European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080NC00051.22Z.1121.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Begründung:
[1] Mit der beim Bezirksgericht Schwechat am 31. 8. 2021 eingebrachten Klage begehren die in Österreich wohnhaften Kläger unter Berufung auf die Fluggastrechte-Verordnung (Verordnung [EG] Nr 261/2004) eine Ausgleichsleistung von jeweils 600 EUR sA, weil sie bei der im Vereinten Königreich ansässigen Beklagten für den 1. 9. 2018 Flüge von Wien über London und Los Angeles nach Honolulu gebucht hätten, die Beklagte aber den Flug von London nach Los Angeles annulliert habe. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus dem Abflug- und Ankunftsort der gebuchten Flüge, in eventu stellten die Kläger den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge eine Ordination des Rechtsstreits an das Bezirksgericht Schwechat vornehmen.
[2] Das Bezirksgericht Schwechat sprach mit Beschluss vom 19. 1. 2022 aus, dass es internationalnicht zuständig sei.
[3] Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Die Bestimmung des § 101a JN idF BGBl I 2022/61, wonach für Klagen nach der Fluggastrechte-Verordnung (Verordnung [EG] Nr 261/2004) auch das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel der Abflugs- oder Ankunftsort liegt, gilt nach § 123 Abs 2 Z 1 JN nur für Klagen, die nach dem 30. 4. 2022 eingebracht wurden, und ist deshalb im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. Im Übrigen ist der Oberste Gerichtshof an die rechtskräftige Verneinung der internationalen Zuständigkeit durch das von den Klägern angerufene Bezirksgericht Schwechat gebunden (RIS‑Justiz RS0046568).
[5] 2. Für den Fall, dass für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind, bestimmt § 28 Abs 1 Z 2 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre.
[6] 3. In einer Vielzahl von Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof Ordinationsanträgen stattgegeben, wenn die Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung sonst in einem Drittstaat einzuklagen gewesen wären und zwischen diesem Drittstaat und Österreich kein Vollstreckungsübereinkommen besteht (RS0132702). Auch im Verhältnis zu dem seit 1. 1. 2021 als Drittstaat anzusehenden Vereinigten Königreich liegt eine vergleichbare Situation vor: Entscheidungen eines britischen Gerichts, die in einem nach dem 31. 12. 2020 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergehen, können nach Art 67 Abs 2 lit a des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (Abl C 384 1/1) nicht mehr nach den Regeln der EuGVVO vollstreckt werden.
[7] 4. Nach dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl 1962/224) werden grundsätzlich nur Entscheidungen eines „oberen Gerichts“ nach einem Exequaturverfahren anerkannt und vollstreckt. Demgegenüber kommt eine Vollstreckung der Entscheidung eines britischen „unteren“ Gerichts in Österreich mangels qualifizierter Gegenseitigkeit nach § 406 EO nicht in Betracht (RS0002320 [T2]).
[8] 5. Angesichts dieser beim vorliegenden Streitwert anzunehmenden faktischen Unmöglichkeit der Exekutionsführung aufgrund eines in Großbritannien erlangten Titels in Österreich sind bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechte-Verordnung gegen ein im Vereinten Königreich ansässiges Luftfahrtunternehmen die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs erfüllt (7 Nc 7/22x; 2 Nc 11/22y; 5 Nc 5/22p; 10 Nc 6/22x; 9 Nc 8/22h).
[9] 6. Bei der Auswahl des zu bestimmenden Gerichts ist auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen.
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