European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0230DS00008.22M.1107.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen (Teileinstellungs‑)Beschluss sprach der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * aus, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung von Rechtsanwalt * hinsichtlich des Vorwurfs vorliege, er habe als Rechtsanwalt in * seine Klientin * S* im Zeitraum von 2. Oktober 2018 bis 15. Jänner 2019 im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts * qualifiziert schlecht beraten oder vertreten.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen gerichtete Beschwerde des Kammeranwalts ist nicht im Recht:
[3] Ein Beschluss des Inhalts, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluss), setzt voraus, dass kein Verdacht eines ein Disziplinarvergehen begründenden Verhaltens des angezeigten Rechtsanwalts im Sinn des § 28 Abs 2 DSt vorliegt (RIS‑Justiz RS0056969 und RS0057005; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohrergger/Vitek, RAO 10 [2018] § 28 DSt Rz 9). Vom – somit eine Verfahrenseinstellung rechtfertigenden – Fehlen eines solchen Verdachts ist (im Licht des § 212 Z 2 StPO [iVm § 77 Abs 3 DSt]) dann auszugehen, wenn das Tatsachensubstrat Grund zur Annahme bietet, dass seine Dringlichkeit und sein Gewicht nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angezeigten auch nur für möglich zu halten, und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist. Eine diesbezügliche Fehlentscheidung des nach § 28 DSt zu bildenden Senats vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen:
[4] Der Disziplinarrat vertrat die Auffassung, dass im bisherigen Verfahren keine Anhaltspunkte für den (auch nur Anfangs-)Verdacht hervorgekommen seien, der Disziplinarbeschuldigte habe seine Mandantin * S* (als beklagte Partei im Verfahren AZ * des Bezirksgerichts *) im Sinn des von dieser erhobenen Vorwurfs einer „misslungenen Kompensationseinrede mit einer Forderung aus einem Schuldschein gegen eine Klagsforderung ihrer Schwester“ schlecht beraten oder vertreten.
[5] Denn obwohl das dem Verfahren zugrunde liegende Klagebegehren auf Zahlung eines Geldbetrags samt Anhang (resultierend aus einem Erbteilungsanspruch) gelautet habe, demnach als „reines Zahlungsbegehren“ formuliert war, sei das erkennende Gericht in der Begründung seines klagsstattgebenden Urteils von einem „auf Teilung gerichteten Klagebegehren“ ausgegangen und habe auf dieser Basis – unter verfehlter Berufung auf eine Kommentarstelle (Holly in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 1440Rz 2/2) – die Ansicht vertreten, dass es sich um einen Rechtsgestaltungsanspruch handle, gegen welchen mit einer Geldforderung (hier: einem Zahlungsbegehren auf Basis eines von der Klägerin unterzeichneten Schuldscheins) nicht aufgerechnet werden könne. Damit sei das Bezirksgericht * „offensichtlich ohne geeigneten Grund“ von der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, nach der die Gleichartigkeit aufzurechnender Forderungen ausschließlich nach dem Gegenstand der Ansprüche (hier: zwei auf Geld gerichteten Forderungen), nicht aber nach ihren Rechtsgründen zu beurteilen sei (RIS-Justiz RS0033754).
[6] Zusammenfassend sei dem Disziplinarbeschuldigten daher (ersichtlich gemeint: in Bezug auf die Kompensationseinrede) jedenfalls kein qualifizierter Fehler unterlaufen und er habe keine unvertretbare Rechtsansicht (vgl dazu RIS‑Justiz RS0055381 [insb T4]) vertreten.
[7] Der Kammeranwalt stellt in seiner Beschwerde (ON 28) weder die Sachverhaltsannahmen der angefochtenen Entscheidung noch deren rechtliche Beurteilung in Frage. Er macht vielmehr geltend, dass sich der Verdacht einer Verletzung von Berufspflichten sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schon daraus ergebe, dass der Disziplinarbeschuldigte es nach den weiteren Feststellungen des Disziplinarrats unterließ, die zunächst angemeldete Berufung gegen das im genannten Verfahren ergangene klagsstattgebende Urteil nach dessen Zustellung (am „27. bzw 28. November 2018“) auszuführen und er auch keine Widerklage erhob.
[8] Allein der Umstand des Unterbleibens von Versuchen, dem Anspruch seiner Mandantin auf die in der Beschwerde angesprochene Weise doch noch zum Durchbruch zu verhelfen, indiziert jedoch (für sich alleine noch) keinen nach § 1 Abs 1 DSt tatbestandsmäßigen Verdacht eines qualifizierten Rechtsfehlers bei der Beratung der * S*. Ein Rechtsanwalt ist nämlich nicht verpflichtet, seinen Klienten zu einer bestimmten Handlungsweise zu bestimmen; für Entschlüsse seines Klienten ist er nicht verantwortlich, es sei denn, sie beruhten auf einer fehlenden oder falschen Belehrung durch den Rechtsanwalt (RIS-Justiz RS0026560).
[9] Indizien für eine derartige Verletzung der Warn-, Aufklärungs- oder Informationspflichten (vgl auch RIS-Justiz RS0112203) werden weder von der Beschwerde aufgezeigt, noch sind sie dem Akteninhalt zu entnehmen (vgl zum in der Aktenlage gelegenen Beurteilungsgegenstand der Prüfung nach § 28 Abs 3 DSt RIS-Justiz RS0057005 [T6]). Eine Verfehlung dieser Art behauptet vielmehr nicht einmal die Anzeigerin * S*, die – in Bezug auf die Vertretungshandlungen – (bloß) kritisiert (ON 1), dass der Disziplinarbeschuldigte sie beschworen habe, „ja nicht zu der Verhandlung zu gehen“, sie habe „einen Schuldschein“ von ihrer Schwester, dieser sei „ausreichend, die Verhandlung nur Formsache“, dennoch sei sie „schuldig gesprochen“ worden und habe „25.000 Euro bezahlt“.
[10] Nur der Vollständigkeit halber sei zusätzlich auf das – durch keine Beweisergebnisse widerlegte – Vorbringen des Disziplinarbeschuldigten in seiner Gegenausführung zur Beschwerde (ON 31) zu verweisen, wonach er auf ausdrücklichen und noch vor rechtlicher Prüfung und Besprechung des Urteils geäußerten Wunsch der * S* keine weiteren Schritte unternommen habe.
[11] Der Beschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Folge zu geben.
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