OGH 15Os84/13m

OGH15Os84/13m21.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer in der Strafsache gegen Emil R***** und Cristian M***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter sowie die Berufungen des Angeklagten M***** und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 19. März 2013, GZ 23 Hv 2/13m-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurden Emil R***** und Cristian M***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./), Emil R***** ferner des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II./) schuldig erkannt.

Danach haben

I./ Emil R***** und Cristian M***** am 23. November 2011 in L***** „im bewussten und gewollten Zusammenwirken Verfügungsberechtigten der B***** in der U***** mit Gewalt gegen eine Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen, nämlich einer Gaspistole und eines Fahrtenmessers mit einer 18 cm langen Klinge, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen bzw abzunötigen versucht, indem sie sich - zur Durchführung des Raubüberfalls entschlossen - mit den mitgebrachten Raubutensilien, und zwar den angeführten Waffen sowie einer Sturmhaube mit vernähter Mundöffnung, über eine halbe Stunde lang in unmittelbarer Nähe der um 22:00 Uhr schließenden Tankstelle aufhielten, diese beobachteten und auf eine günstige Gelegenheit für den Überfall warteten, wobei die Tat lediglich aufgrund der Anhaltung durch die Polizei um 21:30 Uhr beim Versuch geblieben ist“, sowie

II./ Emil R***** am 23. November 2011, wenn auch nur fahrlässig, Waffen, nämlich eine Gaspistole und ein Fahrtenmesser mit einer 18 cm langen Klinge, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Schuldsprüche richten sich die, von Emil R***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO und von Cristian M***** auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 9 lit a und lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt.

Die Tatrichter legten dem Schuldspruch I./ zusammengefasst folgende Feststellungen zu Grunde:

Aufgrund ihrer tristen finanziellen Lage entschlossen sich die Angeklagten, die B***** in *****, zu überfallen. Gegen 20:45 Uhr begaben sie sich zur B*****, die regelmäßig um 22:00 Uhr schließt. Als Tatzeitpunkt fassten sie einen günstigen Zeitpunkt kurz vor Betriebsschluss ins Auge. Cristian M***** trug am Hosenbund fixiert ein Fahrtenmesser mit einer Klinge von 18 cm Länge sowie in seiner Jackeninnentasche eine Gaspistole bei sich. Emil R***** hatte zum Abtransport der erwarteten Beute einen gefalteten „Billa“-Plastikeinkaufssack sowie eine schwarze Sturmhaube mit vernähter Mundöffnung bei sich. Die Angeklagten gingen mehrmals um die Tankstelle herum und beobachteten die Vorgänge im Inneren, wobei sie an jenen Punkten, an denen die Geschäftsräume besonders gut einzusehen waren, jeweils länger verweilten. Beim Auskundschaften der Tankstelle betrug der Abstand der Angeklagten zur Tankstelle zwischen 20 und 50 m. R***** und M***** waren solcherart bereit und entschlossen, die Tankstelle bei der nächsten sich bietenden günstigen Möglichkeit unter Einsatz der griffbereiten Raubutensilien, insbesondere der mitgeführten Waffen, zu überfallen, um einen möglichst hohen Bargeldbetrag zu erbeuten. Erst als die Angeklagten die Polizeistreife erblickten, nahmen sie von ihrem Raubvorhaben Abstand; sie hätten den Raub ausgeführt, wenn sie nicht von der Polizei betreten worden wären (US 4 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Emil R*****:

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu I./ argumentiert, für einen Raubüberfall wäre „jedenfalls“ eine zweite - erst noch zu besorgende - Sturmhaube notwendig gewesen und es sei ein Plastiksack nicht zwingend als Raubutensil anzusehen, sodass fallaktuell noch keine ausführungsnahe Handlung vorgelegen sei, erschöpft sie sich in der beweiswürdigenden Bestreitung der gegenteiligen Urteilskonstatierungen (US 5) und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Aus welchem Grund eine ausführungsnahe Handlung erst ab dem Zeitpunkt vorliege, zu dem die Angeklagten mit übergezogener Sturmhaube die mitgebrachten Waffen in Händen halten, sodass gleichsam die „Abmarschbereitschaft“ für den Raubüberfall hergestellt ist, leitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ebenso wenig argumentativ aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565, RS0116569; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588) wie die These, dass „eine Ausführungshandlung erst mit dem Zugehen auf die Tankstelle vorliege“.

Auch mit der bloßen Behauptung, der vorliegende Sachverhalt sei jedenfalls anders zu qualifizieren als jener der in EvBl 1998/182 (= SSt 63/14) veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, und dem daran anknüpfenden Vorbringen, dass sich die beiden Angeklagten - im Gegensatz zu dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt - nur im Nahebereich der Tankstelle aufgehalten hätten und die mitgebrachten Raubutensilien noch nicht griffbereit gewesen wären, entfernt sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) von den Urteilsannahmen (US 5, 9 und 11).

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge, zur subjektiven Tatseite würden Feststellungen fehlen, übergeht den diesbezüglich eindeutigen Inhalt der Gründe (US 5 f und 9). Mit dem unmittelbar daran anknüpfenden Einwand (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall), aus dem Umstand, dass nur der Mitangeklagte M*****, nicht aber der Beschwerdeführer Waffen bei sich hatte, sei „nicht zwingend“ ableitbar, „dass auch der Erstangeklagte den Vorsatz hatte, einen bewaffneten Raub begehen zu wollen“, wird kein Begründungsdefizit aufgezeigt, sondern nur die tatrichterliche Beweiswürdigung gleich einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

Im Übrigen haben die Tatrichter die subjektive Tatseite - auch in Bezug auf die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB - formal einwandfrei begründet (US 9).

Zum Schuldspruch II./ ist vorweg anzumerken, dass „Waffen“ iSd § 1 WaffG nur Gegenstände sind, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- und Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen oder bei der Jagd oder beim Schießsport zur Abgabe von Schüssen verwendet zu werden (vgl RIS-Justiz RS0122916). Diesem technischen Waffenbegriff unterliegen neben allen Schusswaffen insbesondere auch Hieb-, Stich- und Stoßwaffen sowie verbotene Waffen. „Gewöhnliche“ Messer mit stumpfem Rücken, wie etwa Brot-, Tisch- und Küchenmesser sowie Jagd-, Taschen-, Pfadfinder- und Fahrtenmesser sind allerdings nicht als Waffen im Sinn des WaffG, sondern als Gebrauchsgegenstände anzusehen (vgl 11 Os 112/07s, SSt 2007/88 sowie Eder-Rieder in WK² § 143 Rz 16, jeweils mwN).

Das (eine Klingenlänge von 18 cm aufweisende) Fahrtenmesser ist somit keine Waffe im Sinn des WaffG. Insoweit liegt daher kein dem § 50 Abs 1 Z 3 WaffG subsumierbarer Sachverhalt vor.

Dieser ungerügt gebliebene Rechtsfehler wirkt sich im konkreten Fall jedoch für den Angeklagten nicht nachteilig aus, weil ohnehin nur ein (durch Besitz der Gaspistole weiterhin verwirklichtes) Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG angenommen und zudem bei der Strafbemessung (vgl US 12) der Besitz von zwei Waffen nicht als erschwerend gewertet wurde. Zu einem amtswegigen Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bestand daher kein Anlass.

Im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wird argumentiert, bloßes Berühren einer Waffe stelle weder ein Besitzen noch die Innehabung (§ 6 WaffG) einer solchen iSd § 50 Abs 1 Z 3 WaffG dar. Dieses Vorbringen vernachlässigt jedoch die Annahmen der Tatrichter, wonach der Angeklagte die Gaspistole zumindest einmal in der Hand hatte, obwohl er wusste, dass über ihn ein rechtskräftiges Waffenverbot verhängt worden war (US 5 [unten] und 11). Diese Urteilsannahmen bringen überdies den Willen der Tatrichter, Feststellungen zum bedingten Vorsatz auf Innehabung der Waffe zu treffen, ausreichend deutlich zum Ausdruck (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), weshalb sich die - auch insoweit das Gegenteil behauptende - Rüge als nicht zielführend erweist.

Weshalb eine Innehabung im Sinn des WaffG - worunter der keinen Besitzwillen voraussetzende Gewahrsam als eine faktisch und unmittelbare Verfügungsmacht über die Sache zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0082000, RS0081998) - einen „längeren“, über das bloß einmalige In-der-Hand-Halten hinausgehenden Zeitraum umfassen müsse, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff).

Die subjektive Tatseite wurde - den Einwänden sowohl der Mängel- (Z 5) als auch der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zuwider - mit Bezugnahme auf die insoweit geständige Einlassung des Beschwerdeführers (vgl ON 61 S 4 f) mängelfrei begründet (US 10).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Cristian M*****:

Die Verfahrensrüge (Z 3) behauptet einen nichtigkeitsbegründenden Verstoß gegen § 228 Abs 1 StPO, weil sowohl während der Hauptverhandlung als auch während der Urteilsverkündung das Gerichtsgebäude „offenbar“ versperrt und potentiellen Zuhörern der Zutritt zum Verhandlungssaal nicht möglich gewesen sei. Während des Schlussvortrags des Verteidigers des Beschwerdeführers - sohin noch während der Hauptverhandlung - sei eine Person in den Gerichtssaal gekommen, die kundgetan habe, dass die Eingangskontrollen des Gerichtsgebäudes beendet werden. Nachdem sich der Senat um 17:25 Uhr zur geheimen Beratung zurückgezogen hatte, sei den Anwesenden von dieser Person mitgeteilt worden, dass das Gerichtsgebäude jetzt verlassen werden könne und sie um 17:55 Uhr beim Eingang des Gerichtsgebäudes sein würde, um Einlass zur Urteilsverkündung zu gewähren.

Öffentlichkeit der Hauptverhandlung bedeutet, dass es jedermann, freilich im Rahmen der technischen Möglichkeiten, erlaubt ist, einer Verhandlung beizuwohnen. In diesem Sinn fordert der Begriff der Öffentlichkeit aber nicht, dass der Zutritt zur Hauptverhandlung schlechthin allen interessierten Personen nach ihrem Belieben und ohne Begrenzung möglich ist. Es sind stets die Beschränkungen des Zutritts gestattet, welche die Raumverhältnisse und die Handhabung der Ordnung erfordern, wenn sie nur nicht soweit gehen, dass sie einem tatsächlichen Ausschluss der Öffentlichkeit gleichkommen. In diesem Sinn ist es nicht erforderlich, allen potentiellen Zuhörern während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung ein uneingeschränktes Betreten (und Verlassen) des Verhandlungssaals zu ermöglichen, vielmehr kann dies - schon zwecks Aufrechterhaltung der Ordnung im Gerichtssaal (§ 233 Abs 1 StPO) - auf die Zeitpunkte des Aufrufs der Hauptverhandlung, der Aufruf von Zeugen und Sachverständigen sowie von Unterbrechungen der Hauptverhandlung beschränkt werden (15 Os 95/07w, 13 Os 131/12g; Danek, WK-StPO § 228 Rz 5).

Ein - wenn auch nur faktischer - Ausschluss der Öffentlichkeit iSd § 229 Abs 1 StPO lag daher gegenständlich nicht vor. Denn einerseits wurde der Öffentlichkeit am Verhandlungstag ersichtlich bis zum Auftreten der in der Beschwerde genannten Person uneingeschränkt Zutritt gewährt und jedenfalls den anwesenden Zuhörern auch die weitere Teilnahme und insbesondere auch jedermann die Anwesenheit bei der Verkündung des Urteils ermöglicht. Zwischen Schluss der Verhandlung (§ 257 StPO) und Urteilsverkündung bestand kein Anspruch auf Öffentlichkeit (Danek, WK-StPO § 228 Rz 13).

Der als nicht begründet (Z 5 vierter Fall) kritisierte Ausspruch, wonach die Angeklagten die Kapuzen der Jacken über den Kopf gezogen hatten, um ihre Gesichter zu verbergen (US 5), betrifft keine entscheidende Tatsache (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399 f); er wurde im Übrigen auf die Aussage des Zeugen V***** gegründet (US 5 iVm ON 61 S 16).

Der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider wurden die Feststellungen zur subjektiven Tatseite mit Bezugnahme auf das objektive Tatgeschehen mängelfrei begründet. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zu Grunde liegendes Wollen oder Wissen ist grundsätzlich zulässig (RIS-Justiz RS0116882) und im konkreten Fall nicht zu beanstanden.

Mit dem Vorbringen, wonach aufgrund des objektiven (äußeren) Tatgeschehens (das nur Vorbereitungshandlungen beschreibe) und des auffälligen und nervösen Verhaltens der Angeklagten „nicht zwingend“ auf deren Vorsatz zu schließen sei, wird ein Begründungsdefizit ebenfalls nicht aufgezeigt, zumal nicht nur zwingende, sondern auch in freier Beweiswürdigung gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse zur Begründung von Tatsachenfeststellungen geeignet sind (RIS-Justiz RS0099455, RS0098471).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert, dass nach dem Tatplan die Ausführungshandlung kurz vor Betriebsschluss der B*****, „sohin kurz vor 22:00 Uhr“, erfolgen sollte; die Angeklagten seien aber bereits um 21:17 Uhr, also 40 Minuten vor tatplangemäßer Ausführung der Tat betreten worden, sodass „zwischen der straflosen Vorbereitungshandlung und der ausführungsnahen Betätigung“ jedenfalls noch eine erhebliche Zeitspanne gelegen sei.

Bei dieser Interpretation der Urteilsannahmen übergeht die Rüge aber die Konstatierungen, wonach die Angeklagten als Tatzeitpunkt „einen günstigen Zeitpunkt kurz vor Betriebsschluss“ ins Auge gefasst hatten (US 4), und dass sie - bei bereits gefasstem Tatentschluss - die Absicht hatten, die Tankstelle bei der nächsten sich bietenden günstigen Möglichkeit zu überfallen (US 9).

Bei verständiger Lesart der Entscheidungsgründe besteht auch kein Zweifel daran, dass „der nächste Schritt“ im geplanten Täterverhalten nicht nur das Betreten der Geschäftsräumlichkeiten der Tankstelle, sondern auch die tatsächliche Deliktsverwirklichung durch Anwendung von Gewalt und/oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Einsatz der griffbereiten Waffen gewesen wäre (US 5, 6 und 9), weswegen die - erneut nicht an den Urteilsannahmen Maß nehmende - Beschwerdebehauptung, das Betreten einer Geschäftsräumlichkeit (für sich) stelle noch keine Ausführungshandlung dar, ins Leere geht.

Weshalb für eine rechtsrichtige Subsumtion des Sachverhalts klärende Feststellungen zur Entfernung zwischen der Position, wo die Angeklagten von der Polizei betreten wurden, und dem Geschäftslokal der Tankstelle erforderlich sein sollen, legt die Rüge nicht nachvollziehbar aus dem Gesetz abgeleitet dar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 ff). Die Behauptung, dass die Überwindung einer „beträchtlichen“ Distanz (um in das Geschäftslokal der Tankstelle zu kommen) einen der rechtlichen Annahme eines strafbaren Versuchs entgegenstehenden Zwischenakt darstelle, ist erneut nicht an den gegenteiligen Urteilskonstatierungen (US 5 und 11) ausgerichtet.

Indem die Beschwerde schließlich vorbringt, der Umstand, dass sich die Angeklagten beim Beobachten der Tankstelle auffällig nervös verhielten, lasse den Schluss zu, dass sie die entscheidende Hemmschwelle noch nicht überwunden hatten, erschöpft sie sich erneut in der Bestreitung der gegenteiligen Urteilskonstatierungen und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt der Geltendmachung materieller Nichtigkeit.

Dem Einwand (der Sache nach Z 5 vierter Fall) zuwider wurde der Umstand, wonach die Angeklagten von ihrem Raubvorhaben erst Abstand nahmen, als sie die Polizeistreife erblickten (US 5), mit Bezugnahme auf die objektive Tatseite mängelfrei begründet.

Durch die weitere Kritik, das Erstgericht hätte zur Beurteilung der Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) „genauere Feststellungen treffen müssen, nämlich insbesondere, was die jeweiligen Entfernungen der Angeklagten zum Geschäftslokal der Tankstelle anlangt“, wird ein Feststellungsmangel nicht aufgezeigt. Denn mit der bloßen Spekulation, die Angeklagten hätten sich von ihrem schon seit mehr als einer halben Stunde ausgekundschafteten Tatobjekt entfernt und es sei daher bereits vor dem Eintreffen der Polizeistreife eine Abstandnahme von der Tatausführung erfolgt, werden weder konkrete, den Strafaufhebungsgrund nach § 16 Abs 1 StGB indizierende Verfahrensergebnisse benannt noch deutlich bezeichnete Konstatierungen reklamiert (RIS-Justiz RS0118580).

Zu einem amtswegigen Vorgehen hinsichtlich der Einziehung (§ 26 StGB) des sichergestellten Fahrtenmessers - wie von der Generalprokuratur angeregt - sah sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil im Hinblick darauf, dass nach der Aktenlage die Voraussetzungen für eine Konfiskation nach § 19a Abs 1 StGB vorliegen, ein konkreter Nachteil (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) für den Angeklagten nicht auszumachen ist (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte