European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00025.22T.0718.001
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.675,16 EUR (darin 445,86 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin produziert und vertreibt Trocknungssysteme für Schuhe und Bekleidung. Der Beklagte war als leitender Angestellter für die Klägerin tätig und unterlag dabei auch einem vertraglichen Konkurrenzverbot. Er gründete am 14. 7. 2014 mit zwei weiteren Gesellschaftern ohne das Wissen der Klägerin die D* GmbH, bei der er in leitender Funktion tätig ist. Die D* GmbH produziert Schuhtrockner und liefert diese seit 2014 an die P* BV, die auch eine der Hauptkundinnen der Klägerin ist. Am 30. 4. 2016 wurde das Dienstverhältnis des Beklagten zur Klägerin einvernehmlich gelöst.
[2] Die Klägerin verfügt seit dem Jahr 1999 über eine Gewerbebewilligung für Großhandel, erhielt aber erst im Jahr 2019 eine Berechtigung für das Gewerbe der Mechatronik für Elektromaschinen und Automatisierung einschließlich des Zusammenbaus von Trocknungsgeräten. Im Jahr 2020 wurde der Klägerin eine entsprechende Betriebsanlagengenehmigung erteilt. Nach den Feststellungen des Erstgerichts verfügte die Klägerin zuvor „nicht vollinhaltlich über alle notwendigen verwaltungsrechtlichen Genehmigungen“.
[3] Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Rechnungslegung über die Lieferungen an die P* BV von August 2014 bis April 2016 und die Zahlung des sich daraus ergebenden Ertrags, in eventu 180.803,98 EUR sA.
[4] Der Beklagte wendet ein, dass sich die Klägerin nicht auf einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot berufen dürfe, weil sie über keine Gewerbe- und Betriebsanlagengenehmigung für die Herstellung von Trocknungsanlagen verfügt habe und deshalb gar nicht zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebs berechtigt gewesen sei.
[5] Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Erstgericht dem Rechnungslegungsbegehren statt. Dass die Klägerin gewerberechtliche Vorschriften missachtet habe, stehe einer Berufung auf das Konkurrenzverbot nach § 7 AngG nicht entgegen. Darüber hinaus habe es der Beklagte als leitender Angestellter der Klägerin selbst nicht für notwendig empfunden, für die Einhaltung dieser Vorschriften zu sorgen.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, mit der er eine Klagsabweisung anstrebt, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[8] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[9] Die Revision ist wegen des Fehlens von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[10] 1. Angestellte dürfen nach § 7 AngG ohne Bewilligung des Dienstgebers „in dem Geschäftszweige des Dienstgebers“ weder für eigene noch für fremde Rechnung Handelsgeschäfte tätigen, widrigenfalls der Dienstgeber die Herausgabe der bezogenen Vergütung beanspruchen kann. Der Gesetzgeber will damit die Konkurrenzierung und eine damit verbundene Schädigung der Unternehmensinteressen des Dienstgebers verhindern (Sacherer in Reissner, AngG3 § 7 Rz 15). Der Betrieb eines selbständigen kaufmännischen Unternehmens außerhalb des Geschäftszweigs des Dienstgebers verstößt zwar auch gegen das Konkurrenzverbot des § 7 AngG, begründet aber mangels Konkurrenzierung keinen Herausgabeanspruch des Dienstgebers (RIS‑Justiz RS0122011).
[11] 2. Die ältere Rechtsprechung hat den Begriff des „Geschäftszweiges“ weit gezogen und angenommen, dass sich das Verbot des § 7 AngG nicht nur auf Geschäfte erstrecke, die der Dienstgeber tatsächlich betreibt, sondern auch auf solche, die er nach der Zweckwidmung seines Handelsgewerbes betreiben kann (RS0027870). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs umfasst der „Geschäftszweig“ des Dienstgebers aber nur die von ihm tatsächlich entfaltete Geschäftstätigkeit (RS0027854; RS0027870 [T1]; ebenso Schwarz/Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung [1975] 89; Resch in Löschnigg, AngG10 § 7 Rz 18; Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 7 AngG Rz 13).
[12] 3. Nach Kuderna fallen solche Handelsgeschäfte, zu deren Betrieb der Dienstgeber nicht berechtigt ist, die er aber dennoch betreibt, nicht unter den Schutz des § 7 AngG, weil insoweit keine schutzwürdigen Interessen des Dienstgebers erkennbar seien (Kuderna, Das Entlassungsrecht [1994] 100). Auch nach Reissner kommt es auf den „befugtermaßen“ tatsächlich ausgeübten Geschäftszweig an (Reissner in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG, § 36 Rz 88). Nach Pfeil ist, wenn der Dienstgeber seine Tätigkeit unbefugt ausgeübt hat, zumindest keine Entlassung des Dienstnehmers möglich (Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 7 AngG Rz 13).
[13] 4. Demgegenüber sind nach Resch nach dem Zweck des Konkurrenzverbots auch unbefugt ausgeübte Tätigkeiten des Dienstgebers geschützt, wenn durch diese unbefugten Tätigkeiten eine Kaufmannseigenschaft nach § 1 AngG begründet wird, die dem Schutz zugrundeliegt (Resch, Arbeitsvertrag und Nebenbeschäftigung [1991] 62). Nach der Rechtsprechung hängt die Kaufmannseigenschaft nicht von der Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften ab (3 Ob 782/52 = RS0061519). Dies spricht dafür, dass alleine der formale Mangel einer noch unzureichenden Gewerbebewilligung und Betriebsanlagengenehmigung der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 7 AngG nicht entgegensteht.
[14] 5. Auch die ständige Rechtsprechung zum Wettbewerbsrecht steht seit jeher auf dem Standpunkt, dass die gewerberechtlichen Befugnisse für die Beurteilung der Teilnahme am geschäftlichen Verkehr und das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ohne Bedeutung sind (RS0077586). Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 14 UWG können deshalb unabhängig davon geltend gemacht werden, ob der Kläger zur Ausübung seines Gewerbebetriebs befugt ist (RS0079597). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die betreffende unternehmerische Tätigkeit schlechthin verboten wäre, wie dies etwa auf den Suchtgifthandel zutrifft (Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG2 § 14 Rz 90; Görg, UWG, § 14 Rz 271).
[15] 6. Eine Verletzung des Konkurrenzverbots setzt freilich voraus, dass durch die konkurrenzierende Tätigkeit des Dienstnehmers schutzwürdige Interessen des Dienstgebers verletzt werden. Dass ein Dienstgeber noch nicht über alle erforderlichen gewerbe- und betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungen verfügt, bedeutet jedoch nicht, dass er kein Interesse an der ungestörten Fortsetzung seines Geschäftsbetriebs hätte. So berührt im Allgemeinen die Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften vorweg (vgl § 873 ABGB) weder die Gültigkeit der abgeschlossenen Verträge noch den sich daraus ergebenden Entgeltanspruch (RS0016757; RS0016770; RS0029666), im Übrigen besteht stets die Möglichkeit, allenfalls erforderliche gewerbe- und betriebsanlagenrechtliche Genehmigungen nachzuholen, wie dies die Klägerin auch tatsächlich getan hat.
[16] 7. Die Herstellung und der Vertrieb von Schuhtrocknern ist eine an sich erlaubte Tätigkeit. Selbst wenn der Kläger damals noch nicht über die nötigen gewerbe- und betriebsanlagenrechtlichen Genehmigungen verfügte (vgl im Übrigen § 371c Abs 1 GewO), verstieß die konkurrenzierende Tätigkeit des Beklagten im Geschäftszweig der Klägerin gegen § 7 AngG, was einen Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Ertrags begründet. Der Revision des Beklagten war daher nicht Folge zu geben.
[17] 8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 Abs 1 ASGG, §§ 41 und 50 ZPO.
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