OGH 6Ob204/22a

OGH6Ob204/22a18.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* eGen, *, vertreten durch Kapp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. I* F*, 2. H* W* L*, Deutschland, beide vertreten durch Summereder Pichler Wächter Rechtsanwälte GmbH in Leonding, wegen 500.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 22. August 2022, GZ 1 R 165/22i‑15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Murau vom 26. April 2022, GZ 2 C 568/21v‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00204.22A.1118.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.591,47 EUR (darin enthalten 598,58 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

[2] Die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte sind jeweils zu 50 % Gesellschafter der J* GmbH (in der Folge: Gesellschaft); die Erstbeklagte ist zudem selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin der Gesellschaft. Die Gesellschaft errichtete als Bauträger eine Wohnanlage mit selbständigen Wohnungseigentumseinheiten. Zur Realisierung bzw Finanzierung dieses Bauträgerprojekts schloss die Gesellschaft mit dem klagenden Kreditinstitut einen Kontokorrentkreditvertrag über 1.000.000 EUR sowie einen Abstattungskreditvertrag über 400.000 EUR ab. Als Sicherheiten wurden im Kreditvertrag neben Pfandrechten unter anderem Bürgschaften der Beklagten über jeweils 150.000 EUR vereinbart. Im Kontokorrentkreditvertrag finden sich nach dem Punkt „Sicherheiten“, unter dem (auch) die Bürgschaften der Beklagten vereinbart wurden, folgende Vertragspunkte:

„Sonstiges: Rückzahlung mit Teilzahlungen aus Wohnungsverkäufen

 

Finanzierungsvoraussetzungen:

- Abwicklung des Bauvorhabens gemäß den Richtlinien des Bauträgervertragsgesetzes – Treuhändige Abwicklung RA Mag. S[***]

- Auszahlung nach Rechnungslegung

- Bereitstellung des Finanzierungsbetrages in Form einer Zwei-Konten-Methode Kontokorrenkreditkonto und Zahlungsverkehrskonto

- Ausschüttungen aus der GmbH dürfen nur nach schriftlicher Zustimmung durch die finanzierende Bank erfolgen

- Verkaufserlöse werden ausschließlich zur Kreditrückführung verwendet

- Die Gesellschafter verpflichten sich, weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, falls sich das Projekt finanziell negativ entwickelt“

[3] Auch im Abstattungskreditvertrag findet sich nach dem Punkt „Sicherheiten“ im Punkt „Zusatzvereinbarungen“ unter anderem die letztgenannte Klausel. Die Klauseln in den Kreditverträgen der Gesellschaft, wonach sich die Gesellschafter verpflichten würden, weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, falls sich das Projekt finanziell negativ entwickelt, wurden von der Kreditabteilung der Klägerin formuliert und mit den Beklagten nicht dezidiert besprochen.

[4] Darüber hinaus schlossen die Beklagten selbst mit der Klägerin zur Finanzierung des Bauprojekts drei Abstattungskreditverträge über insgesamt 1.490.000 EUR ab.

[5] Die Klägerin begehrt den Klagsbetrag als Teilbetrag der Kreditaushaftungen der Gesellschaft. Die sowohl im Kontokorrent- als auch im Abstattungskreditvertrag beinhaltete Verpflichtung der Beklagten, „weiteres Eigenkapital zur Verfügung zu stellen, falls sich das Projekt (gemeint: Bauträgerprojekt) finanziell negativ entwickelt“, stelle eine externe harte Patronatserklärung der Beklagten dar. Über das Vermögen der Gesellschaft sei das Insolvenzverfahren eröffnet worden; damit habe sich der Primäranspruch der Klägerin als Patronatsbegünstigte in einen Sekundäranspruch auf Zahlung umgewandelt.

[6] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, weil sich aus der genannten Vertragsklausel eine Verpflichtung zur Bezahlung der Kreditschulden der Gesellschaft nicht ableiten lasse.

[7] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob bei einer „harten“ Patronatserklärung im Insolvenzfall des Protegés ein Direktanspruch des Gläubigers gegen den Patron auf Bezahlung der Kreditverbindlichkeiten des Protegés entsteht.

Rechtliche Beurteilung

[8] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:

[9] 1. Der Begriff der Patronatserklärung ist als Mittel der Kreditsicherung eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Erklärungen einer vom Kreditnehmer verschiedenen, zu diesem jedoch regelmäßig in einem Naheverhältnis stehenden Person, dem Patron, die einen unterschiedlichen Inhalt haben können (RS0016949). Nach der Rechtsprechungist zwischen „harten“ und „weichen“ Patronatserklärungen zu unterscheiden, wobei der konkrete Inhalt der (allenfalls) bestehenden Verpflichtung durch Auslegung zu ermitteln ist. Nur die „harte“ Patronatserklärung hat klare Konturen. Sie ist durch die Übernahme der Verpflichtung gekennzeichnet, den Schuldner – regelmäßig eine Tochtergesellschaft – so auszustatten, dass er seine Schulden beim Kreditgeber zurückzahlen kann. Hingegen können „weiche“ Patronatserklärungen einerseits unverbindliche Äußerungen sein, andererseits aber auch rechtlich verbindliche Handlungszusagen; liegt eine solche Handlungspflicht vor, kann deren Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen (6 Ob 209/20h; 4 Ob 151/10z).

[10] 2. Ist der objektive Aussagewert der Patronatserklärung zweifelhaft, ist ihr rechtlicher Gehalt nach den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB zu ermitteln (RS0016949). Hiebei ist ausgehend vom Wortsinn der Erklärung die dem Erklärungsgegner erkennbare Absicht des Erklärenden entscheidend. Zur Ermittlung dieser Absicht sind alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände, insbesondere die sonstigen Erklärungen der Parteien, heranzuziehen (3 Ob 88/22w; 7 Ob 572/85). Wie eine Willenserklärung im Einzelfall aufzufassen ist, lässt sich jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilen und kann daher die Zulässigkeit der Revision – von einer hier nicht gegebenen unvertretbaren Fehlbeurteilung abgesehen – nicht rechtfertigen (RS0042555 [T2, T17, T28]). Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, bildet keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042555 [T4]; vgl RS0042776 [T2]; RS0043936 [T3]).

[11] 3. Das Berufungsgericht legte die Vetragsbestimmung dahin aus, dass nur eine Verpflichtung zur Leistung von weiterem Eigenkapitalvorliege, nicht jedoch – wie in andern Patronatsklauseln üblich – zur Bezahlung der Kreditschulden des Protegés, also der Gesellschaft. Die Verpflichtung könne daher nur bedeuten, dass unter gewissen Umständen das Eigenvermögen der Gesellschaft gestärkt werden müsse. Dafür spreche auch, dass sich die Klausel nicht unter dem Punkt „Sicherheiten“, sondern unter „Finanzierungsvoraussetzungen“ bzw „Zusatzbedingungen“ finde. Die Klägerin könne aufgrund dieser Klausel nicht die ausständigen Kreditmittel von den Beklagten einfordern.

[12] 4. Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zeigt die Revision nicht auf:

[13] 4.1. Von einer gänzlich unverbindlichen Erklärung ist das Berufungsgericht ohnehin nicht ausgegangen.

[14] 4.2. Weshalb sich die Klausel, wenn sie wie behauptet eine „harte“ Patronatserklärung darstellen solle, nicht unter dem Vertragspunkt „Sicherheiten“ befindet, legt die Revision nicht dar. Unter den „Finanzierungsvoraussetzungen“ (Kontokorrentkredit) bzw „Zusatzvereinbarungen“ (beim Abstattungskredit) wurden hingegen vorwiegend Regelungen getroffen, die die Durchführung des Bauträgerprojekts und des Kontokorrents betreffen. Auch angesichts des Wortlauts der Klausel kann von der klaren und eindeutigen Regelung einer Ausstattungsverpflichtung zur Besicherung der Kreditrückführung nicht gesprochen werden. Das Aufforderungsschreiben der Klägerin zum Kontokorrentkredit, auf das sich die Revision bezieht, spricht im Übrigen selbst von einem erforderlichen Nachschuss zur Fortsetzung der Arbeiten.

[15] 4.3. Bereits das Erstgericht hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin von den Beklagten persönliche Haftungen in Form von Bürgschaften in Höhe eines Kreditteilbetrags verlangt habe. Die Klägerin habe daher nicht annehmen dürfen, die Beklagten hätten mit der strittigen Klausel darüber hinaus (also neben den übernommenen Bürgschaften und den persönlich aufgenommenen Abstattungskrediten) eine Haftung für den gesamten Kreditbetrag der Gesellschaft übernehmen wollen. Hätte die Klägerin eine solche Verpflichtung gewollt, hätte sie dies leicht durch höhere Höchstbeträge in den Bürgschaften der Beklagten erreichen können. Dagegen führt die Revision keine zugkräftigen Argumente ins Treffen.

[16] 5. Der vom Berufungsgericht aufgeworfen Frage, ob bei Vorliegen einer „harten“ Patronatserklärung im Insolvenzfall des Protegés ein Direktanspruch des Gläubigers auf Bezahlung der Kreditverbindlichkeiten desselben entstehe, kommt damit im vorliegenden Fall keine entscheidende Bedeutung mehr zu.

[17] 6. Auf die Verletzung einer aus der strittigen Klausel allenfalls resultierenden (bloßen) Handlungspflicht der Beklagten (vgl Punkt 1.) hat die Klägerin ihr Begehren nicht gestützt.

[18] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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