkehrssituation vorliegt, wenn ein Fahrzeug mit eingeschalteter Warnblinkanlage langsamer wird.

[5] Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[6] Die beklagten Parteien erachten die Revision als unzulässig bzw unberechtigt.

[7] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Nach dem Rechtsmittel habe durch das Langsamerwerden des Klagsfahrzeugs im Zusammenhang mit der aktivierten Warnblickanlage eine unklare Verkehrssituation vorgelegen, sodass der Zweitbeklagte nicht überholen hätte dürfen. Alternativ hätte er beim Überholen auf sich aufmerksam machen müssen. Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

[9] 2. Die Frage des Vorliegens einer unklaren Verkehrssituation hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (2 Ob 146/98d; 2 Ob 158/19b; 2 Ob 216/20h). Sie erfüllt daher – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – in der Regel nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (2 Ob 80/11w).

[10] 3. Dass eine höchstgerichtliche Entscheidung zu einem gleichartigen oder ähnlichen Fall (hier: Beurteilung einer unklaren Verkehrssituation im Zusammenhang mit einer eingeschalteten Warnblinkanlage eines Linksabbiegers) fehlt, begründet noch nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0110702 [T5]; RS0102181 [T12]).

[11] 4. Eine von einem Verkehrsteilnehmer ausgelöste unklare Verkehrssituation, die (auch) zu Lasten des anderen Verkehrsteilnehmers geht, liegt nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn der andere Verkehrsteilnehmer mit einem schadensverursachenden Verhalten rechnen musste und dieses bei seiner eigenen Fahrweise nicht in Rechnung stellte (RS0073181 [„nicht vorhersehbar“]; 2 Ob 158/19b [„mit dem Fehlverhalten … nicht zu rechnen brauchte“]; 2 Ob 216/20h [„nicht rechnen musste“]).

[12] 5. Das Klagsfahrzeug war mit eingeschalteter Warnblinkanlage immer langsamer werdend unterwegs. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass für den Zweitbeklagten unter diesen Umständen das plötzliche Linksabbiegemanöver des Klägers nicht vorhersehbar war, ist jedenfalls vertretbar.

[13] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).

Stichworte