OGH 15Os84/22z

OGH15Os84/22z14.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Turner als Schriftführer in der Strafsache gegen * A* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * B* sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 3. Juni 2022, GZ 23 Hv 22/22s‑67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00084.22Z.0914.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten B* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – * B* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 „erster, zweiter und achter Fall, Abs 2“ SMG (IV./; siehe aber RIS‑Justiz RS0114037, RS0124624: § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG [IV./1./a./]; § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 2 SMG [IV./1./b./ und c./]; § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG [IV./2./]) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in L* und anderen Orten Österreichs vorschriftswidrig Suchtgift

I./ mit * A* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter am 5. Dezember 2021 in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) 25‑fach übersteigenden Menge, nämlich 3.000 Gramm Kokain (mit einem Reinheitsgehalt von 81,66 % Cocain) aus Italien ausgeführt und nach Österreich eingeführt, indem sie das Suchtgift in Udine/Italien kauften und nach L* brachten;

IV./ erworben, besessen und anderen überlassen, indem er von Mai 2021 bis 14. Dezember 2021

1./ nachfolgenden Abnehmern Kokain entgeltlich oder unentgeltlich in Teilmengen überließ, und zwar

a./ * N* 1 Gramm Kokain zum Grammpreis von 70 Euro,

b./ * D* eine geringe, „noch festzustellende Menge“ im Zuge des gemeinschaftlichen Konsums unentgeltlich,

c./ * T* 4 „lines“ im Zuge des gemeinschaftlichen Konsums unentgeltlich,

2./ Kokain erwarb und besaß, „indem er in unregelmäßigen Abständen und je nach finanzieller Lage eine insgesamt unbekannte Mengen Kokain selbst konsumierte“.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zum Vorsatz des Beschwerdeführers in Bezug auf die Ein- und Ausfuhr einer das 25‑fache der Grenzmenge überschreitenden Menge zu I./ (US 8 f) aus den Angaben des Mitangeklagten A*, der Beschwerdeführer habe (US 8: während einer Fahrtunterbrechung in Italien) das Umladen des (US 10: in einem Behältnis transportierten) Suchtgifts (US 8: aus dem von ihm selbst als Vorausfahrzeug gelenkten) in den vom Mitangeklagten gelenkten PKW gesehen, aus den Erfahrungen des Beschwerdeführers mit Suchtgift (dazu auch US 5) und aus der Verabredung der beiden befreundeten Angeklagten zu einer Suchtgiftschmuggelfahrt (dazu auch US 8) nicht zu beanstanden. Von einer offenbar unzureichenden Begründung im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO kann nur dann gesprochen werden, wenn sich der Schluss auf die zu begründende Tatsache überhaupt nicht ziehen lässt oder wenn der daraus gezogene Schluss so weit hergeholt erscheint, dass der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099455 [T8]). Dass die Tatrichter aus den von der Beschwerde angesprochenen Beweisergebnissen nicht die vom Rechtsmittelwerber gewünschten Schlussfolgerungen gezogen haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung mit Mängelrüge nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0098400).

[5] Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsaussagen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen  – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583, RS0118780). Durch den Hinweis auf die Verantwortung des Beschwerdeführers und Angaben des Mitangeklagten sowie durch eigenständige Erwägungen zu diesen Aussagen gelingt es der Tatsachenrüge nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen hervorzurufen.

[6] Schließlich wird auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) keine Nichtigkeit aus Z 5 oder Z 5a des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0102162).

[7] Mit ihrer Kritik an der erschwerenden Wertung von sieben (anstatt nach dem Vorbringen bloß sechs) einschlägigen Vorstrafen macht die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) bloß einen Berufungsgrund geltend (RIS‑Justiz RS0099869 [T8, T9, T10, T20, T28]; RS0116878).

[8] Zu einem amtswegigen Vorgehen hinsichtlich der Einziehung (§ 26 StGB) von „Suchtgiftutensilien“ (US 2, 8 ff, 14: Digitalwaage samt Batterien, Vakuumierungsgerät samt Folien, schwarzer Koffer, schwarzer Rucksack, blaue Tasche, zwei Schraubgläser mit Substanzanhaftungen und Verpackungsmaterial; vgl dazu RIS‑Justiz RS0121298, RS0107294, RS0088201) sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil im Hinblick auf die weiteren Urteilsaussagen (US 10) jedenfalls die Voraussetzungen für eine Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB vorliegen und ein konkreter Nachteil (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) für die Angeklagten nicht auszumachen ist (vgl 13 Os 136/16y; 15 Os 84/13m).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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