European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00168.22K.1117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,80 EUR (hierin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zur Frage zu, ob eine (weitere) Nachforschungspflicht des Erwerbers einer Liegenschaft dahin bestehe, ob außer dem Eigentümer allenfalls noch Dritte diese Liegenschaft nutzen, wenn auf der erworbenen Liegenschaft Fahrspuren des bisherigen Eigentümers vorhanden sind.
[2] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem– den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[3] 1. In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass die Rechtsvorgänger der Klägerin das nun der Beklagten gehörende, als Zufahrt zu deren weiteren Grundstücken dienende Wiesengrundstück aufgrund einer nicht verbücherten Servitut ebenfalls als Zugang und Zufahrt zu ihren (angrenzenden) Grundstücken nutzten.
[4] 2. Dass die Vorinstanzen einen lastenfreien Eigentumserwerb der Beklagten verneinten, begründet keine erhebliche Rechtsfrage:
[5] 2.1. Der Liegenschaftserwerber ist durch § 1500 ABGB dann geschützt, wenn diesem sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war. Der Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf Fahrlässigkeit beruht (vgl RS0034776). Besteht der begründete Verdacht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen, löst dies Nachforschungspflichten des Erwerbers aus (RS0034776 [T22]). Eine offenkundige Dienstbarkeit, die der Erwerber einer Liegenschaft gegen sich gelten lassen muss, auch wenn sie nicht verbüchert ist, liegt vor, wenn vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen, mag auch die Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sein (RS0034803).
[6] 2.2. Nach den Feststellungen kannte die Beklagte, die (ua) das Wiesengrundstück 2005 kaufte, die Liegenschaften der Streitteile bereits seit den 1980er‑Jahren und war regelmäßig ein- bis zweimal pro Monat vor Ort. Auf dem Wiesengrundstück waren aufgrund der jahrelangen Nutzung des Wegs sowohl zum Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs der Beklagten als auch in den Jahren davor Fahrspuren ersichtlich, und die Beklagte nahm im Zuge ihrer Aufenthalte auch die im Bereich der Hütte auf dem Nachbargrundstück abgestellten Fahrzeuge des Rechtsvorgängers der Klägerin wahr. Ausgehend von diesem Sachverhalt haben die Vorinstanzen einen gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb der Beklagten vertretbar mit der Begründung verneint, dass sie trotz der ihr bekannten Umstände keine Nachforschungen über das allfällige Bestehen eines (Geh‑ und) Fahrrechts des Rechtsvorgängers der Klägerin anstellte (siehe auch 2 Ob 171/14g zu einem vergleichbaren Sachverhalt).
[7] 2.3. Die nun vom Berufungsgericht (dem Standpunkt der Beklagten folgend) als erheblich angesehene Rechtsfrage, ob eine Nachforschungspflicht des Erwerbers auch dann bestehe, wenn auf der Liegenschaft Fahrspuren (gemeint: nur) des bisherigen Eigentümers ersichtlich seien, stellt sich hier in Wahrheit nicht, weil die Beklagte nach den Feststellungen gerade nicht davon ausgehen durfte, dass die Fahrspuren ausschließlich von ihrem eigenen Rechtsvorgänger stammten.
[8] 3.1. Eine Wegedienstbarkeit erlischt grundsätzlich nicht allein deshalb, weil der Berechtigte seinen Grund über einen anderen Weg erreichen kann, mag der Grund durch den anderen Weg auch bequemer zu erreichen sein (vgl RS0011574). Der Zweck einer Wegeservitut kann aber dann wegfallen, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit einen vollwertigen (gleichwertigen) Ersatz für diesen bietet (vgl RS0011582 [T5]). Ob ein gleichwertiger Ersatz vorliegt oder nicht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wirft in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0011574 [T6]).
[9] 3.2. Dass die Vorinstanzen ein Erlöschen der Wegedienstbarkeit im Hinblick auf die (weitgehende) Rodung des seinerzeit auf dem herrschenden Grundstück bestehenden Weingartens verneinten, ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Nach den Feststellungen befinden sich nämlich auf dem Grundstück der Klägerin nach wie vor zwei beinahe über die gesamte Breite des Grundstücks wachsende Rebstockreihen, die naturgemäß einem Befahren des Grundstücks von dem an der Westgrenze verlaufenden asphaltierten Güterweg bis zum östlich angrenzenden Waldgrundstück der Klägerin entgegenstehen.
[10] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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