European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00077.22P.0927.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – M* und * Ml* gemäß § 259 Z 3 StPO von der wider sie erhobenen Anklage (ON 105) freigesprochen, es hätten in W*
I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verurteilten * G* und teils mit weiteren Personen als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen
1./ mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) sowie unter Verwendung einer Waffe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt, und zwar
A./ M* am 28. Februar 2020 * R* einen Möbeltresor mit Goldmünzen im Wert von 15.000 Euro und 200 Euro Bargeld, indem sie in die Wohnung des Opfers eindrangen und M* diesem mit einem Brecheisen einen Schlag gegen den Kopf versetzte und sie den Tresor samt Inhalt an sich nahmen;
B./ M* und Ml* am 28. April 2020 * Ma* und * Gl* Bargeld, Schmuck, Uhren und einen Revolver im Gesamtwert von 310.277 Euro, indem M* und G* ein Fenster einschlugen und sich Zutritt in die Wohnung der Opfer verschafften, G* Ma* fesselte und M* ihn unter Vorhalt einer Schusswaffe zur Übergabe von Bargeld und Wertgegenständen und der Öffnung des Safes nötigte, während G* Gl* im Schlafzimmer bewachte und Wertgenstände aus dem Tresor an sich nahm, während Ml* vor dem Haus Aufpasserdienste leistete;
2./ gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung durch Einbruch in ein Geschäftslokal, ein Büro oder eine Werkstätte, indem sie Türen oder Fenster gewaltsam aufbrachen, um sich Zutritt zu verschaffen und Wertgegenstände an sich zu nehmen,
A./ weggenommen, und zwar
a./ M* und Ml* am 21. Mai 2020
i./ Rechtsanwalt MMag. P* Bargeld und eine Armbanduhr im Gesamtwert von 7.706,80 Euro (Faktum 55; I./2./A./a./ii./ der Anklageschrift);
ii./ Verfügungsberechtigten der N* * GmbH 110 Euro Bargeld (Faktum 56; I./2./A./a./iii./ der Anklageschrift);
iii./ Verfügungsberechtigten des Antiquariats L* 266,02 Euro Bargeld (Faktum 57; I./2./A./a./iv./ der Anklageschrift);
b./ M* am 13. Juli 2019 (vgl jedoch US 6: 13. Juli 2020) Verfügungsberechtigten der C* GmbH eine Fotoausrüstung im Gesamtwert von 21.500 Euro (Faktum 52; I./2./A./b./i./ der Anklageschrift);
c./ Ml*
i./ am 14. März 2020 Verfügungsberechtigten des Antiquariats J* Schmuck und Münzen im Gesamtwert von 36.350 Euro (Faktum 40; I./2./A./a./i./ der Anklageschrift);
ii./ am 13. August 2019 (vgl jedoch US 6: 14. August 2019) Verfügungsberechtigten der B* GmbH 800 Euro Bargeld, Werkzeug und ein Fahrrad (Faktum 36; I./2./A./c./i./ der Anklageschrift);
iii./ am 14. August 2019 Verfügungsberechtigten der BC* Feuerzeuge in einem noch festzustellenden Wert (Faktum 26; I./2./A./c./ii./ der Anklageschrift);
iv./ am 26. September 2019 Verfügungs-berechtigten des Theaters Me* 300 Euro Bargeld (Faktum 42; I./2./A./c./iii./ der Anklageschrift);
v./ am 24. August 2020 * S* 700 Euro Bargeld, Schmuck und einen Laptop (Faktum 41; I./2./A./c./iv./ der Anklageschrift);
II./ Ml*
1./ am 14. Oktober 2020 den abgesondert verfolgten G* durch die mehrfache Aufforderung (ab dem Jahr 2019), dieser möge in die Wohnung des * E* einbrechen und Wertgegenstände stehlen, wobei er es für möglich hielt, dass G* in der Wohnung auf das anwesende Opfer trifft und die Wegnahme der Wertgegenstände unter Anwendung von Gewalt gegen das Opfer und unter Verwendung einer Waffe erfolgen werde, dazu bestimmt, mit Gewalt E* Wertgegenstände mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen, wobei G* und sein Mittäter * Ne* dem Opfer mehrfache Schläge mit den Fäusten und einem Brecheisen gegen den Kopf versetzten und E* durch die ausgeübte Gewalt schwer am Körper verletzt wurde;
2./ zu noch festzustellenden Zeitpunkten, indem er den Hinweis auf stehlenswerte Wertgegenstände in den Geschäftslokalen der Geschädigten gab, zur Ausführung der strafbaren Handlung von G* und M* beigetragen, die fremde bewegliche Sachen durch Einbruch in ein Geschäftslokal wegnahmen bzw wegzunehmen versuchten, und zwar
a./ am 8. März 2020 Verfügungsberechtigten des Unternehmens F*;
b./ am 20. Februar 2020 Verfügungsberechtigten der Li* GmbH und der m* e.U. 1.262 Euro Bargeld und Wertgegenstände im Wert von 9.400 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.
Zu den Freisprüchen traf das Schöffengericht folgende Negativfeststellungen (US 13):
„Nicht festgestellt werden konnte, dass der Erstangeklagte (M*) an weiteren auch von * G* begangenen Einbruchsdiebstählen oder Raubüberfällen teilnahm. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Zweitangeklagte (Ml*) an den auch von * G* begangenen Raubüberfällen oder Einbruchsdiebstählen persönlich durch unmittelbare Teilnahme oder Aufpasserdienste mitwirkte. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass der Zweitangeklagte dem * G* Hinweise auf lohnende Einbruchs- oder Überfallziele mit der auf die Begehung solcher strafbaren Handlungen gerichteter Intention gab.“
[3] Davon ausgehend traf das Erstgericht zu weiteren Tatbildmerkmalen und zur subjektiven Tatseite keine Feststellungen.
[4] Begründend führten die Tatrichter im Wesentlichen aus, der Zeuge G* habe für die „geschilderten weiteren Beteiligungen des Erstangeklagten (M*) sowie die vom Zeugen dargestellten Mitwirkungen des Zweitangeklagten (Ml*)“ nicht „die für das Strafverfahren gebotene Sicherheit“ geboten. Es könne eine „Verwechslung von Tatbeteiligten, sohin deren irrtümliche Zuordnung zu einzelnen Delikten, nicht ausgeschlossen“ werden und seien dem Zeugen derartige Irrtümer auch tatsächlich unterlaufen. Daher seien „die Erinnerungen des Zeugen eben doch nicht absolut zuverlässig“. DNA-Treffern auf Tatwerkzeugen komme nur „untergeordnete Bedeutung“ zu, weil diese „Kontaminierung“ auch bei „vorangegangenen gemeinsamen Einbrüchen“ erfolgt sein könne. Aus dem Chat-Verlauf zwischen dem Zeugen G* und Ml* sei „alles konstruierbar“, ein „unmittelbarer Bezug … zum Faktum D*“ lasse sich aber „nicht herstellen“. Das Überwachungsfoto zum „Faktum Ma*“ habe keine ausreichende Qualität, um „eine Identifizierung des Zweitangeklagten durch unbeteiligte Dritte“ zu ermöglichen und der auf Fotografien abgebildete Schmuck sei nur „nahezu ident“ mit dem gestohlenen (US 13 ff).
[5] Gründet das Gericht – wie hier – den Freispruch auf die Verneinung der Täterschaft des Angeklagten im Zweifel zu dessen Gunsten, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel (Z 5) bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung der Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen. Fehlen die dafür nötigen Indizien, bedarf es der Geltendmachung darauf bezogener Anträge aus Z 4 (RIS‑Justiz RS0127315, RS0118580 [insb T17, T20]).
Diesen Kriterien wird die Rüge nicht gerecht, weil sie es unterlässt, zu den zur Erfüllung der Tatbestände der §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1, § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster und zweiter Fall) StGB (hinsichtlich Ml* teils in Bezug auf die Täterschaftsform des § 12 dritter Fall StGB) und des § 142 Abs 1, § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (hinsichtlich Ml* in Bezug auf die Täterschaftsformen des § 12 zweiter und dritter Fall StGB) jeweils erforderlichen (weiteren) objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen einen Feststellungsmangel prozessordnungsgemäß geltend zu machen (vgl erneut RIS‑Justiz RS0118580; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 600; Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeits-beschwerde und Berufung5 S 80 f [insb 12.a, c, d]).
[6] Das pauschale Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), „aufgrund der in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweisergebnisse“ wären (verkürzt dargestellt) zu I./1./, I./2./ und II./2./ die objektiven Tatbestandsmerkmale, der darauf bezogene sowie der erweiterte Vorsatz der Angeklagten und zu II./1./ der Vorsatz des Angeklagten Ml* zur Bestimmungshandlung „festzustellen gewesen“, genügt diesen Anforderungen nicht.
[7] Eine Erörterung der Mängelrüge (Z 5), die sich (nur) gegen die konstatierte Verneinung der Täterschaft der Angeklagten in objektiver Hinsicht richtet und solcherart keine entscheidenden Tatsachen anspricht, erübrigt sich damit (RIS‑Justiz RS0130509, RS0117499).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen. Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Eine Kostenentscheidung hat gemäß § 390a Abs 1 erster Satz zweiter Halbsatz StPO zu unterbleiben.
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