European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00094.22Y.0929.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Mit Anklageschrift vom 28. März 2022 (ON 40) legt die Staatsanwaltschaft Graz * S* und * C* – soweit hier relevant – ein von ihr rechtlich als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB subsumiertes Verhalten (1./) zur Last:
[2] Danach sollen sie am 31. Jänner 2022 in G* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter einem anderen mit Gewalt gegen seine Person und unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen haben, indem * S* dem * Sh* mehrere wuchtige Schläge mit einem Baseballschläger gegen den Kopf versetzte, wodurch dieser zu Boden ging, und beide Angeklagte dem Genannten geringe Mengen Cannabiskraut wegnahmen, wobei * Sh*durch die ausgeübte Gewalt schwer verletzt wurde, indem er ein Schädel-Hirn-Trauma, multiple Schädelkalottenfrakturen mit teilweiser Impression, mit Orbitadachfraktur, Pyramidenquerfraktur, Subarachnoidalblutung und Kontusionsblutung sowie ein Subduralhämatom und ein Epiduralhämatom erlitt.
[3] Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil sprach das Landesgericht für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht gemäß § 261 Abs 1 StPO seine sachliche Unzuständigkeit aus, weil hinsichtlich dieser angeklagten Tat der Verdacht naheliege, dass die Angeklagten dadurch das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und somit eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung begangen haben.
Rechtliche Beurteilung
[4] Den dagegen von beiden Angeklagten jeweils aus § 281 Abs 1 Z 6 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
[5] Prüfungsinhalt des Unzuständigkeitsurteils (§ 261 Abs 1 StPO) ist kein Schuldnachweis, sondern ein Anschuldigungsbeweis (RIS‑Justiz RS0098095), welcher dann als erbracht gilt, wenn sich aus dem Anklagevorbringen– allenfalls in Verbindung mit einem in der Hauptverhandlung rechtmäßig vorgekommenen Beweismittel – der naheliegende Verdacht ergibt, der inkriminierte Sachverhalt wäre im Fall eines Schuldspruchs als eine in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallende strafbare Handlung zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0124012). Diese Voraussetzung liegt im Regelfall dann vor, wenn die äußeren Begleitumstände die Annahme eines Tatentschlusses in Richtung Mord nahelegen (vgl RIS‑Justiz RS0098830)
[6] Die Sachverhaltsbasis eines Unzuständigkeits-urteils kann vom Angeklagten nur nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO in Frage gestellt werden (vgl RIS‑Justiz RS0119510; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.158).
[7] Handeln mit bedingtem Vorsatz (dolus eventualis; § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) bedeutet, dass der Täter das verpönte Übel als ein mit seinem Verhalten verbundenes Risiko naheliegend ansieht und in Kauf nimmt; dass er die Tatbestandsverwirklichung darüber hinaus auch positiv bewertet, ist nicht nötig (vgl dazu Reindl‑Krauskopf in WK2 StGB § 5 Rz 36 ff; Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 5 Rz 7 ff; Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4 § 5 Rz 14 ff).
[8] Für die Annahme eines (gemeinsamen) Tötungsvorsatzes ist auch eine darauf bezogene Verabredung der Mittäter vor der Tat nicht erforderlich; es genügt, wenn diese bei der Ausführung der Tat mit spontan entstandenem Vorsatz bewusst und gewollt zusammenwirken (Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 26; RIS‑Justiz RS0106270, RS0090040).
[9] Vorliegend stützte das Schöffengericht das Naheliegen eines (bedingten) Tötungsvorsatzes auf das – ua aus Bekundungen der Angeklagten, der Beschaffenheit der zum Einsatz gebrachten Waffe sowie aus dem beim Opfer eingetretenen Verletzungsbild abgeleitete – äußere Tatgeschehen (hier: mehrfache wuchtige Schläge mit einem Aluminium-Baseballschläger auf den Kopf des * Sh*, welche zu den oben beschriebenen Verletzungen führten). Als im Einklang dazu stehend wurden das Zugeständnis des Angeklagten S*, dass Schläge mit einem Baseballschläger auf den Kopf eines Menschen auch zu dessen Tod führen können (ON 14, 4; ON 74 S 6), sowie die Verantwortung des Angeklagten C* (ON 74 S 10) eingestuft, wonach es Tatplan gewesen sei, dem Opfer – mit der Zielsetzung der Herbeiführung dessen Bewusstlosigkeit – von hinten einen Schlag auf den Kopf zu versetzen (US 4 f).
1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:
[10] Soweit sich der Angeklagte durch die (im Indikativ formulierten) Verdachtsannahmen zum objektiven Tathergang (US 2 ff) als im Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) verletzt erachtet, spricht er kein aus der Z 6 beachtliches Urteilsdefizit an.
[11] Es bildet auch keinen Widerspruch (Z 6 iVm Z 5 dritter Fall; vgl insofern RIS‑Justiz RS0099651, RS0099548), den Tatplan als dahingehend vereinbart anzunehmen, dass der Angeklagte C* den * Sh* ablenken, während der Angeklagte S* das Opfer mit dem Baseballschläger niederschlagen sollte, damit man dem Bewusstlosen Cannabiskraut abnehmen könne (US 3), und auf Basis der plangemäßen Durchführung dieses Vorhabens, bei welcher der Angeklagte S* (zumindest) drei‑ bis viermal zuschlug (US 3 und 4), das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes für naheliegend zu erachten (US 5).
[12] Unter bloß eigener Behauptung einer ausschließlich auf die Bewusstlosigkeit des Opfers gerichteten Absicht und mit der Kritik, die aus dem äußeren Geschehen abgeleiteten Schlussfolgerungen seien „unzulässig“ und daher unzureichend begründet (Z 6 iVm Z 5 vierter Fall) geblieben (vgl aber RIS‑Justiz RS0098671), zumal die im Urteil erörterte Einlassung des Angeklagten S* (US 4 f) bloß eine „nachträgliche Einschätzung in Kenntnis der lebensbedrohlichen Verletzungen des Opfers“ darstelle, wird der für wahrscheinlich gehaltene Sachverhalt nur beweiswürdigend in Frage gestellt (RIS‑Justiz RS0119510).
[13] Passagen der Verantwortung des Angeklagten S*, wonach er „erst im Nachhinein“ „nachgedacht“ habe, das Opfer „nur bewusstlos schlagen“ „wollte“ (ON 74 S 6), es ihm „leid“ tue, „was da passiert ist“, „nicht geplant“ gewesen sei, dass das Opfer „so schwer verletzt wird“, und er nicht „wollte“, „dass das so endet“ (ON 11.8, 7), * Sh* „einfach nicht umgefallen“ sei, weshalb er „immer wieder zugeschlagen“ habe (ON 11.8, 6), stehen der Verdachtsannahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ebenso wenig erörterungsbedürftig (Z 6 iVm Z 5 zweiter Fall) entgegen wie der (unter Berufung auf das Gutachten Prim. Dr. R* [ON 57] sowie die Angaben der Zeugen Sh* und D* [ON 74 S 16 f und S 18 ff] erstattete) Hinweis darauf, dass das Opfer unmittelbar nach der Tat noch ansprechbar war (und erst im Rahmen der medizinischen Behandlung in den künstlichen Tiefschlaf versetzt wurde; vgl US 4).
2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten C*:
[14] Der Beschwerdeauffassung zuwider ist der Schluss vom äußeren – seitens der Angeklagten zugestandenen – Geschehensablauf auf deren innere Intention methodisch (Z 6 iVm Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (abermals RIS‑Justiz RS0098671).
[15] Den – die sachliche Unzuständigkeit des Schöffengerichts fundierenden – Verdachtsannahmen stehen auch die Depositionen der Angeklagten, wonach nur „ein Schlag“ geplant gewesen sei (ON 74 S 5 und 10), sowie jene des Angeklagten S*, „das Ganze“ sei „aus dem Ruder […] gelaufen, weil das Opfer nach dem ersten Schlag nicht so wie geplant umgekippt ist“, weshalb er „noch einmal zugeschlagen“ habe (ON 14, 4), nicht erörterungsbedürftig (Z 6 iVm Z 5 zweiter Fall) entgegen.
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)