European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00138.22S.0927.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.568,42 EUR (darin enthalten 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die beklagte Buchmacherin betreibt ein von der Oberösterreichischen Landesregierung bewilligtes Wettunternehmen.
[2] Am 24. 11. 2019 besuchte der Kläger ein Wettcafé der Beklagten, setzte in vier identen Kombiwetten insgesamt 1.300 EUR und gewann dabei 12.634,79 EUR.
[3] Am 15. 12. 2019 setzte der Kläger sechs (nahezu idente) Kombiwetten auf vier Sportereignisse. Um das Wettlimit zu umgehen, gab er seine Wetten innerhalb weniger Minuten auf unterschiedlichen Wettterminals mit einem Wetteinsatz von jeweils 400 EUR auf.
[4] Das Computersystem der Beklagten meldete Auffälligkeiten bei den Wetten des Klägers vom 15. 12. 2019. Bei der anschließenden Kontrolle fiel einer Mitarbeiterin die Umgehung des Wettlimits auf. Ein Verdacht, dass der Kläger mit fremdem Geld gespielt oder Wetten manipuliert hätte, ergab sich nicht.
[5] Die Beklagte verweigerte die Auszahlung des Gewinns in Höhe von 25.977,42 EUR und erstattete dem Kläger den Gesamteinsatz der sechs Wetten in Höhe von 2.400 EUR (6 x 400 EUR) zurück.
[6] Der Kläger begehrt die Zahlung von 23.577,42 EUR sA (Wettgewinn abzüglich Einsatz aus den Wetten vom 15. 12. 2019) und bringt zusammengefasst vor, die Beklagte verweigere rechtswidrig die Auszahlung der Gewinne unter Berufung auf ihre § 6 Abs 1 Z 11 und Abs 2 Z 1 KSchG widersprechenden AGB. Die Klausel 10.1 räume ein Stornierungsrecht bereits bei Äußerung eines Manipulationsverdachts ein, belaste damit den Wettkunden mit dem Beweis der Nichtmanipulation und sehe im Ergebnis ein Rücktrittsrecht ohne sachliche Rechtfertigung vor. Analoges gelte für das Rücktrittsrecht beim Verdacht auf Fremdgeldeinsatz in der AGB-Klausel 10.2. Beide Bestimmungen seien überdies intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) und in ihrer konkreten Ausprägung überraschend (§ 864a ABGB). Seine Erfolgsquote sei darauf zurückzuführen, dass er ausschließlich auf Basketballspiele wette und die internationalen Ligen aufmerksam verfolge. Sein Lebensunterhalt sei durch sein Wettverhalten nicht gefährdet, er habe keine Spielschulden. Auch mit fremdem Geld habe er nicht gewettet.
[7] Die Beklagte wendet ein, es liege der Verdacht nahe, dass der Kläger, der auch seine Mitwirkung an der Aufklärung verweigert habe, mit fremdem Geld gespielt und somit gegen Punkt 10.2 der AGB verstoßen habe. Da er innerhalb einer Zeitspanne von 11 Minuten sechs gleiche bzw auffällig ähnliche Kombiwetten mit gleich hohem Einsatz abgegeben habe, liege auch der Verdacht einer Manipulation gemäß Punkt 10.1 der AGB vor. Die Beklagte habe daher zu Recht von ihrem Stornierungsrecht Gebrauch gemacht. Der Kläger sei Berufswetter, sodass die Bestimmungen des KSchG auf ihn keine Anwendung fänden. Die Klauseln 10.1 und 10.2 der AGB sähen auch keine Beweislastumkehr oder ein Rücktrittsrecht ohne sachliche Rechtfertigung vor, bleibe doch die Beklagte dafür beweispflichtig, dass ein begründeter Verdacht für eine Wettteilnahme mit fremdem Geld oder Manipulation vorliege. Bei einer derartigen Verdachtslage sei der Rücktritt aber auch sachlich gerechtfertigt. Die Klauseln seien weder gröblich benachteiligend noch intransparent oder überraschend. Die Wetten seien in der Begegnung und der Wettquote übereinstimmend und überstiegen bei Zusammenrechnung das Wettlimit, weshalb die Beklagte die Auszahlung der Gewinne auch in Übereinstimmung mit § 7 Oö Wettgesetz verweigere. Bei bloßer Teilnichtigkeit wären auch die Wetten vom 24. 11. 2019 teilnichtig und habe der Kläger die ausbezahlten Gewinne über 12.634,79 EUR zurückzuzahlen. Dieser Betrag werde daher aufrechnungsweise eingewendet.
[8] Das Erstgerichtsprach aus, (1.) die Klageforderung bestehe mit 7.870,86 EUR (2.) die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht und (3.) wies das Klagebegehren ab. § 9 Z 4 Oö Wettgesetz begrenze den Wetteinsatz pro gleicher Wette. Bei vier bzw zwei der am 15. 12. 2019 getippten Wettpaarungen handle es sich im Hinblick auf die Wettart um jeweils eine gleiche Wette, sodass das in § 9 Z 4 Oö Wettgesetz normierte Limit überschritten sei. Auch am 24. 11. 2019 habe der Kläger vier idente Wetten platziert und dadurch das Einsatzlimit umgangen. Der Schutzzweck der Norm (Schutz des Wettkunden sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) erfordere eine absolute Nichtigkeit des Geschäfts. Da ein Einsatz bis 500 EUR aber zulässig sei, seien bloß die darüber hinausgehenden Wetten nichtig. Aus den beiden Wettpaarungen am 15. 12. 2019 stünde dem Kläger daher ein Gewinn in Höhe von insgesamt 7.870,86 EUR zu. Der aufgrund der (teil‑)nichtigen Wetten am 24. 11. 2019 ausbezahlte, von der Beklagten rückforderbare Gewinn abzüglich des darauf entfallenden Einsatzes übersteige allerdings die Klageforderung.
[9] Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und schloss sich im Wesentlichen dessen Rechtsausführungen an. In Anbetracht des von § 9 Z 4 Oö Wettgesetz (primär) intendierten Schutzes des Wettkunden seien auch mehrere, im Einzelnen 500 EUR nicht übersteigende, idente Wetten verboten, wenn das Limit bezogen auf die identen Wetten insgesamt überschritten werde. § 9 Z 4 Oö Wettgesetz sei überdies eine Verbotsnorm im öffentlichen Interesse, weil Wettsucht und existenzgefährdendes Wettverhalten auch negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Staat hätten(Kosten für Beratung und Behandlung von Wettsucht, Arbeitsausfälle, Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz, Zahlungsunfähigkeit, Beschaffungskriminalität etc). Der Verbotszweck führe daher zur absoluten Nichtigkeit der Wetten, soweit diese das Wettlimit überschritten hätten und erfordere auch deren bereicherungsrechtliche Rückabwicklung, um Wettkunden nicht zur Fortführung ihres Spielverhaltens zu ermutigen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob „ein Verstoß gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz eine absolute Nichtigkeit der Wette sowie einen Entfall des darauf entfallenden Wettgewinns und ein Recht auf Rückforderung“ zur Folge habe.
[10] Gegen dieses Urteil richtet sich die ordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, seiner Klage stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig,aber nicht berechtigt.
[13] Der Kläger argumentiert, idente Mehrfachwetten seien sowohl nach dem Gesetz als auch nach den AGB der Beklagten zulässig. Das Gesetz verpöne – wie ein Blick auf §§ 7, 8 Oö Wettgesetz zeige – zusammenhängende Vorgänge nicht, solange sie nicht der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung dienten. Es solle unabhängig vom Wettereignis lediglich der Einsatz pro Wettabschluss limitiert werden, um bei den dadurch „erzwungenen Mehrfachwetten“ sowohl das Instrumentarium zur Vermeidung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung als auch der von der Beklagten wahrzunehmenden Suchtprävention in Gang zu setzen. Auf eine Risikostreuung komme es dagegen nicht an. Mangels Verstoßes der einzelnen Wettabschlüsse gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz stelle sich die Frage nach der Nichtigkeit der Wettverträge nicht. Das Verbot richte sich ohnehin ausschließlich an die Beklagte und diene lediglich dem Schutz des Wettkunden. Die Beklagte könne sich folglich nicht auf das Verbot berufen. Allgemeininteressen seien nicht betroffen. In anderen Bundesländern seien Wettabschlüsse mit einem 500 EUR übersteigenden Einsatz nicht verboten. Daher könne auch das in Oberösterreich geltende Verbot nicht zur absoluten Nichtigkeit des Wettvertrags führen. Eine Rückabwicklung habe selbst bei absoluter Nichtigkeit nicht stattzufinden, weil die Beklagte Mehrfachwetten angeboten und keine Vorkehrungen getroffen habe, solche zu verhindern. Eine Rückabwicklung würde den bezweckten Schutz des Wettkunden aushöhlen.
Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
[14] 1. Nach der Entscheidung des verstärkten Senats zu 1 Ob 107/98m sind Buchmacherwetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, die aufgrund einer Bewilligung der Landesregierung zur gewerbsmäßigen Vermittlung derartiger Wetten abgeschlossen werden, „Staatslotterien“ iSd § 1274 ABGB. Demnach ist die Wettschuld eines solchen Buchmachers jedenfalls dann klagbar, wenn sein Vertragspartner den Wettpreis tatsächlich entrichtet oder hinterlegt hat. Unklagbar ist dagegen der von einem solchen Buchmacher kreditierte Wettpreis, wenn der Vertragspartner die Wette verloren hat (RS0111136).
[15] 2. Dass sich die Beklagte schon mangels festgestellten Manipulationsverdachts bzw Verdachts des Spielens mit fremdem Geld zur Verweigerung der Gewinnauszahlung nicht auf Punkt 10.1 und 10.2 ihrer AGB stützen kann, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Auf die Wirksamkeit dieser Klauseln muss daher nicht eingegangen werden.
[16] 3. Sportwetten fallen gemäß Art 15 Abs 1 B‑VG in Gesetzgebung und Vollziehung in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder (vgl RS0111137 = 1 Ob 107/98m).
4. § 9 Oö Wettgesetz („Verbotene Wetten“) lautet:
„ Wettunternehmen dürfen Wetten auf folgende Ereignisse nicht anbieten, abschließen oder vermitteln:
1. die auf die Tötung oder Verletzung von Menschen oder Tieren abzielen, oder
2. die nach allgemeinem sittlichen Empfinden die Menschenwürde gröblich verletzt, oder
3. durch die Menschen auf Grund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der ethnischen Zugehörigkeit, des religiösen Bekenntnisses, des Alters oder einer Behinderung herabgesetzt werden, oder
4. Wetten mit einem Wetteinsatz von über 500 Euro, oder
5. Live-Wetten, ausgenommen Sportwetten auf ein (numerisches) Zwischen- oder Endergebnis oder eines davon abgeleiteten Ergebnisses oder welche Person bzw. welche Mannschaft als nächste ihren Wertungsstand verbessert (zB das nächste Tor oder den nächsten Punkt erzielt).“
[17] 5. § 9 Z 4 Oö Wettgesetz wurde durch LGBl Nr 41/2018 eingefügt. Ziel der Novelle war – neben der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung sowie der Übernahme der im Glücksspielbereich des Bundes bestehenden Möglichkeiten, die Identifikation der Kundinnen und Kunden durch biometrische Erkennungsverfahren sicherzustellen – strengere Bestimmungen zum Schutz der Wettkunden zu schaffen (ErläutRV 564/2017 Blg Oö Landtag 28. GP 1).
Dementsprechend halten die Materialien zu § 9 Z 4 Oö Wettgesetz (ErläutRV 564/2017 Blg Oö Landtag 28. GP 5) explizit Folgendes fest:
„Zum Schutz der Wettkundinnen und Wettkunden werden weitere Tatbestände für verbotene Wetten eingeführt.“
6. Geltung des Wettlimits pro Wettabschluss oder pro „einheitlicher Wette“
[18] 6.1 Unter „Wette“ ist gemäß der Legaldefinition des § 2 Z 5 Oö Wettgesetz eine Preisvereinbarung zwischen Wettanbieter und Wetthalter über den Ausgang eines zum Zeitpunkt des Wettabschlusses in der Zukunft liegenden Ereignisses zu verstehen. § 9 Z 4 Oö Wettgesetz ordnet daher nach seinem bloßen Wortlaut – wie auch der vom Kläger ins Treffen geführte § 8 Abs 1 Z 2 Nö Wettgesetz – eine Begrenzung des Wetteinsatzes lediglich für den jeweiligen Wettabschluss, also den einzelnen Wettvertrag an.
[19] Damit ist aber noch nichts für die Frage gewonnen, ob der Schutzzweck eine analoge Anwendung auf idente bzw gleichartige Wettabschlüsse verlangt, die erst insgesamt das Wetteinsatzlimit überschreiten. Dass jeweils zwei bzw vier der vom Kläger platzierten sechs Kombiwetten (Wettabschlüsse) aufgrund der Wettart im Ergebnis als idente Wettabschlüsse zu werten sind, zieht die Revision nicht in Zweifel, sondern argumentiert lediglich, es komme nur auf die Einhaltung des Wettlimits pro Wettabschluss an.
[20] 6.2 Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus, das heißt also, dass der Rechtsfall nach dem Gesetz nicht beurteilt werden kann, jedoch von Rechts wegen einer Beurteilung bedarf. Es muss also eine „planwidrige Unvollständigkeit“, das heißt, eine nicht gewollte Lücke, vorliegen (RS0098756).
[21] Wie schon die Vorinstanzen zutreffend aufzeigen, folgt aus dem – auch vom Kläger grundsätzlich nicht in Abrede gestellten – Schutzzweck der Norm, den Wettkunden vor übermäßigen Wetteinsätzen und dem damit verbundenen Verlustrisiko zu schützen, dass nicht nur der Wetteinsatz pro Wettabschluss (Wettvertrag) begrenzt ist. Vielmehr ist auch der Wetteinsatz pro „einheitlicher Wette“ mit 500 EUR zu limitieren, mag diese auch in mehrere Wettabschlüsse aufgeteilt werden. Nur so kann zumindest auch eine gewisse Risikostreuung erreicht werden. Entgegen der Argumentation der Revision wird der Wettkunde zur Streuung des Risikos so nicht zum Abschluss anderer, allenfalls riskanterer Wetten gezwungen. Vielmehr geht es darum, ein übermäßiges, bloß mit dem Ausgang eines einzigen Ereignisses verbundenes Verlustrisiko zu begrenzen, mag der Wettkunde den Erfolg – sei es aufgrund seiner Erfahrung oder der Wettquote – auch für relativ gewiss halten.
[22] Weshalb die Limitierung des Wetteinsatzes pro Wettabschluss lediglich ein weiteres Kriterium zur Ingangsetzung der Kontrollmechanismen zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung darstellen soll, ist schon im Hinblick auf den von der Norm bezweckten Schutz des Wettkunden nicht nachvollziehbar. Auch wenn § 7 Oö Wettgesetz Regelungen zur Suchtprävention und Prüfung existenzgefährdenden Wettverhaltens enthält, ist daraus – entgegen der Ansicht des Klägers – nicht abzuleiten, das Wettlimit solle lediglich diese Mechanismen in Gang setzen, enthält doch die Bestimmung ohnehin eigene, teils noch niederschwelligere Kriterien zur Ingangsetzung des vorgesehenen Instrumentariums.
[23] Die als „einheitliche Wette“ zu wertenden, insgesamt das Wettlimit überschreitenden Wettverträge verstoßen daher gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz.
7. Nichtigkeit
[24] 7.1 Ordnet das Gesetz nicht ausdrücklich an, dass ihm widersprechende Geschäfte nichtig sein sollen, so ist entscheidend, ob der Verbotszweck die Ungültigkeit verlangt oder ob sich die verletzte Norm mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen, etwa mit einer Bestrafung, begnügt. In der Regel sind Rechtsgeschäfte gültig, wenn sich das Verbot nur an einen der beiden Vertragspartner richtet (RS0016840). Entscheidend ist, ob der Zweck des Verbotsgesetzes die Nichtigkeit verlangt (RS0016837).
[25] 7.2 Auch ob ein Vertrag absolut oder relativ nichtig ist, hängt vom Zweck des verletzten Verbotsgesetzes ab. Der Vertrag ist absolut unwirksam, wenn die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks sonst gefährdet wäre (RS0016417 [T13]). Der Zweck einer Verbotsnorm, die im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde, erfordert die absolute Nichtigkeit eines gegen das Verbot geschlossenen Geschäfts (RS0016843). Bei einer absoluten Nichtigkeit sind die Rechtswirkungen von Amts wegen aufzugreifen. In einem solchen Fall genügt es, wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt aufgezeigt wird und unter Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit dem Fehlen jeglichen Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der Leistung das Klagebegehren begründet wird (RS0116900).
[26] Ist hingegen lediglich eine zu Gunsten eines bestimmten Personenkreises getroffene Schutznorm verletzt, ist die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 879 Abs 1 ABGB nicht von Amts wegen zu beachten (RS0016435). Es ist vielmehr dem durch das Verbot Geschützten überlassen, sich auf die aus dem Verbot resultierende Nichtigkeit des Geschäfts zu berufen. Es steht ihm aber auch frei, das Geschäft gegen sich gelten zu lassen (RS0024945). Auf die Verbotsnorm können sich daher nur die vom Regelungszweck erfassten Personen, nicht aber dessen Vertragspartner berufen (RS0024945 [T1]; Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 879 ABGB Rz 28).
[27] 7.3 Darüber, ob die Nichtigkeit eines Teils das Ganze ergreift oder nicht, entscheidet – anders als nach § 878, zweiter Satz ABGB – nicht Natur und Zweck des Vertrags bzw der Parteiwille, sondern ebenfalls Natur und Zweck des Verbots (RS0016431).
[28] 7.4 Die Nichtigkeit eines Vertrags führt aber nicht nur dazu, dass der Kläger mangels Rechtsgrundes den Gewinn nicht fordern kann, sondern auch dazu, dass die Causa für eine bereits erfolgte Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 877 ABGB führt – zumindest sofern sich nicht ausnahmsweise aus dem Verbotszweck die Unzulässigkeit der Kondiktion ergibt. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen aus einem gemäß § 879 ABGB nichtigen Rechtsgeschäft ist nämlich auf den Zweck der verletzten Norm, die die Ungültigkeit des Geschäfts bewirkt, Bedacht zu nehmen. Will das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu missbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch. Ob das aufgrund eines nichtigen Vertrags Erhaltene zurückzugeben ist, entscheidet daher der Zweck der verletzten Norm (3 Ob 197/21y Rz 15 mwN).
[29] 7.5 Nach der Rechtsprechung sind Verträge, die zur Durchführung eines verbotenen Glücksspiels abgeschlossen werden, nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB (6 Ob 229/21a Rz 21; vgl 3 Ob 197/21y Rz 13; 3 Ob 44/22z Rz 14 [„absolut nichtig“]). Es entsteht nicht einmal eine Naturalobligation (RS0102178 [T6]). Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (6 Ob 124/16b; RS0025607 [T1]). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können. Dass dies grundsätzlich auch für verbotene Wetten gilt, zieht die Revision nicht in Zweifel.
[30] 7.6 Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger aber nicht unter Berufung auf die Nichtigkeit der Wettverträge die – ihm ohnehin bereits rückerstatteten – Einsätze, sondern die Auszahlung des Gewinns aus den gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verstoßenden Wetten. Es stellt sich daher die Frage, ob sich nur der Wettkunde oder auch der Wettanbieter auf die Nichtigkeit berufen kann, also absolute Nichtigkeit vorliegt.
[31] Dass in den in § 9 Z 1 bis 3 Oö Wettgesetz normierten Fällen aufgrund des verpönten Wettinhalts absolute Nichtigkeit einzutreten hat, weil die Gültigkeit den Verbotszweck vereiteln würde, ist selbstverständlich (vgl auch Stefula in Klang³ §§ 1270–1272 ABGB Rz 36).
[32] § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verpönt aber nicht einen bestimmten Wettinhalt, sondern bloß Wetten mit einem Wetteinsatz, der eine bestimmte Höhe überschreitet. Sieht man den Normzweck lediglich darin, übermäßige Vermögensnachteile des Wettkunden zu verhindern, wäre lediglich von relativer Nichtigkeit auszugehen. Allerdings ist aus dem Verbot auch abzuleiten, dass sich der Landesgesetzgeber gegen übermäßige Wetten als solche wendet und überhaupt der Anreiz, an verbotenen Wetten teilzunehmen, möglichst gering gehalten werden soll. Um nicht eine risikolose Teilnahme des Wettkunden an nach § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verbotenen Wetten zu ermöglichen und damit einen generell gerade nicht intendierten Wettanreiz zu geben, entspricht – unabhängig von mit dem Verbot auch mitverfolgten Allgemeininteressen – die absolute Nichtigkeit dem Verbotszweck des § 9 Z 4 Oö Wettgesetz (vgl Kletečka, Glücksspielmonopol und Rückforderungsansprüche, ecolex 2013, 17).
[33] Der Kläger kann daher aufgrund der absoluten Teilnichtigkeit der Wettverträge den Gewinn aus den Wetten vom 15. 12. 2019 nicht einfordern, soweit diese gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verstoßen. Gesamtnichtigkeit erfordert der Verbotszweck nicht.
[34] 7.7 Um keinen Anreiz zur Teilnahme an verbotenen Wetten zu geben, ist aber auch eine Rückabwicklung durch Rückzahlung des bereits ausbezahlten Gewinns vorzunehmen. Bliebe der Verstoß für den Wettkunden ohne Konsequenz, würde damit das Wettverhalten, das die Norm gerade verhindern will, noch gefördert, weil der Wettkunde bei Wettverlust schlicht seinen Einsatz zurückfordern könnte und bei Wettgewinn einen ausbezahlten Erlös nicht herausgeben müsste.
[35] Der Revision kommt daher keine Berechtigung zu.
[36] 8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 ZPO.
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