OGH 10ObS102/22f

OGH10ObS102/22f13.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Annerl sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christina Hartl‑Wach (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Vodera (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*, geboren * 1957, Pensionistin, *, vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen besonderer Höherversicherung gemäß § 248c ASVG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Juni 2022, GZ 12 Rs 44/22 k‑13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Jänner 2022, GZ 19 Cgs 176/21k‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00102.22F.0913.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob ein besonderer Höherversicherungsbetrag nach § 248c ASVG für Zeiten einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG, die neben dem Bezug einer (regulären) Alterspension erworben wurden, zusteht.

[2] Die * 1957 geborene Klägerin bezieht seit 1. Juni 2019 eine Alterspension von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt. Im Zeitraum vom 1. Oktober 2019 bis zum 31. August 2021 erwarb die Klägerin insgesamt 23 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung aufgrund der Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG, weil sie ihre Mutter, die Pflegegeld der Stufe 3 bezog, unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegte.

[3] Mit Bescheid vom 13. August 2021 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Neubemessung der Alterspension ab, weil die Klägerin neben dem Pensionsbezug keine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt habe.

[4] Die Klägerin begehrt die Neubemessung der Alterspension. Zeiten der Selbstversicherung nach § 18b ASVG seien bei der Pensionshöhe entsprechend zu berücksichtigen, weil die Erfüllung der Voraussetzungen des § 18b ASVG einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit iSd § 248c ASVG gleichzustellen sei.

[5] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Wortlaut des § 248c ASVG stelle auf eine die Pflichtversicherung begründende Erwerbstätigkeit ab.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die Beklagte zur Leistung eines (im Spruch näher bestimmten) monatlichen besonderen Höherversicherungsbetrags nach § 248c ASVG. Die pflegenden Angehörigen würden unentgeltlich werthaltige und für die Gesellschaft äußerst wichtige Leistungen erbringen, wobei vom Gesetz eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft gefordert werde. Wenn der Gesetzgeber eine freiwillige Selbstversicherung nach § 18b ASVG neben dem Bezug einer Alterspension zulasse und dafür (vom Bund) auch Beiträge entrichtet werden müssten, wäre es nicht sachgerecht, wenn der Versicherte dafür überhaupt keine Gegenleistung bekäme. Dies würde auch dem vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 248c ASVG verfolgten Zweck widersprechen, die Bereitschaft älterer Personen, weiterhin tätig zu sein, zu fördern und pensionsrechtlich zu honorieren. Es liege daher eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch analoge Anwendung des § 248c ASVG zu schließen sei, sodass der Klägerin der in § 248c ASVG vorgesehene besondere Höherversicherungsbetrag gebühre.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Nach ausführlicher Darstellung der Genese der §§ 18b und 248c ASVG und der zugrunde liegenden Wertungen, gelangte es zum Ergebnis, dass die gewichtigeren Argumente für das Vorliegen einer planwidrigen Lücke sprächen, die durch die analoge Anwendung des § 248c ASVG auf Selbstversicherungszeiten nach § 18b ASVG zu schließen sei. Die Revision sei zulässig, weil zu dieser Frage keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[8] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem (primären) Antrag auf Abänderung im klageabweisenden Sinn.

[9] Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

[11] 1.1. Auf die Klägerin, die nach dem 31. Dezember 1954 geboren ist und bis zum Ablauf des 31. Dezember 2004 Versicherungsmonate nach dem ASVG erworben hat, ist das Allgemeine Pensionsgesetz (APG) anzuwenden (§ 1 Abs 3 APG, § 2a Abs 2 ASVG). Das Leistungsrecht der Pensionsversicherung, insbesondere das Ausmaß der Alterspension (§ 1 Abs 1 Z 2 APG) richtet sich daher primär nach dem APG, wobei subsidiär – soweit das APG nichts anderes bestimmt – die Bestimmungen des ASVG, GSVG, FSVG und BSVG (weiter) zur Anwendung gelangen (§ 1 Abs 2 APG). Das Leistungsrecht der Pensionsversicherung wird im APG nur partiell geregelt; der Großteil des einschlägigen Leistungsrechts ist weiterhin in den pensionsrechtlichen Regelungen des ASVG, GSVG und BSVG (sog „Altrecht“) zu finden (Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 1 APG Rz 2, 4, 63). Das Versicherungs- und das Beitragsrecht der Pensionsversicherung ist weiterhin zur Gänze im Altrecht geregelt (Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 1 APG Rz 6).

[12] 1.2. Das Ausmaß der Alterspension wird in § 5 APG geregelt. Davon ist allerdings nur der sich aus dem Pensionskonto ergebende Leistungsbestandteil der Alterspension (die „Kontopension“) erfasst. Durch die ausdrückliche Anordnung, dass sich das Ausmaß der Kontopension „ungeachtet eines besonderen Steigerungsbetrags nach den §§ 248 Abs. 1 ASVG, 141 Abs. 1 GSVG und 132 Abs. 1 BSVG“ aus der Gesamtgutschrift nach § 11 Z 5 APG ergibt, wird klargestellt, dass ein solcher (zur Kontopension hinzutretender) Leistungsbestandteil durch die Pensionsberechnung nach dem APG nicht tangiert wird (Rainer/Pöltner in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 5 APG Rz 16). Darunter fällt aufgrund des Verweises in § 248 Abs 1 ASVG auch der im vorliegenden Verfahren von der Klägerin geforderte besondere Höherversicherungsbetrag nach § 248c ASVG.

[13] 1.3. Ob der Klägerin der strittige Anspruch auf den besonderen Höherversicherungsbetrag zusteht, ist somit ausschließlich aufgrund der Bestimmungen des ASVG, insbesondere seines § 248c, zu prüfen.

[14] 2.1. Neben dem Bezug einer (regulären) Alterspension ist jede Erwerbstätigkeit zulässig; die Pension gebührt in diesem Fall ungekürzt (Marek in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [72. Lfg 2021] § 248c Rz 1). Bei Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit sind immer Pensionsversicherungsbeiträge zu entrichten, auch wenn bereits eine Pension bezogen wird (Marek in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [72. Lfg 2021] § 248c Rz 2). Vor Anfall einer Pension werden (bis zum Stichtag) erworbene Pensionsversicherungsbeiträge grundsätzlich beim Ausmaß der Pension berücksichtigt. Durch die Entscheidung eines Sozialversicherungsträgers über die Gewährung der Alterspension wird der Versicherungsfall des Alters konsumiert – er kann daher nach allen Pensionssystemen nur einmal eintreten, auch wenn nach der Gewährung der Pension Versicherungszeiten erworben werden (RS0107674). Es besteht keine allgemeine Rechtsgrundlage für eine Neuberechnung einer bereits angefallenen und berechneten Pension, auch wenn während des Pensionsbezugs weitere Versicherungszeiten erworben wurden (Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 248c ASVG Rz 1).

[15] 2.2. Ohne § 248c ASVG wären die Pensionsbeiträge von erwerbstätigen Alterspensionisten daher „verloren“ (Sonntag in Sonntag, ASVG13 § 248c Rz 1). Das Bestehen einer solchen Beitragspflicht trotz der bereits eingetretenen Versorgung in Form einer Pensionsleistung begegnet nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs genauso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl VfGH B 418/90 VfSlg 12.739 [Pkt 3.]; G 38/72, V 40/72, V 44/72 VfSlg 6947 [Pkt 1.3.]) wie nach Ansicht des Gesetzgebers eine Beitragsleistung ohne direkte Leistungsauswirkung (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  336 zum Budgetbegleitgesetz 2003).

[16] 2.3. Unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben wurde bis zum Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71 (idF: BBG 2003) allerdings Kritik daran geübt, dass Pensionisten (weiter) Pensionsversicherungsbeiträge zahlten, ohne dafür eine entsprechende Leistung zu erhalten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  336). Dies veranlasste den Gesetzgeber zur Einfügung des § 248c ASVG mit dem BBG 2003, BGBl I 2003/71, seit dem dem (der) Versicherten ein besonderer (nach Abs 2 berechneter) Höherversicherungsbetrag gebührt, wenn neben dem Bezug einer Alterspension ab dem Monatsersten nach Erreichung des Regelpensionsalters eine die Pflichtversicherung nach dem ASVG oder dem GSVG oder dem BSVG begründende Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Die entrichteten Beiträge der Alterspensionisten werden damit als Beiträge zur Höherversicherung gewertet (Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 248c ASVG Rz 1). Nach den Materialien soll die Anrechnung der Beiträge erwerbstätiger Alterspensionisten pensionserhöhend wirken (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  329) und es soll somit die Bereitschaft älterer Personen, weiterhin berufstätig zu sein, auch pensionsrechtlich honoriert werden (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  336).

[17] 2.4. Nach dem Wortlaut des § 248c ASVG gebührt der dort geregelte besondere Höherversicherungsbetrag (nur) bei Ausübung einer die Pflichtversicherung nach dem ASVG oder dem GSVG oder dem BSVG begründenden Erwerbstätigkeit neben dem Pensionsbezug, die im vorliegenden Fall unstrittig nicht vorliegt.

[18] 3. Die Klägerin erwarb vielmehr Beitragszeiten einer freiwilligen Versicherung aufgrund einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG.

[19] 3.1. Die Pensionsversicherung trifft Vorsorge für die Versicherungsfälle des Alters, der geminderten Arbeitsfähigkeit und des Todes sowie für die Rehabilitation und für Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge (§ 221 ASVG). Historische Zielrichtung der Leistungen der Pensionsversicherung ist der Einkommensersatz, wenn aus Gründen von Alter, Minderung der Arbeitsfähigkeit oder Tod die bisherige Unterhaltsquelle (das eigene Einkommen des Versicherten oder Unterhaltsansprüche Dritter gegenüber dem Versicherten) entfällt (Neumayr in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht2 [2020] 1016; Resch in Tomandl/Felten, SV‑System [35. Lfg] Pkt 2.4.1.1. [359]; Panhölzl in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 221 ASVG Rz 115). Diese Zielrichtung wurde durch einzelne Detailregelungen – etwa durch die bereits genannte Ermöglichung von Leistungen parallel zu einer Arbeitstätigkeit oder einem Erwerbseinkommen (s oben Punkt 2.3.) – aufgeweicht, aber in ihrer Grundwertung nicht erschüttert (Resch in Tomandl/Felten, SV-System [35. Lfg] Pkt 2.4.1.1. [359]). Ausgehend von der Zielsetzung, das Erwerbseinkommen zu schützen, stehen im österreichischen Pensionsversicherungssystem Zeiten einer Erwerbstätigkeit im Vordergrund, die regelmäßig als Pflichtversicherungszeiten dem Anspruch auf Alterspension zugrunde gelegt werden. Neben dem durch die Erwerbstätigkeit begründeten Pflichtversicherungsverhältnis gibt es aber noch das freiwillige Versicherungsverhältnis und das Formalversicherungsverhältnis, denen nur Ergänzungsfunktion zukommt (Gruber-Risak in Tomandl/Felten, SV‑System [38. Lfg] Pkt 1.1. [39]). Die freiwillige Versicherung – worunter die Weiter- und die Selbstversicherung fallen – steht der Pflichtversicherung nicht gleichrangig zur Seite; sofern sie, wie die Höherversicherung, nicht bloß leistungsrechtlichen Verbesserungen dient, stellt sie ein Auffangbecken für solche Fälle dar, die aus verschiedenen Gründen nicht oder nicht mehr in die Pflichtversicherung einbezogen sind (Risak in Tomandl/Felten, SV-System [29. Lfg] Pkt 1.3.1. [110/12]). In allen Fällen der freiwilligen Versicherung gilt daher – sofern das Gesetz keine Ausnahme normiert – der Grundsatz der Subsidiarität gegenüber der Pflichtversicherung (RS0083747 zur Krankenversicherung; Risak in Tomandl/Felten, SV‑System [29. Lfg] Pkt 1.3.1.1. [110/12]).

[20] 3.2. Die Möglichkeit der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für die Pflege naher Angehöriger nach § 18b ASVG wurde durch das Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2005, BGBl I 2005/132 (idF: SVÄG 2005), geschaffen, um eine sich aus der damals geltenden Rechtslage ergebende „Lücke“ im Bereich der Selbstversicherungsmöglichkeiten für Pflegepersonen (zuvor bestand lediglich die Möglichkeit einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG, die aber das Bestehen einer Versicherung unmittelbar vor Aufnahme der Pflege voraussetzte, oder einer Selbstversicherung nach § 18a ASVG, die aber auf die Pflege behinderter Kinder beschränkt war) zu schließen (ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP  4). Sie ist eine Weiterentwicklung eines Pensionsversicherungs-Verständnisses, das gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten in den Mittelpunkt stellt, die sonst im erwerbszentrierten Pensionsversicherungssystem keine Berücksichtigung finden (Pöltner, Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung, zuvo 2007/4, 4 [7]), und bezweckt vorrangig, es den Pflegepersonen zu ermöglichen, die Zeit der Pflege als Zeit der Pensionsversicherung für die Altersversorgung zu erwerben (10 ObS 44/21z [Pkt 4.2.4]; R. Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 35 [36]).

[21] 3.3. Unter den in § 18b ASVG näher genannten (und im vorliegenden Fall für 23 Beitragsmonate unstrittig erfüllten) Voraussetzungen besteht seither die zusätzliche Möglichkeit einer freiwilligen Pensionsversicherung, die auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit bestehen kann (ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP  4; ErläutRV 179 BlgNR 24. GP  8; Strohdorfer in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [68. Lfg 2019] § 18b Rz 2; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 10; Resch, Neuregelung der sozialrechtlichen Absicherung pflegender naher Angehöriger, iFamZ 2010, 81 [84 ff]; Pöltner, Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung, zuvo 2007/4, 4 [7]; vgl auch VwGH 2011/08/0050). Eine Kumulierung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG mit einer anderen pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit führt gemäß § 248a ASVG (nur) zu einem besonderen Steigerungsbetrag wegen Höherversicherung (RS0127196; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 11).

[22] 3.4. Eine Voraussetzung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG ist, dass die Pflege des nahen Angehörigen unter erheblicher Beanspruchung der Arbeitskraft erfolgt, die – im Hinblick auf die Normalarbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich – bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw ab 60 Stunden monatlich angenommen wird (VwGH Ro 2014/08/0084; Strohdorfer in Poperl/Trauner/Weißenböck, ASVG [68. Lfg 2019] § 18b Rz 5; Gruber-Risak in Tomandl/Felten, SV-System [38. Lfg] Pkt 1.3.4.4. [110/21]; Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18b ASVG Rz 7).

[23] 3.5. Als Ausnahme vom Grundsatz der Subsidarität (oben Rz 3.1.) besteht seit dem Arbeitsrechts-Änderungsgesetz 2013, BGBl I 2013/138 (idF ARÄG 2013) ein Ausschluss aus der Möglichkeit der Selbstversicherung gemäß § 18b Abs 1a ASVG (nur) während der Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit j ASVG (pflegeteilzeitbeschäftigte Personen) auf Grund des Bezugs eines aliquoten Pflegekarenzgeldes. Einen Ausschluss für den Fall eines bescheidmäßig zuerkannten Anspruchs auf eine monatlich wiederkehrende Geldleistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung sieht das Gesetz in § 18b ASVG – anders als ausdrücklich § 16a Abs 2 Z 2 ASVG für die Selbstversicherung nach § 16a, § 17 Abs 1 letzter Halbsatz ASVG für die Weiterversicherung nach § 17, § 19a Abs 1 letzter Satz ASVG für die Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung und (bis zum Sozialversicherungs‑Anpassungsgesetz 2015, BGBl I 2015/2) § 18a Abs 2 Z 1 ASVG für die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG – nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Bezug einer Alterspension daher kein Hindernis für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG (VwGH Ro 2020/08/0004).

[24] 3.6. Die Begünstigung bei dieser Selbstversicherung (wie bei jenen nach den §§ 17 und 18a ASVG) besteht darin, dass für diese Selbstversicherung von den Versicherten selbst keine Beiträge zu zahlen sind: Monatliche Beitragsgrundlage ist der für nach § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG pflichtversicherte (Kinder‑)Erziehenden festgesetzte (fixe) Betrag (§ 76b Abs 5a iVm § 44 Abs 1 Z 18 ASVG), von dem zwar ein Beitrag nach § 51 Abs 1 Z 3 ASVG (22,8 % der Beitragsgrundlage) zu entrichten ist (§ 77 Abs 2 ASVG), der aber zur Gänze aus den Mitteln des Bundes zu tragen ist (§ 77 Abs 8 ASVG). Da den Pflegepersonen Beitragszeiten in der Pensionsversicherung ohne eigene Beitragsleistung zuwachsen, handelt es sich nicht nur um eine Versicherung, sondern auch um eine Sozialleistung (R. Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 37).

[25] 3.7. Aus der (auch im Fall der Klägerin unstrittig vorgelegenen) Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger nach § 18b ASVG folgt (bei Vorliegen der sonstigen, hier ebenso wenig strittigen Voraussetzungen) der Erwerb von Beitragszeiten zur Pensionsversicherung (§ 225 Abs 1 Z 3 ASVG). Vor Anfall einer Pension sind diese Beitragszeiten nach § 11 Z 3 APG kontenmäßig zu erfassen und der Ermittlung der Kontopension nach § 12 APG zugrunde zu legen (nach Altrecht konnten sie gemäß § 242 Abs 8 ASVG ebenfalls in die Pensionsberechnung einfließen).

[26] 4.1. Für eine Berücksichtigung solcher Selbstversicherungszeiten bei der Pensionshöhe, die nach Anfall der Alterspension, also neben dem Bezug einer Alterspension erworben wurden, fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, weil – wie ausgeführt (oben Punkt 2.4.) – der Wortlaut des § 248c ASVG einen besonderen Höherversicherungsbetrag nur für Pflichtversicherungszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit vorsieht. Für die Anwendung des § 248c ASVG auf den Fall der Selbstversicherung nach § 18b ASVG bedürfte es vielmehr eines Analogieschlusses.

[27] 4.2. Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus (RS0098756 [T1]). Eine solche Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig und ergänzungsbedürftig ist, ohne dass eine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008866; RS0098756 [T14]). Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (RS0098756 [T3]). Hat der Gesetzgeber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, fehlt es an einer Gesetzeslücke und daher auch an der Möglichkeit ergänzender Rechtsfindung (RS0008757 [T1]; RS0008866 [T8]).

[28] 4.2.1. Der besondere Höherversicherungsbetrag des § 248c ASVG folgte der Kritik daran, dass Alterspensionisten Pensionsversicherungsbeiträge zahlten, ohne dafür eine entsprechende Leistung zu erhalten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  336). Damit kommt die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, während des Bezugs einer Alterspension eingezahlte Pensionsversicherungsbeiträge auch auf eine laufende Pensionsleistung (in Form einer besonderen Höherversicherung) anzurechnen. Grund der Anrechnung war sichtlich weniger das Vorliegen einer Pflichtversicherung oder einer Erwerbstätigkeit der Pensionsbezieher, sondern der Umstand, dass eingezahlte Beiträge leistungswirksam sein sollten. Dieser Teleologie entspricht es, wenn Beiträge aus einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG gleichermaßen wie Beiträge aus einer Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit als besondere Höherversicherung nach § 248c ASVG angerechnet werden. Grund für die Ausgestaltung von Zeiten der familiären Pflege außerhalb einer Erwerbstätigkeit als Selbstversicherungszeiten war erkennbar, den pflegenden Angehörigen bei Erfüllung der Voraussetzungen eine Wahlmöglichkeit zu belassen, nicht jedoch diese Zeiten gegenüber Pflichtversicherungszeiten abzuwerten. Da § 18b ASVG den Einsatz der Arbeitskraft im familiären (Pflege‑)Bereich – dementsprechend nach Wahl der Pflegeperson – leistungswirksam honorieren soll, die auch im Rahmen einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbs-tätigkeit genutzt werden könnte, ist eine Gleichstellung dieser Beitragszeiten mit solchen aus einer pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit in der Frage der grundsätzlichen Leistungswirksamkeit gerechtfertigt. Eine sachliche Begründung für eine Differenzierung dahingehend, dass diese Selbstversicherungszeiten vor Anfall einer Pension pensionserhöhend wirken, danach hingegen nicht, ist daher nicht ersichtlich.

[29] 4.2.2. Darüber hinaus werden – wie ausgeführt (oben Punkt 3.5.) – für solche Selbstversicherungszeiten, in denen eine Alterspension bezogen wird, gleichermaßen Beitragsmonate erworben. Zwar folgt aus dem Erwerb von Beitragsmonaten nicht zwingend, dass diese auch leistungswirksam sein müssen. Bei einer Selbstversicherung scheint es aber wenig sinnvoll, den Betroffenen ein Wahlrecht einzuräumen, Beitragszeiten zu erwerben, denen das Leistungsrecht ohnedies die Anerkennung versagt (vgl VwGH Ro 2015/08/0022 [Pkt 2.2.]; Müller, Die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege [§§ 18a und 18b ASVG], in Pfeil/Prantner, Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 41). Mangels möglicher Auswirkungen für die Selbstversicherten bestünde ansonsten gar kein Anreiz für die Inanspruchnahme einer so ausgestalteten Selbstversicherung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Beiträge im Fall des § 18b ASVG gemäß § 77 Abs 8 ASVG zur Gänze vom Bund getragen werden. Würden diese Beiträge von vornherein nicht leistungswirksam sein können, würde dieser Bestimmung im Fall eines Bezugs einer Alterspension ausschließlich budgetpolitische Wirkung zukommen, was im Rahmen einer – dem Ermessen der jeweiligen Pflegeperson obliegenden – freiwilligen Versicherung unpassend und mit der Ausgestaltung als – den Pflegepersonen zukommende – Sozialleistung nicht vereinbar wäre.

[30] 4.2.3. Es deutet auch nichts darauf hin, dass der Gesetzgeber den Fall der Selbstversicherung nach § 18b ASVG in § 248c ASVG bewusst von einer Höherversicherung ausnehmen wollte. Der Umstand, dass in § 248c ASVG und in den Gesetzesmaterialien des BBG 2003 nur von einer Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit (und nicht von einer freiwilligen Versicherung infolge Selbstversicherung nach § 18b ASVG) die Rede ist, ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass zur Zeit der Einfügung des § 248c ASVG eine freiwillige Versicherung in der Pensionsversicherung neben dem Bezug einer Alterspension noch gar nicht vorgesehen war. Damals bestanden in der Pensionsversicherung vielmehr nur die Möglichkeiten der Selbstversicherung nach § 16a ASVG, der Weiterversicherung nach § 17 ASVG, der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG und der Selbstversicherung nach § 19a ASVG, die allesamt während des Bezugs einer Alterspension ausgeschlossen waren (§ 16a Abs 2 Z 2, § 17 Abs 1 letzter Halbsatz, § 18a Abs 2 Z 1 und § 19a Abs 1 letzter Satz ASVG). Bei Schaffung des § 248c ASVG bestand daher gar kein Anlass dafür, dem Erwerb von Selbstversicherungszeiten durch Alterspensionisten überhaupt Beachtung zu schenken und in der Formulierung des § 248c ASVG entsprechend zu berücksichtigen. Ebenso wenig gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen des SVÄG 2005 bei der Einführung der Selbstversicherung nach § 18b ASVG oder bei den nachfolgenden Novellierungen der §§ 18b oder 248c ASVG auf den Fall der Pflege naher Angehöriger durch Personen, die bereits eine Alterspension beziehen, Bedacht genommen und Selbstversicherungszeiten nach § 18b ASVG bei der besonderen Höherversicherung nach § 248c ASVG bewusst nicht berücksichtigen wollte.

[31] 4.3. Die von der Beklagten in der Revision gegen eine Analogie vorgetragenen Argumente überzeugen hingegen nicht.

[32] 4.3.1. Es mag zutreffen, dass die Selbst- bzw Weiterversicherung in der Pensionsversicherung ursprünglich das Ziel hatte, die Anwartschaft für eine Alterspension zu ermöglichen. Die gesetzgeberische Wertung änderte sich mit der Schaffung des § 248c ASVG aber insofern, als Beitragszeiten für die Bezieher einer Alterspension pensionserhöhend wirken sollten (ErläutRV 59 BlgNR 22. GP  329). Auch der Selbstversicherung nach § 18b ASVG lässt sich nicht entnehmen, dass die Zielsetzung auf den Erwerb einer Anwartschaft zu einer Pension eingeschränkt sein sollte, ist dafür doch nicht nur eine Versicherungs-, sondern auch eine Beitragszeit samt fixer Beitragsgrundlage vorgesehen, die naturgemäß in die Höhe der Pension einfließen. Die Zielsetzung der Selbstversicherung, es den Pflegepersonen zu ermöglichen, die Zeit der Pflege als Zeit der Pensionsversicherung für die Altersversorgung zu erwerben, spricht im Übrigen nicht gegen die Berücksichtigung von nach dem Anfall der Alterspension erworbenen Beitragszeiten, weil diese Zielsetzung auf sämtliche Beitragszeiten zutrifft. Insbesondere Pflichtversicherungszeiten aufgrund einer Erwerbstätigkeit dienen der Sicherung der Altersversorgung, was den Gesetzgeber aber nicht davon abhielt, solche Zeiten, die nach Anfall einer Alterspension erworben werden, pensionserhöhend wirken zu lassen. In diesem Sinn sichert auch die Erhöhung der bisherigen Pensionsleistung aufgrund von während laufenden Bezugs eingezahlter Beiträge die (weitere) Altersvorsorgung (in einem bestimmten Umfang).

[33] 4.3.2. Soweit sich die Beklagte in der Revision dagegen wendet, dass die Selbstversicherung nach § 18b ASVG auch Pensionisten offen steht, ist sie auf die oben (Punkt 3.5.) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, der der Oberste Gerichtshof nicht entgegen zu treten vermag. Der Gesetzgeber normierte ausdrücklich Ausschlüsse für bestimmte Formen der freiwilligen Versicherung (bei Bezug einer Pensionsleistung) und fügte für die Selbstversicherung in § 18b Abs 1a ASVG einen weiteren Ausschluss (nur) für Zeiten des Bezugs von Pflegekarenzgeld hinzu, woraus der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass der Bezug einer Pensionsleistung eine Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht verhindert.

[34] 4.3.3. Aus dem von der Beklagten geschätzten Mehraufwand aus öffentlichen Mitteln lässt sich für ihren Standpunkt nichts ableiten. Ein solcher Mehraufwand konnte in der Regierungsvorlage zum BBG 2003 nicht berücksichtigt werden, weil die Möglichkeit der Selbstversicherung nach § 18b ASVG damals noch nicht bestand und andere freiwillige Versicherungen für Alterspensionisten nicht in Betracht kamen. Der Umstand, dass in den Gesetzesmaterialien zur Einfügung des § 18b ASVG bzw den nachfolgenden – nicht die hier maßgeblichen Passagen – betreffenden Novellierungen der §§ 18b und 248c ASVG die finanziellen Folgen der Tragung der Beiträge (auch) für Alterspensionisten oder einer Berücksichtigung dieser Beiträge nach § 248c ASVG nicht angeführt sind, bedeutet bloß, dass der Fall einer Selbstversicherung nach § 18b neben dem Bezug einer Alterspension dort nicht bedacht wurde und spricht daher nicht grundsätzlich gegen eine analoge Anwendung des § 248c ASVG.

5. Zusammengefasst ergibt sich:

[35] Werden neben dem Bezug einer Alterspension leistungswirksame Beitragsmonate aufgrund einer Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger (§ 18b ASVG) erworben, so gebührt dafür in analoger Anwendung des § 248c ASVG ein besonderer Höherversicherungsbetrag.

[36] 6. Die Berücksichtigung der Beitragsmonate nach § 18b ASVG im Rahmen des § 248c ASVG durch die Vorinstanzen entspricht somit der Rechtslage. Die Berechnung der der Klägerin zustehenden Beträge durch das Erstgericht wird in der Revision nicht in Zweifel gezogen. Der Revision ist insgesamt nicht Folge zu geben.

[37] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG.

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