OGH 11Os136/21s

OGH11Os136/21s15.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. November 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kornauth als Schriftführer in der Verbandsverantwortlichkeitssache der M* GmbH wegen § 3 Abs 1 Z 1, Abs 2 VbVG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der M* GmbH gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Dezember 2020, GZ 124 Hv 2/18z‑298, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00136.21S.1115.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die M* GmbH auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil (ON 298) wurde die M* GmbH gemäß § 3 Abs 1 Z 1, Abs 2 VbVG für die als Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB beurteilte Straftat verantwortlich erkannt, die ihr Entscheidungsträger * V* rechtswidrig und schuldhaft zu ihren Gunsten begangen hat.

[2] Dabei ging das Erstgericht davon aus, dass der Genannte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M* GmbH am 29. Dezember 2016 seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und die E* in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt hat, dass er die von E* für die M* GmbH ausgestellte Bankgarantie der (richtig:) N* Bank im Höchstbetrag und damit zumindest im Betrag von 57.670 Euro vereinbarungswidrig bzw widerrechtlich zu Gunsten der M* GmbH einlöste.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbands M* GmbH.

[4] Der Erledigung dieser Nichtigkeitsbeschwerde sei vorangestellt:

[5] Die Feststellungswirkung des Schuldspruchs (vgl § 398 StPO; dazu Lässig, WK‑StPO § 398 Rz 3) einer natürlichen Person erstreckt sich dann auf einen Verband, wenn

 

[6] Im vorliegenden Fall war der Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße gemäß § 21 Abs 2 VbVG mit der Anklage gegen * V* wegen jener Straftat verbunden, für die der Verband – als dessen Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 VbVG) der Genannte gehandelt habe – verantwortlich (§ 3 VbVG) sein soll (s ON 132). Daher kamen dem belangten Verband (§ 13 Abs 1 zweiter Satz VbVG) gemäß § 15 Abs 1 zweiter Satz VbVG auch im betreffenden Verfahren gegen diese natürliche Person die Rechte des Beschuldigten zu (RIS‑Justiz RS0133395). In der gesamten (hier gemäß § 22 Abs 1 VbVG gemeinsam mit jener gegen den Verband geführten) Hauptverhandlung im Verfahren gegen die natürliche Person war der belangte Verband iSd § 23 VbVG vertreten (vgl Hv‑Protokolle ON 260, 262, 264, 266, 293 und 296).

[7] Der gegen den Angeklagten * V* ergangene erstinstanzliche Schuldspruch (ON 297) wurde allerdings in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des genannten Angeklagten mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom heutigen Tag aufgehoben (11 Os 135/21v), sodasseine Feststellungswirkung nicht eintreten konnte.

[8] Obwohl der belangte Verband die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch der natürlichen Person (ON 297) bloß rechtzeitig angemeldet, eine nähere Ausführung derselben nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den (gemeinsamen) Verteidiger aber unterlassen hat (zur Zurückweisung dieser Nichtigkeitsbeschwerde 11 Os 135/21v), kann er sichim vorliegenden Fall bei der Bekämpfung des gegen ihn selbst ergangenen Urteils (ON 298) also (weiterhin) darauf berufen, dass sein Entscheidungsträger (* V*)die seine Verantwortlichkeit begründende Straftat nicht begangen hat.

[9] Ihrem Inhalt nach bekämpft die Nichtigkeitsbeschwerde das Verbandsurteil (ON 298) – aus denselben Beschwerdegründen wie die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * V* das gegen diesen ergangene erstinstanzliche Urteil (ON 297) – also nur insoweit, als es die Verantwortlichkeitsvoraussetzung (§ 3 Abs 2 VbVG) der konstatierten tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Begehung der betreffenden (Anknüpfungs‑)Tat bejaht.

[10] Aus den zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * V* zu 11 Os 135/21v angeführten Erwägungen, auf welche verwiesen wird (RIS‑Justiz RS0124017), ist auch die Verfahrensrüge (Z 4) des belangten Verbands im Recht, die sich gleichfalls gegen die Abweisung des von (auch) seinem Verteidiger gestellten Antrags auf Vernehmung des Baumeisters H* als Zeugen (ON 296 S 5, 7 f) wendet.

[11] In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des belangten Verbands M* GmbH war das angefochtene Urteil somit bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO).

[12] Mit seiner Berufung war der belangte Verband auf diese Entscheidung zu verweisen.

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