OGH 4Ob106/22z

OGH4Ob106/22z23.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* Gesellschaft mbH & Co KG, *, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR sA, Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. April 2022, GZ 4 R 175/21s, 4 R 176/21p‑24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00106.22Z.0923.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Medieninhaberin eines Fernsehsenders, die Beklagte Medieninhaberin von (Kauf- und [va] Gratis‑)Tageszeitungen. Darin veröffentlichte Letztere einen Text, wonach der Sender der Klägerin nur 0,03 % Marktanteil besitze und es daher kein Wunder sei, „dass die deutschen Miteigentümer [...]‑TV jetzt abdrehen wollen“.

[2] Das Erstgericht wies die auf § 7 UWG gestützte Klage auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung eines immateriellen Schadenersatzes von 10.000 EUR ab, da die Äußerung im Kern wahr sei.

[3] Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil im Umfang des Ausspruchs über das Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren mangels ausreichender Feststellungen auf, bestätigte aber die Abweisung des Zahlungsbegehrens mittels Teilurteils, weil die beanstandete Veröffentlichung jedenfalls keine besonders schwere Beeinträchtigung der Klägerin begründe. Den Wert des Streitgegenstands bemaß das Berufungsgericht mit 30.000 EUR übersteigend und die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

[4] In ihrer außerordentlichen Revision beantragt die Klägerin, ihrem Zahlungsbegehren stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[5] Die Revision ist in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen nicht zulässig.

[6] 1. Die Klägerin führt zur Zulässigkeit ihrer Revision aus, das Berufungsgericht sei bei der Abweisung des Zahlungsbegehrens nach § 16 Abs 2 UWG (aF) von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu 4 Ob 114/32 abgewichen. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts bewirke die Behauptung, der von der Klägerin betriebene Fernsehsender werde eingestellt, die maximale Kreditschädigung, weil dies die eminente Gefahr erzeuge, dass sich Kunden bzw Interessenten sofort von der Klägerin abwenden. Da das Publikum kreditschädigende Tatsachenbehauptungen nicht ohne weiters verifizieren könne und daher rasch für wahr halte, ärgere dies die Betroffene weit mehr als bloße Beschimpfungen.

[7] 2.1. § 7 Abs 1 UWG gewährt dem durch die Behauptung oder Verbreitung herabsetzender Tatsachen Verletzten einen Schadenersatzanspruch, sofern diese Tatsachen nicht erweislich wahr sind. Das Gesetz normiert hier eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast.

[8] 2.2. Gemäß § 16 Abs 2 UWG (in der auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwendenden Fassung vor dem MoRUG II, BGBl I 2022/110) gehört zum Umfang der Schadenersatzpflicht auch ein angemessener Zuspruch einer Geldbuße als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile, wenn dies in den besonderen Umständen des Falles begründet ist (RS0079690). Diese Bestimmung eröffnet dem Gericht die Möglichkeit, neben dem unmittelbar in Geld abzuschätzenden Vermögensschaden auch auf immaterielle Nachteile Rücksicht zu nehmen; sie hat aber nur solche Beeinträchtigungen des seelischen oder körperlichen Wohlbefindens im Auge, die den mit jeder unlauteren Wettbewerbshandlung verbundenen, natürlichen Ärger übersteigen (vgl RS0079679 [T2]).

[9] 2.3. Die Vergütung nach § 16 Abs 2 UWG aF kann auch juristischen Personen zugesprochen werden, weil Kopf und Träger des Unternehmens immer eine physische Person ist. Dem Gesetz kann nämlich nicht entnommen werden, dass die Mehrzahl der Unternehmen und gerade die größten, die regelmäßig keine physischen Personen sind, von der Wohltat des Gesetzes ausgeschlossen sein sollten (vgl RS0079669 [T1]).

[10] 2.4. Größere juristische Personen können wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben; ihnen ist aber eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei sind auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden zu berücksichtigen. In jedem Fall muss es sich aber – im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen – um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln (RS0090635).

[11] 2.5. Gradmesser für die Höhe des Schadens sind der von der betroffenen juristischen Person erlangte Ruf und seine durch die Schwere der Wettbewerbsverletzung herbeigeführte Beeinträchtigung (RS0090640).

[12] 2.6. Ob ein bestimmtes lauterkeitswidriges Verhalten mit einer besonders schweren Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person verbunden ist, betrifft eine Entscheidung im Einzelfall (vgl RS0031869 [T2]).

[13] 3.1. Im vorliegenden Fall liegt eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung nicht vor, zumal sich eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der Klägerin aus dem Verhalten der Beklagten nicht ableiten lässt.

[14] 3.2. In der von der Klägerin zitierten Entscheidung zu 4 Ob 114/32 sprach der Oberste Gerichtshof dem dortigen Kläger einen Vergütungsanspruch nach § 16 Abs 2 UWG aF zu, weil die festgestellte Äußerung, die Kunden brauchen auf den Kläger – einen Sackhändler – nicht mehr zu warten, er sei „fertig“ (gemeint: zugrunde gegangen), eine sehr empfindliche Kränkung des Klägers beinhaltete.

[15] 3.3. Während also die dort unrichtig aufgestellte Behauptung den wirtschaftlichen Ruin des Klägers bezweckte, handelt es sich vorliegend (bloß) um eine – in die Zukunft gerichtete – Schlussfolgerung bei wirtschaftlicher Betrachtung des niedrigen Marktanteils. Die zitierte Entscheidung ist also mit dem vorliegenden Fall nicht direkt vergleichbar, weil die von der Beklagten im beanstandeten Artikel gemachten Angaben zu Durchschnittsreichweite und Marktanteil von der Klägerin nicht angezweifelt wurden und die Beklagte mit den Worten: „Kein Wunder, dass die deutschen Miteigentümer [...]‑TV jetzt abdrehen wollen“ lediglich die Überlegung des deutschen Miteigentümers zur Einstellung des Fernsehsenders in den Raum stellte.

[16] 3.4. Auch die von der Klägerin zitierte Entscheidung zu Ob I 811/27 ist nicht einschlägig: Dort bestätigte der Oberste Gerichtshof ebenfalls den Zuspruch von Schadenersatz gemäß § 16 Abs 2 UWG aF, weil die Beklagte in Flugblättern die unwahre Behauptung aufstellte, dass nur sie alleine über Originalersatzbestandteile für die Reparatur bestimmter Registrierkassen verfüge, und dass andere Firmen deshalb nicht in der Lage wären, an derartigen Kassen Reparaturen sachgemäß durchzuführen.

[17] Zusammenfassend hat das Berufungsgericht das Vorliegen von „besonderen Umständen“ iSv § 16 Abs 2 UWG aF vertretbar verneint.

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