European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00071.22H.0927.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 84 Abs 4 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 5. November 2021 in der Justizanstalt * versucht, den * Ar* schwer am Körper zu verletzen, indem er diesem mit einer Glasflasche einen Schlag auf den Hinterkopf versetzte und sodann mit der abgebrochenen Glasflasche einen gezielten wuchtigen Wurf in Richtung des Genannten ausführte, wodurch Ar* eine oberflächliche Quetschrissverletzung am rechten oberen Hinterkopf und eine oberflächliche Schnittverletzung im rechten Oberbauchbereich erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Unmittelbar nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung erklärte der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem anwesenden Verteidiger (vgl nämlich § 57 Abs 2 letzter Satz StPO), „dass er das Urteil, obwohl er unschuldig ist, nicht bekämpfen möchte“. Danach meldete der Verteidiger mit dem Hinweis, dass „er [vom Angeklagten] ständig widersprüchliche Angaben [bekomme] und ein klares Rechtsmittelerklären zu erlangen nicht möglich“ sei, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Im Anschluss daran erklärte der Angeklagte (erneut) explizit, „dass er das Urteil nicht bekämpfen möchte …“ (Hv‑Protokoll ON 38 S 30).
[4] Die ausdrückliche Erklärung des Angeklagten stellt – ihrem unmissverständlichen Inhalt nach – einen rechtswirksam erklärten und daher unwiderruflichen (RIS‑Justiz RS0099945) Verzicht auf die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung dar (RIS‑Justiz RS0096679; Ratz, WK‑StPO § 284 Rz 8 f).
[5] Denn bei wie hier widersprechenden Erklärungen des Angeklagten und seines Verteidigers gilt grundsätzlich jene des Angeklagten (§ 57 Abs 2 zweiter Satz StPO). Anhaltspunkte für eine – auch nicht behauptete – vor Abgabe des Rechtsmittelverzichts eingetretene prozessuale Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten ergeben sich nicht (RIS‑Justiz RS0116751 [T5]).
[6] Seine (dennoch ausgeführten) Rechtsmittel wurden somit von einer Person eingebracht, die auf sie verzichtet hat (§ 285a Z 1 StPO und § 294 Abs 4 StPO).
[7] Im Übrigen wäre die (allein) auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde auch inhaltlich nicht berechtigt. Denn der der Verfahrensrüge zugrunde liegende Antrag auf „Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Psychiatrie zum Beweis dafür, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt aufgrund seiner psychischen Erkrankung weder diskretions- noch dispositionsfähig war oder aber zumindest in diesen Fähigkeiten, also Diskretions- und Dispositionsfähigkeit, stark eingeschränkt war“ (ON 38 S 26), legte nicht dar, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis hätte erwarten lassen und war solcherart bloß auf unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327, 330).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung (RIS‑Justiz RS0100042) des Angeklagten waren daher – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 1 StPO und § 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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