European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00109.22Y.0719.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Antragsteller ist Alleineigentümer einer Liegenschaft, die er von seinem Vater mit Vertrag vom 17. 12. 1998 geschenkt erhalten hat. Nach Punkt XI. dieses Vertrags erteilte der „Geschenkgeber […] dem Geschenknehmer als wesentliche Bedingung dieses Schenkungsvertrages die Auflage den Geschenkgegenstand an seine Nachkommen entsprechend den Bestimmungen über eine fideikommissarische Substitution zu übertragen. Der Geschenknehmer verpflichtet sich sohin die vertragsgegenständliche Liegenschaft zu Gunsten seiner Nachkommen der fideikommissarischen Substitution zu unterwerfen“. Im Grundbuch ist unter B‑LNR 1f der Einlage die fideikommissarische Substitution angemerkt.
[2] Der Antragsteller begehrte unter Vorlage des Schenkungsvertrags und weiterer Urkunden die Einverleibung der Löschung der Anmerkung der fideikommissarischen Substitution zu B‑LNR 1f.
[3] Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der es diesen Antrag abgewiesen hatte. Die Abrede in Punkt XI. des Schenkungsvertrags sei als Vereinbarung eines vertraglichen Besitznachfolgerechts zugunsten der Nachkommen des Antragstellers zu werten. Weder der Vereinbarung vom 30. 3. 2005, mit der der Vater des Antragstellers auf das ihm vertraglich eingeräumte Fruchtgenussrecht (ausgenommen der Wohnung top 6) auch für den Fall der Begründung von Wohnungseigentum verzichtete, noch dem vorgelegten Testament seines Vaters oder dem Einantwortungsbeschluss könne mit der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Sicherheit eine Aufhebung oder ein allfälliger Widerruf des Besitznachfolgerechts entnommen werden.
[4] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers, der keine Rechtsfragen von der Qualität gemäß § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen kann:
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Der Grundbuchsrichter (Grundbuchsrechts-pfleger) hat bei seiner Entscheidung grundsätzlich nur die vorgelegten Urkunden, das Grundbuch und die sonstigen Grundbuchsbehelfe heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0040040 [T1]). Für die Durchführung eines Beweisverfahrens, um die wesentlichen Eintragungsgrundlagen zu schaffen, fehlt im Grundbuchsverfahren als einem reinen Urkundenverfahren jede gesetzliche Grundlage (vgl RS0040040 [T14]). Inwieweit es eine erhebliche Rechtsfrage begründen soll, dass die Vorinstanzen wesentliches Parteienvorbringen ignoriert bzw gegen wesentliche Grundsätze der Beweisaufnahme verstoßen hätten, ist damit nicht zu erkennen. Die vom Antragsteller als Belegstelle angeführte Entscheidung zu 1 Ob 87/00a betraf kein Grundbuchsverfahren.
[6] 2. Der Antragsteller zieht nicht in Zweifel, dass die Vereinbarung in Punkt XI. des Schenkungsvertrags als vertraglich angeordnetes Besitznachfolgerecht zu qualifizieren ist.
[7] 2.1 Dabei vereinbaren der Voreigentümer und sein Rechtsnachfolger in Anlehnung an die erbrechtliche Nacherbschaft, dass das Eigentum des Erwerbers bei Eintritt einer Bedingung oder nach Ablauf einer Frist an einen anderen, nämlich den Besitznachfolger, fällt oder aber, dass zumindest die Verpflichtung besteht, das Eigentum zu übertragen, wobei der Besitznachfolger entweder der alte Eigentümer oder ein Dritter sein kann (5 Ob 68/19i mwN). Besitznachfolgerechte, die einer fideikommissarischen Substitution (nunmehr Nacherbschaft) ähneln, können nach § 20 lit a GBG im Grundbuch angemerkt werden (RS0083800; RS0012539 [T2]).
[8] 2.2 Zur Widerruflichkeit eines im Grundbuch angemerkten Besitznachfolgerechts hat der Fachsenat zuletzt in der Entscheidung zu 5 Ob 68/19i ausführlich Stellung genommen: Kommt die Anordnung oder Vereinbarung eines Besitznachfolgerechts nach dem Inhalt des Vertrags der letztwilligen Anordnung einer Nacherbschaft im Sinn des § 608 ABGB nahe, wird eine unmittelbare Berechtigung der begünstigten Personen daraus eher zu verneinen sein, und ein Widerruf eines solchen Rechts ist auch ohne Einbeziehung des begünstigten Dritten zulässig. Unerheblich für die Frage der Widerruflichkeit eines vertraglichen Besitznachfolgerechts ist hingegen, ob ein möglich begünstigter Dritte zum Zeitpunkt der Einräumung dieses Rechts bereits geboren war oder nicht.
[9] 3. Das Rekursgericht ist in seiner Entscheidung von diesen Grundsätzen nicht abgewichen, sondern gelangte – zusammengefasst – zum Ergebnis, dass der Antragsteller urkundlich nicht nachgewiesen habe, dass das vereinbarte Besitznachfolgerecht widerrufen oder sonst aufgehoben worden sei. Das ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil die von ihm vorgelegten Urkunden keinen Bezug zu diesem Recht aufweisen und damit keine Aussagen darüber zulassen. Soweit der Antragsteller in dritter Instanz damit argumentiert, dass die Einräumung eines Besitznachfolgerechts dem ursprünglichen Parteiwillen widersprochen hätte und für ihn eine enorme wirtschaftliche Benachteiligung bedeute, bzw dass diesem Recht nachträglich derogiert worden sei, weil er von seinem Vater mit dem nach der Schenkung errichteten Testament zum Alleinerben bestimmt worden sei, übersieht er, dass ein Grundbuchsgesuch nur dann bewilligt werden kann, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich der materiell-rechtlichen Frage keinerlei Zweifel aufkommen lässt (RS0060878). Damit ist es dem Grundbuchgericht aber verwehrt, mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen zusammenhängende Zweifelsfragen zu lösen oder eine ergänzende Vertragsinterpretation vorzunehmen (vgl RS0060573 [T16]). Ob die dem Grundbuchsgesuch angeschlossenen Urkunden im Sinn des § 94 Abs 1 Z 3 GBG zu Zweifeln Anlass geben, ist eine Frage des Einzelfalls. Dass dem Rekursgericht bei der Beurteilung dieser Frage eine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0060573 [T18]; RS0060878 [T55]), kann der Antragsteller nicht aufzeigen, weil das von ihm gewünschte Ergebnis auch nicht als eine vom Wortlaut der vorgelegten Urkunden abgeleitete, unmittelbare logische Schlussfolgerung erzielt werden kann.
[10] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG).
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