OGH 4Ob118/22i

OGH4Ob118/22i23.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka, Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*, vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. S*, vertreten durch Dr. Roland Garstenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 8.008 EUR sA und Feststellung, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. April 2022, GZ 53 R 31/22y‑37, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Dezember 2021, GZ 26 C 412/20x‑33, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00118.22I.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 501,94 EUR (darin 83,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin wurde in den Jahren 2004 sowie 2017/2018 vom beklagten Zahnarzt am selben Zahn behandelt. Er führte 2004 und 2017 Wurzelbehandlungen durch und extrahierte den Zahn im Jahr 2018.

[2] Sie begehrt vom Beklagten wegen Fehlbehandlung und fehlender Aufklärung – soweit für das Rekursverfahren von Interesse – Schmerzengeld sowie die Feststellung seiner Haftung für künftige Schäden und Nachteile „aus der Fehlbehandlung im Zeitraum 28. 6. 2017 bis 23. 4. 2018, insbesondere der Entfernung des Zahnes“.

[3] DasBerufungsgericht hob über Berufung der Klägerin das – im Umfang des Zuspruchs von 1.856,80 EUR sowie der Abweisung von 2.701,20 EUR (1.000 EUR Schmerzengeld und 1.701,20 EUR Behandlungskosten) unangefochten als Teilurteil rechtskräftig gewordene – Ersturteil im angefochtenen Umfang der Abweisung von 3.450 EUR Schmerzengeld sowie des Feststellungsbegehrens wegen Fehlens entscheidungswesentlicher Feststellungen auf und verwies die Sache insofern zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

[4] Das Berufungsgericht sprach aus, dass sein Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Berücksichtigung von „Sowieso-Schmerzen“ im Rahmen einer Vorteilsausgleichung keine gesicherte Rechtsprechung vorliege und weil „beim Feststellungsbegehren … im Zusammenhang mit der Beweislast“ eine Fehlbeurteilung vorliegen könnte.

[5] Mit ihrem – vom Beklagten beantworteten – Rekurs beantragt die Klägerin erkennbar, ihrem Begehren im Berufungsumfang stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO):

[7] 1.1. Die erste Zulassungsfrage stellt sich schon deshalb nicht, weil eine Vorteilsausgleichung nicht von Amts wegen zu erfolgen hat, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungslast und Beweislast trifft (RS0036710). Dass der Beklagte in erster Instanz keinerlei Vorbringen hierzu erstattet hat, erkennt der Rekurs selbst; dies wird auch in der Rekursbeantwortung des Beklagten nicht konkret bestritten. Solcherart fehlendes Vorbringen kann weder durch Verweis auf eine Urkunde noch durch eigene Berechnungen des Gerichts oder die – hier auch nicht vom Beklagten, sondern von der Klägerin beantragte – Einholung eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden (vgl RS0037780 [T13]). Insoweit liegt im derzeitigen Verfahrensstadium mangels prozessrelevanten Vorbringens keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor; die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist aber nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).

[8] 1.2. Soweit die Klägerin aus diesem Fehlen von Beklagtenvorbringen Spruchreife ableiten will, gelingt ihr auch hier nicht, die Zulässigkeit ihres Rekurses darzulegen:

[9] Das Rekursgericht erachtete den Sachverhalt nämlich auch abseits der Frage der Vorteilsanrechnung als dahin ergänzungsbedürftig, dass der Schmerzverlauf der Klägerin vom Sachverständigen zu klären sei und entsprechende Feststellungen zu treffen wären.

[10] Dies ist aber als Akt der Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (vgl RS0043414 [insb T8, T12]; RS0042179 [insb T17, T20]; RS0043320 [insb T30]).

[11] 2.1. Widersprüchliche Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ermöglichen, sind Feststellungsmängel, deren Vermeidung zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042744). In einem solchen Fall sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. (RS0042744 [T1]).

[12] 2.2. Hier hat schon das Rekursgericht von ihm als widersprüchlich erkannte Feststellungen insbesondere zur Kausalität von Behandlungsfehlern des Beklagten aufgegriffen und dem Erstgericht aufgetragen, seine Feststellungen so zu ergänzen, dass diese widerspruchsfrei und klar erkennen lassen, ob und welche Behandlungsfehler des Beklagten welche Schmerzen der Klägerin hervorriefen, und ob aus einer Fehlbehandlung im Zeitraum 28. 6. 2017 bis 23. 4. 2018, insbesondere der Entfernung des Zahnes, künftige Schäden und Nachteile auszuschließen seien.

[13] Auch dem ist vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten, zumal die Auslegung der Urteilsfeststellungen keine erhebliche Rechtsfrage begründet, solange keine unvertretbare Fehlbeurteilung vorliegt (vgl RS0118891); dies gilt auch für die Frage, ob einzelne Ausführungen in einem Urteil Tatsachenfeststellungen sind oder nicht (vgl RS0118891 [T8]).

[14] Derartige unvertretbare Fehlbeurteilungen zeigt der Rekurs aber nicht auf.

[15] 3.1. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die auch in 1 Ob 189/20f wiedergegebene ständige Rechtsprechung zugrunde gelegt, wonach das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden des Geschädigten iSd § 228 ZPO schon dann zu bejahen ist, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis nicht ausgeschlossen werden können (vgl 8 Ob 138/17b mwN).

[16] Eine erhebliche Rechtsfrage in diesem Zusammenhang ist nicht ersichtlich und wird im Rekurs auch nicht aufgezeigt.

[17] 3.2. Soweit das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen als auch in diesem Zusammenhang widersprüchlich und ergänzungsbedürftig angesehen hat, kann dem der Oberste Gerichtshof – wie bereits dargelegt – nicht entgegentreten. Es ist jedoch präzisierend darauf hinzuweisen, dass in diesem Zusammenhang ausdrückliche Feststellungen dahin erforderlich sind, ob weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren – allenfalls durch die Klägerin noch konkreter – bezeichneten Schadensereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, sohin mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen sind oder nicht (vgl zB 2 Ob 30/08p mwN).

[18] 4.1. Der Rekurs ist daher mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

[19] 4.2. Im hier vorliegenden Zwischenstreit über die letztlich verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist die Kostenentscheidung nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten (RS0123222). Der Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen und daher nach §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Kostenersatz (RS0123222 [T8]). Offensichtliche Additions‑ und Rundungsfehler waren zu korrigieren (Nettosumme 418,28 EUR, USt daraus 83,66 EUR).

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