European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0230DS00005.22W.1018.000
Spruch:
In Stattgebung der Berufung wird über * unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Niederösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 29. Juni 2020 zu AZ D 30/19, vom 12. Oktober 2020 zu AZ D 45/19, vom 12. Oktober 2020 zu AZ D 38/19 sowie vom 26. April 2021 zu AZ D 17/20 die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von vier Monaten als Zusatzstrafe verhängt.
Gemäß § 16 Abs 2 DSt wird diese unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er
1./ seine Verpflichtung aus der von ihm übernommenen Treuhandschaft vom 16. und 20. Mai 2019 nicht ordnungsgemäß, sondern erheblich verzögert erfüllte, indem er seiner Verpflichtung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes für die A* OG ob den Liegenschaftsanteilen an der EZ * Grundbuch * sowie seiner Verpflichtung zur Einverleibung einer Höchstbetragshypothek über 350.000 Euro erst mehr als acht Monate nach Übernahme der Treuhandschaft und nach Ablauf der Erledigungsfrist, nämlich am 31. Jänner und am 24. April 2020 nachkam,
2./ auf die telefonischen und persönlichen Anfragen sowohl seines Mandanten Mag. L* als Geschäftsführer der A* OG als auch des Rechtsvertreters desselben, Dr. * R*, nicht reagierte und erbetene und zugesagte Rückrufe nicht tätigte und
3./ auch auf ein schriftliches Ersuchen um Rückruf vom 5. Dezember 2019 nicht reagierte.
[2] Über den Beschuldigten wurde hiefür unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse zu D 30/19, D 38/19 und D 17/20, jeweils der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für einen Zeitraum von sechs Monaten als Zusatzstrafe verhängt. Gemäß § 16 Abs 2 DSt wurde der Vollzug der Zusatzstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
[3] Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat die Mehrzahl der Delikte und die Vorstrafen als erschwerend, als mildernd dagegen das reumütige Geständnis des Beschuldigten, die Schadensgutmachung, „die Tatsache, dass der Disziplinarbeschuldigte offenkundig in Turbulenzen wegen gleichzeitiger Kündigung der Kanzleiangestellten geriet“, sowie die lange Verfahrensdauer. Letzterem Umstand wurde durch Reduktion der an sich als angemessen angesehenen (bedingt nachgesehenen) neunmonatigen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft um drei Monate Rechnung getragen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die dagegen gerichtete Berufung des Disziplinarbeschuldigten ist im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang im Recht.
[5] Vorauszuschicken ist, dass das gegen * ergangene Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 12. Oktober 2020, AZ D 45/19, nach Fällung der hier angefochtenen Entscheidung (vom 13. September 2021) durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärtervom 10. November 2021, AZ 28 Ds 3/21m, in Rechtskraft erwuchs. Mit diesem war er der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zur – für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen – Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten verurteilt worden, weil er (1) Treuhandgelder aufgrund eines Kaufvertrags vom 29. März 2019 verspätet am 4. Juli 2019 ausbezahlt und (2) der Geschädigten keine Information zur Berechnung des Verspätungsschadens erteilt hatte.
[6] Die hier abgeurteilten Taten lagen ebenso vor dieser Verurteilung wie vor sämtlichen der – jeweils durch das in § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verknüpften – verurteilenden Vor‑Erkenntnisse, auf die bereits der Disziplinarrat (zu Recht) Bedacht genommen hat, sodass auch insoweit die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0112524; Ratz in WK² § 31 Rz 5) und auch auf dieses Erkenntnis Bedacht zu nehmen war (RIS-Justiz RS0090964 [va T2]).
[7] Zur Strafbemessung sind im anwaltlichen Disziplinarverfahren die entsprechenden Bestimmungen des Strafgesetzbuches (§§ 32 ff StGB) sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839).
[8] Davon ausgehend sind die vom Disziplinarrat angenommenen Strafzumessungsgründe nicht korrekturbedürftig, wobei dem zutreffend angenommenen Erschwerungsgrund des Zusammentreffens einer Mehrzahl von Delikten (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) unter Berücksichtigung der Taten, die der weiteren Bedachtnahmeverurteilung zugrunde liegen, des langen Deliktszeitraums sowie der hier aktuellen Tatwiederholung erhöhtes Gewicht beizumessen ist.
[9] Bei der Ausmessung der Zusatzstrafe war zudem ins Kalkül zu ziehen, dass es nach gefestigter Standesauffassung zu den grundlegenden Pflichten eines Rechtsanwalts gehört, Treuhandvereinbarungen strikt einzuhalten. Nicht nur Treue, sondern auch Gewissenhaftigkeit zählt zu den Säulen des Vertrauens der rechtsuchenden Bevölkerung. Die Abwicklung von Treuhandschaften ist jenem Zentralbereich anwaltlichen Wirkens zuzuordnen, der geradezu begriffsessentiell und unabdingbar von ungetrübtem allgemeinen Vertrauen in die absolute Verlässlichkeit, Korrektheit und Konsequenz der solcherart qualifiziert erwarteten Wahrnehmung sämtlicher Treugeberinteressen abhängt (26 Ds 6/21p mwN).
[10] Auf dieser Basis kommt mit Blick auf Tatunrecht, Täterschuld und Präventionserfordernisse ein von der Berufung begehrtes Absehen von einer Zusatzstrafe nicht in Betracht. Vielmehr ist – unter Beibehaltung der schon vom Disziplinarrat vorgenommenen Reduktion um drei Monate aufgrund Vorliegens des Milderungsgrundes der überlangen Verfahrensdauer – die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von vier Monaten als Zusatzstrafe angemessen.
[11] Die Gewährung bedingter Strafnachsicht gemäß § 43 Abs 1 StGB folgt bereits aus dem Verschlechterungsverbot (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 43, 47 und 56). Die diesbezügliche Probezeit war erneut mit dem Höchstmaß von drei Jahren zu bestimmen, um beim Beschuldigten einen effektiven Anreiz zu künftigem Wohlverhalten zu erwirken.
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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