European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00060.22X.0714.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Sicherungsverfahrens.
II. Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] I. Das beklagte Logistikunternehmen hat 2021 die Außentüren und ausgewählte Türen im Innenbereich ihres Betriebs unter Verwendung des Systems „e*“ mit einem elektronischen Schloss versehen.
[2] Mit der vorliegenden Klage begehrt der klagende Betriebsrat
1. es zu unterlassen, im gesamten Betriebsgebäude ohne Zustimmung der klagenden Partei in Form einer Betriebsvereinbarung
a) ein Zutrittssystem einzuführen bzw weiterhin zu nutzen, welches zumindest das Potential hat, den Zutritt an sämtlichen Innen- und Außentüren und die genaue Uhrzeit des Zutritts mit einer bestimmten Person verknüpft festzustellen und sämtliche derart erhobenen Daten aufzuzeichnen,
b) das arbeitsbezogene Verhalten sowie auch die Privatsphäre der vom Kläger vertretenen Arbeitnehmer durch das Zutrittssystem „e*“ zu kontrollieren,
c) die Bewegungsdaten zu erheben, in welcher Form auch immer auszuwerten, zu verwenden, zu verarbeiten oder zu übermitteln und
2. sämtliche Daten aller Arbeitnehmer, die durch Verwendung des Systems „e*“ bereits erfasst wurden, durch Löschung zu vernichten und
3. das eingesetzte System „e*“ durch geeignete technische Maßnahmen zu deinstallieren.
[3] Zudem beantragt der Kläger wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit gemäß § 381 Z 1 EO bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache die Erlassung folgender Einstweiligen Verfügung:
[4] Der Beklagten möge
1. untersagt werden, im Betriebsgebäude ohne Zustimmung des Klägers in Form einer Betriebsvereinbarung
a) ein Zutrittssystem einzuführen bzw weiterhin zu nutzen, welches zumindest das Potential hat, den Zutritt an sämtlichen Innen- und Außentüren und die genaue Uhrzeit des Zutritts mit einer bestimmten Person verknüpft festzustellen und sämtliche derart erhobenen Daten aufzuzeichnen,
b) das arbeitsbezogene Verhalten sowie auch die Privatsphäre der vom Kläger vertretenen Arbeitnehmer durch das Zutrittssystem „e*“ zu kontrollieren,
c) die Bewegungsdaten zu erheben, in welcher Form auch immer auszuwerten, zu verwenden, zu verarbeiten oder zu übermitteln und
2. aufgetragen werden,
a) sämtliche Daten aller Arbeitnehmer, die durch Verwendung des Systems „e*“ bereits erfasst wurden, durch Löschung zu vernichten und
b) das eingesetzte System „e*“ durch geeignete technische Mittel auf eigene Kosten zu deinstallieren.
[5] Der Kläger stützt sein Klagebegehren auf die Mitwirkungspflicht des Betriebsrats gemäß § 96 Abs 1 Z 3 und § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG und brachte dazu vor, dass bis zum Frühjahr 2021 die Handhabung des Zutrittssystems im Betrieb der Beklagten durch Türschlüssel im herkömmlichen Sinn erfolgt sei. Lediglich zwei Haupteingangstüren seien bereits zusätzlich mit einem elektronischen Zutrittssystem ausgestattet gewesen. Im Frühling 2021 sei ein Großteil der Außentüren auf ein neues elektronisches Zutrittssystem („e*“) umgestellt und die Mitarbeiter mit personalisierten Zutrittskarten bzw ‑chips (Zutrittstools) ausgestattet worden. Seit Mitte Oktober 2021 könnten viele auch im Gebäude befindlichen Türen ausschließlich mit diesen Zutrittstools geöffnet werden. Die Beklagte, die die Einführung dieses elektronischen Zutrittssystems mit einer Prävention gegen unautorisierte Zutritte in das Betriebsgebäude begründet habe, habe zugegeben, dass alle dadurch erhobenen Daten unter bestimmten Umständen einer Auswertung zugeführt würden. Bemühungen des Betriebsrats, mit der Beklagten eine entsprechende Betriebsvereinbarung abzuschließen, seien bislang erfolglos gewesen. Im Rahmen weiterer Umbauarbeiten würden laufend weitere Türen mit dem elektronischen Zutrittssystem ausgestattet.
[6] Mit dem elektronischen Zutrittssystem „e*“ habe die Beklagte jedenfalls die Möglichkeit, allen Arbeitnehmern ein Identifikationsmittel (Zutrittstools) zuzuordnen. Alle Zugangspunkte (sämtliche Türen in das und auch im Betriebsgebäude der Beklagten) und sämtliche Benutzer des Systems könnten mit ihren persönlichen Daten in einer Datenbank erfasst werden. Sämtliche Bewegungen an jedem Zugangspunkt könnten aufgrund der Verwendung der personalisierten Zutrittstools samt Zeitstempel erfasst und gespeichert werden. Diese sogenannten Logdaten könnten so ausgewertet werden, dass sie einem spezifischen Benutzer zuordenbar seien.
[7] Die Einführung dieser Kontrollmaßnahmen und technischen Systeme zur Kontrolle der Arbeitnehmer berührten schon aufgrund ihrer objektiven Kontrolleignung die Menschenwürde. Im gegenständlichen Fall gestalte sich die Kontrolle konkret derart, dass die Beklagte jedem Mitarbeiter ein individuell angefertigtes Zutrittstool (Karte oder Chip) aushändige. Jedes dieser Tools sei im System einem anhand der persönlichen Mitarbeiterdaten angelegten Benutzerprofil zugeordnet. Zu passierende Türen könnten ausschließlich mit diesen Zutrittstools geöffnet werden. Sämtliche dieser Türöffnungen („Bewegungen“) würden mit exakter Angabe der Uhrzeit („Zeitstempel“) unter Zuhilfenahme technischer Mittel digital zentral gespeichert. Eine Auswertung dieser Daten sei eingeschränkt auf einzelne individuell bestimmte Mitarbeiter („Benutzer“) jederzeit möglich. Dies führe dazu, dass technische Möglichkeiten geschaffen und auch laufend weiter ausgebaut würden, die es der Beklagten ermöglichten, ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil während des ganzen Arbeitstages zu erstellen. Auch die im Betrieb verbrachte arbeitsfreie Zeit und selbst durch menschliche Bedürfnisse bedingte Arbeitsunterbrechungen seien davon nicht ausgenommen, sodass auch die von den Arbeitnehmern in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre permanent kontrolliert werde. Es liege somit eine nicht nur stichprobenartige, sondern vielmehr permanente technische Kontrolle bzw zumindest die Möglichkeit dazu vor. Nachdem die Tools gleichzeitig für die Erfassung der Arbeitszeit genutzt werden müssten, sei die Verknüpfung der erhobenen Daten mit Daten aus anderen Systemen offenkundig.
[8] Ein unautorisierter Zutritt in das Betriebsgebäude könnte durch gelindere Mittel verhindert werden. Die Dokumentation sämtlicher Bewegungen der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebsgebäudes sei dadurch nicht gerechtfertigt. Auch wenn das verwendete System möglicherweise primär nicht tatsächlich dazu verwendet werde, ein lückenloses Bewegungsprofil aller Arbeitnehmer zu erstellen und so eine vollkommene Überwachung umzusetzen, so sei es jedenfalls objektiv dazu geeignet.
[9] Selbst wenn man davon ausginge, dass der konkrete Leistungsumfang des verwendeten Systems nicht dazu geeignet sei, die Menschenwürde der Arbeitnehmer zu berühren, so sei dennoch gemäß § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG die (ersetzbare) Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Auch in diesem Zusammenhang komme es für die Zustimmungspflicht des Betriebsrats nicht darauf an, dass der Betriebsinhaber die entsprechenden Arbeitnehmerdaten tatsächlich ermittle, verarbeite oder übermittele, sondern ausschließlich darauf, dass das System dafür objektiv geeignet sei.
[10] Dem Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung liege zugrunde, dass die Beklagte permanent rechtswidrig Daten erhebe, welche jederzeit personenbezogen ausgewertet werden könnten. Dadurch werde die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts des Klägers weiterhin vereitelt.
[11] In ihrer Stellungnahme zum Antrag des Klägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt die Beklagte den Antrag ab‑ bzw zurückzuweisen. Sie wendete ein, dass sie lediglich zwei Serverräume, zwei Großraumbüros, ein Einzelbüro des Fuhrparkleiters, zwei Türen im Schleusenbereich zum Nachbarunternehmen T* sowie Nebeneingänge in das zentrale Betriebsgebäude, welche über keine sonstigen Sicherheitsmaßnahmen verfügten mit dem elektronischen Zutrittssystem ausgestattet habe. Der gesamte Hauptein- und ausgangsbereich sei hingegen während der normalen Betriebsstunden, nämlich von 06:00 Uhr bis 15:00 Uhr ganztägig geöffnet und daher vom gegenständlichen System nicht betroffen. Es müsse daher weder beim Betreten des Hauptgebäudes, noch beim Entfernen aus dem Hauptgebäude während der Öffnungszeiten 06:00 Uhr morgens bis 15:00 Uhr ein Chip zum Betreten bzw Verlassen des Gebäudes eingesetzt werden. Lediglich für das Aufsperren der beiden Großraumbüros, des Büros des Fuhrparkleiters sowie der beiden Serverräume sei der Chip erforderlich. Sobald die Serverräume jedoch mit dem Chip aufgesperrt worden seien, bedürfe es keiner weiteren Magnetkarte mehr, um die Serverräume zu betreten bzw zu verlassen. Erst wenn mit dem Chip der Serverraum neuerlich abgesperrt würde, müsste bei einem neuerlichen Aufsperren der Türe der Chip verwendet werden. Nur zum Zutritt über die Nebeneingänge des Betriebsgebäudes sei der Chip erforderlich. Ein Verlassen über diese Nebeneingänge sei hingegen jederzeit ohne Chip möglich. Durch die Chip‑Karte könne weder ein Bewegungsprofil von Mitarbeitern erstellt werden, noch erfolge eine potentielle Überwachung der Mitarbeiter durch diese Chipkarte. Insgesamt sei daher nicht zu befürchten, dass durch diese Maßnahmen die Privatsphäre der Mitarbeiter kontrolliert werde. Aus den gewonnenen Daten könne tatsächlich kein Bewegungsmuster ausgelesen werden, das System sei dazu gar nicht geeignet. Zudem sei es gar nicht möglich, die Arbeitszeitaufzeichnung mit dem Zutrittssystem zu koppeln. Das elektronische Schloss sei nur eingeführt worden, damit das gesamte Betriebsgelände der Beklagten über ein zentrales Schließsystem verfüge. In der Vergangenheit sei es immer wieder vorgekommen, dass Mitarbeiter die übergebenen Schlüssel verloren hätten oder nicht mehr auffinden konnten. In einem solchen Fall sei die Beklagte immer mit dem Problem konfrontiert gewesen, das gesamte Schließsystem mit enormen Kostenaufwand erneuern bzw austauschen zu müssen. Aufgrund des nunmehr eingeführten Chip‑Systems könnten im Falle eines Verloren-Gehens von Chips diese über die Zentrale deaktiviert werden, sodass, sollten Chips nicht mehr auffindbar sein oder gestohlen werden, das gesamte zentrale Schließsystem nicht mehr kostenintensiv erneuert werden müsste.
[12] Das Erstgericht erließ die beantragte Einstweilige Verfügung hinsichtlich der Punkte 1. a) bis c) und 2. a) und wies sie hinsichtlich Punkt 2. b) ab.
[13] Dabei nahm es (ausschließlich) auf der Grundlage einer vom Kläger vorgelegten Urkunde (Bedienungsanleitung des Systems „e*“) folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:
[14] Das System „e*“ ist ein funkbasiertes Zutrittssystem, das es dem Verwender des Systems – hier der Beklagten – ermöglicht, den zur Nutzung verpflichteten Benutzern – den Arbeitnehmern – ein Identifikationsmittel, nämlich Zutrittstool zuzuordnen. Dabei können die Zutrittsdaten der Mitarbeiter in den jeweiligen Zutrittspunkten (Türen), gespeichert werden und vom PC aus auf diesen übertragen werden. Alle Zugangspunkte und sämtliche Benutzer des Systems werden mit ihren persönlichen Daten in einer Datenbank erfasst. Sämtliche Bewegungen an jedem Zugangspunkt werden aufgrund der Verwendung der personalisierten Zutrittstools samt Zeitstempel erfasst und gespeichert. Über Computerprogramme können die verschiedenen Benutzer und deren zugeordneten Daten verwaltet werden. Es können die zu erfassenden Daten auch eingeschränkt werden. In den Logdateien finden sich alle Bewegungen zu jeder Komponente sowie deren Zeitstempel. Logdateien können so ausgelesen werden, dass sie nach Zutrittspunkt oder Medien gefiltert werden und anschließend im CSV-Format exportiert werden. Sie können dabei den einzelnen Benutzern zugeordnet werden.
[15] In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht unter Bezugnahme auf § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zum Ergebnis, dass durch das elektronische Zutrittssystem „e*“ die Menschenwürde berührt werde, weshalb es nur in Form einer Betriebsvereinbarung eingeführt und verwendet werden dürfe. Das Zutrittssystem könne sämtliche Zutrittsorte, an denen das System angebracht sei, und sämtliche Zutrittszeitpunkte speichern, einem individuellen Nutzer zuordnen und diesbezüglich ein Profil erstellen, das ein Bewegungsmuster des Arbeitnehmers innerhalb des Betriebs darstelle. Es genüge schon die Möglichkeit, dass das System so eingesetzt werde, weshalb es irrelevant sei, wie das System derzeit von der Beklagten verwendet bzw ob das System lediglich zum Öffnen und Schließen der Türen bei den Serverräumen bzw den Großraumbüros oder dem Einzelbüro des Fuhrparkleiters genutzt werde. Der sich aus der Verletzung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ergebende Unterlassungsanspruch könne auch durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden, wobei die Beklagte durch die einseitige, nicht auf einer Betriebsvereinbarung mit dem Kläger gestützte Einführung und den Betrieb des Zutrittssystems „e*“ den bis zu dieser Einführung bestehenden Zustand verändert habe. Ohne die Erlassung der einstweiligen Verfügung würde aber die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts des klagenden Betriebsrats während der Dauer des Prozesses weiterhin vereitelt werden, weshalb die einstweilige Verfügung in dem im Spruch ersichtlichen Ausmaß zu erlassen gewesen sei.
[16] Hingegen sei der darüber hinausgehende Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in Form eines Auftrags, die Beklagte zu verpflichten, das eingesetzte System „e*“ durch geeignete technische Mittel auf eigene Kosten zu deinstallieren abzuweisen, weil dieses Begehren die Vollstreckung des Urteils vorwegnehmen würde.
[17] Das Rekursgericht gab dem gegen den stattgebenden Teil des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gerichteten Rekurs der Beklagten nicht Folge. Der Begriff der Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG sei weit zu verstehen. Entscheidend sei, ob aufgrund der konkreten organisatorischen und technischen Vorkehrungen die Kontrollmaßnahme jederzeit eingesetzt werden könne, nicht aber, ob sie tatsächlich eingesetzt werde. Weiters sei bei einer installierten technischen Einrichtung wesentlich, welche Erweiterungsmöglichkeiten bestünden. Ausgangspunkt für die Beurteilung eines Kontrollsystems sei somit die konkrete Anlage mit den konkret installierten Möglichkeiten. Sei die Anlage einfach umzuprogrammieren bzw zu erweitern, dann spreche dies für eine Zustimmungspflicht. Sei somit das Schließsystem beim Arbeitgeber mit einer Verwaltungssoftware ausgestattet, die eine Ereignisliste beinhalte, sodass jederzeit eine Auswertung der Zeiten des Betretens/Verlassens einzelner Büroräume durch einzelne Mitarbeiter der Beklagten möglich sei, auch wenn dies derzeit nicht in diesem Umfang erfolge, so handle es sich um eine Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG, die die Menschenwürde berühre. Dies sei nach den Feststellungen der Fall. Danach ermögliche das elektronischen Zutrittssystem „e*“ der Beklagten unter anderem, den zur Nutzung verpflichteten Arbeitnehmern ein Identifikationsmittel, nämlich Zutrittstool, zuzuordnen. Zutrittsdaten der Mitarbeiter könnten in den jeweiligen Zutrittspunkten gespeichert und vom PC auf diesen übertragen werden. In den Logdateien fänden sich alle Bewegungen zu jeder Komponente sowie deren Zeitstempel, welche sich den einzelnen Benutzern zuordnen ließen.
[18] Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, ob die Einführung des vorliegenden elektronischen Schließsystems gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG mitbestimmungspflichtig sei, angesichts der Vielzahl derartiger Anlagen über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe und dazu noch keine ausreichende höchstgerichtliche Judikatur vorliege.
[19] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte verweist hinsichtlich der Zulässigkeit ihres Revisionsrekurses auf die Begründung des Rekursgerichts. Sie macht in ihrem Rechtsmittel geltend, dass für die Frage, ob durch das elektronische Zutrittssystem die Menschenwürde berührt werde, nicht auf die bloße Möglichkeit, während des ganzen Arbeitstages ein arbeitsbezogenes Bewegungsprofil erfassen zu können, abzustellen sei. Da nur einige wenige ausgewählte Türen mit dem Schließsystem durch Terminals einseitig ausgestattet seien, sei es gar nicht möglich, ein arbeitsbezogenes Bewegungsprofil zu erstellen. Zudem sei eine Erweiterungsmöglichkeit auf sämtliche – bis dato noch nicht ausgestattete – Türen im Innen‑ oder Außenbereich technisch nicht (einfach) möglich.
Rechtliche Beurteilung
[20] Der Revisionsrekurs wurde der nach § 40 Abs 1 Z 2 ASGG zur Vertretung auch vor den Gerichten zweiter Instanz qualifizierten Vertreterin des Klägers wirksam am 22. 4. 2022 zugestellt. Der im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nunmehr durch einen Rechtsanwaltvertretene Kläger erstattete am 16. 5. 2012 eine Revisionsrekursbeantwortung.
[21] Die Frist für den Rekurs und die Rekursbeantwortung beträgt im Sicherungsverfahren vierzehn Tage (§ 402 Abs 3 EO); das gilt auch für den Revisionsrekurs und dessen Beantwortung (RS0119289 [T2, T3]).
[22] Die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers war daher als verspätet zurückzuweisen.
[23] Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag auch berechtigt.
[24] 1. Gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bedarf die Einführung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen zur Kontrolle der Arbeitnehmer durch den Betriebsinhaber, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren, zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Es handelt sich um einen Fall der notwendigen Mitbestimmung. Korrespondierend dazu normiert § 10 Abs 1 AVRAG, dass die Einführung und Verwendung von Kontrollmaßnahmen und technischen Systemen, welche die Menschenwürde berühren, unzulässig ist, es sei denn, diese Maßnahmen werden durch eine Betriebsvereinbarung iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geregelt oder erfolgen in Betrieben, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, mit Zustimmung des Arbeitnehmers.
[25] 2.1. Unter einer Kontrollmaßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG ist die systematische Überwachung von Eigenschaften, Handlungen oder des allgemeinen Verhaltens von Arbeitnehmern durch den Betriebsinhaber zu verstehen. Es geht dabei um von Seiten des Betriebsinhabers veranlasste Regelungen, die insbesondere vorschreiben, wann, unter welchen Umständen und auf welche Weise Arbeitnehmer während ihrer Arbeitsleistung (auch wenn sie außerhalb der Betriebsräumlichkeiten erbracht wird) oder überhaupt während ihres Aufenthalts im Betrieb zu irgendeinem Zweck überprüft werden (9 ObA 109/06d; 9 ObA 120/19s [Pkt 2.3. mwN]).
[26] 2.2. Kontrollmaßnahmen bzw -systeme stellen schon dann eine zustimmungspflichtige Maßnahme iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG dar, wenn die Einrichtung objektiv geeignet ist, die Arbeitnehmer zu kontrollieren, auch wenn dem Betriebsinhaber jede Kontrollabsicht fehlt. Zu welcher Zeit, unter welchen Umständen und auf welche Weise die Maßnahmen bzw das System Verwendung finden, ist irrelevant: Der Einsatz kann beim Betreten oder Verlassen des Betriebs oder bestimmter Betriebsteile, ferner während der Arbeitsleistung in oder außerhalb des Betriebs oder überhaupt während des Aufenthalts im Betrieb zu irgendeinem Zweck erfolgen (Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 96 ArbVG Rz 22 mwN). Die Zustimmungspflicht (wenn auch das Tatbestandselement des Berührens der Menschenwürde erfüllt ist) setzt daher nicht erst bei der Auswertung, sondern bereits bei der Ermittlung der Daten ein, weil bereits die Datenerfassung die objektive Kontrolleignung ermöglicht. Relevant ist damit nicht, was tatsächlich kontrolliert wird, sondern was konkret kontrolliert werden kann (Winter in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle2 Kap 2 Rz 2.137).
[27] 2.3. Für die Beurteilung, ob die Einrichtung bzw das installierte System objektiv geeignet ist, die Arbeitnehmer zu kontrollieren, sind die konkreten (softwaremäßigen) Anwendungsmöglichkeiten des Systems von Bedeutung. Entscheidend ist, ob aufgrund der konkreten organisatorischen und technischen Vorkehrungen die Kontrollmaßnahme jederzeit eingesetzt werden kann, nicht ob sie tatsächlich eingesetzt wird (Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 96 ArbVG Rz 45; Goricnik/Grünanger in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle2 Kap 7 Rz 7.87). Bei dieser Prüfung sind auch allfällige Erweiterungsmöglichkeiten der Anwendungen in den Prüfungsmaßstab miteinzubeziehen (Goricnik/Grünanger aaO Rz 7.90;vgl 8 ObA 288/01p = DRdA 2003/37 [Preiss]).
[28] 2.4. Ausgehend von den bisherigen, aufgrund der Betriebsanleitungs getroffenen Feststellungen haben die Vorinstanzen daher zutreffend die objektive Eignung des von der Beklagten gewählten elektronischen Schließsystems „e*“, ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil während des ganzen Arbeitstags zu erstellen, bejaht. Auf die Begründung des Rekursgerichts kann daher verwiesen werden (§ 78 EO iVm § 528a ZPO iVm § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Der Revisionrekurs der Beklagten wendet sich im Ergebnis auch nicht gegen diese objektive Eignung des Systems an sich, sondern wiederholt ihren bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt, dass tatsächlich nur einige wenige ausgewählte Türen mit dem elektronischen Schließsystem durch Terminals (einseitig) ausgestattet worden seien, sodass es konkret keineswegs möglich sei, ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil zu erfassen und daher auch die Menschenwürde der Arbeitnehmer durch Einführung des Systems nicht berührt sei. Dazu war zu erwägen:
[29] 3. Bei Maßnahmen oder Systemen, die – wie hier – die objektive Eignung zur Kontrolle der Arbeitnehmer erfüllen, ist dann gemäß § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG (bzw § 10 Abs 1 AVRAG) in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob durch das konkret installierte Kontrollsystem die Menschenwürde berührt ist (9 ObA 120/19s [Pkt 3.1.]; Goricnik/Grünanger in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle2 Kap 7 Rz 7.94). Der Anwendungsbereich (und damit die Zustimmungspflicht) wird nämlich nicht in jedem Fall mit der Einführung einer (als objektiv geeignet beurteilten) Kontrollmaßnahme bzw eines technischen Kontrollsystems iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG eröffnet, vielmehr verlangt die Regelung (anders die deutsche Rechtslage), dass mit Einführung des Systems die Menschenwürde der Arbeitnehmer iSd § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG berührt wird (Haidinger in Knyrim, Datenschutzrecht4 Kap 16 Rz 16.34 mit Abbildung 30; Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht12 § 96 ArbVG Rz 47; vgl Winter in Grünanger/Goricnik, Arbeitnehmer-Datenschutz und Mitarbeiterkontrolle2 Kap 2 Rz 2.137).
[30] 4.1. Zum unbestimmten Wert- und Rechtsbegriff „Menschenwürde“ wurde bereits in den Entscheidungen 9 ObA 109/06d und 9 ObA 120/19s (Pkt 3.1. f mwN) ausgeführt, dass er aus der Konkretisierung von Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB) bzw des Arbeitsrechts (insbesondere Fürsorgepflicht iSd § 18 AngG, § 1157 ABGB) gewonnen werden muss. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang § 16 ABGB zu, wonach jeder Mensch über angeborene natürliche Rechte verfügt. Es handelt sich dabei um eine Zentralnorm der österreichischen Rechtsordnung, die in ihrem Kernbereich die Menschenwürde schützt. Der Gesetzgeber will mit der Anknüpfung an die „Menschenwürde“ in § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG erreichen, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist. Auch die Privatsphäre eines Arbeitnehmers ist zu den von § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG geschützten Rechtsgütern zu zählen. Die Menschenwürde wird von einer Kontrollmaßnahme oder einem Kontrollsystem dann „berührt“, wenn dadurch die vom Arbeitnehmer in den Betrieb miteingebrachte Privatsphäre kontrolliert wird. Von der Privatsphäre abgesehen, kann aber auch durch die Kontrollintensität der Arbeitsleistung und des arbeitsbezogenen Verhaltens des Arbeitnehmers eine Berührung der Menschenwürde bewirkt werden, und zwar vor allem dann, wenn diese Kontrolle in übersteigerter Intensität organisiert wird und jenes Maß überschreitet, das für Arbeitsverhältnisse dieser Art typisch und geboten ist. Andererseits verlangt das „Berühren“ der Menschenwürde keine solche Eingriffsdichte, die bereits als „Verletzung“ anzusehen wäre. Durch § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers vielmehr der schmale Grenzbereich zwischen den die Menschenwürde verletzenden (und damit ohnehin sittenwidrigen) Maßnahmen und den die Menschenwürde überhaupt nicht tangierenden Maßnahmen des Betriebsinhabers geregelt werden.
[31] 4.2. In der Entscheidung 9 ObA 109/16d wurde unter Hinweis auf das Schrifttum weiters dargelegt, dass die bloße Anwesenheitskontrolle nicht nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG zustimmungspflichtig ist. Durch eine „Stechuhr“ (Zeitstempeleinrichtung) zur Arbeitszeitkontrolle wird die Menschenwürde noch nicht berührt; in der Regel auch nicht durch die in der Arbeitswelt verbreitete Verwendung von Magnetkarten, solange sie nicht ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil während des ganzen Arbeitstages erlauben.
[32] 4.3.1. Die Beantwortung der Frage, ob die Menschenwürde durch eine Kontrollmaßnahme auch nur berührt wird, bedarf nach der Rechtsprechung überdies in jedem Einzelfall einer umfassenden Abwägung der wechselseitigen Interessen (8 ObA 288/01p; 9 ObA 109/06d; 9 ObA 23/15w [Pkt 8.]; 9 ObA 120/19s [Pkt 3.3.]). So sind einerseits die Interessen des Arbeitgebers, der im Arbeitsverhältnis ein grundsätzliches Recht zur Kontrolle der Arbeitnehmer hat, aber darüber hinaus zB auch sein Eigentum sichern und schützen will, und andererseits die Interessen des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte gegeneinander abzuwägen. Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit kommt hier regulierende Funktion zu. Persönlichkeitsrechte dürfen nur so weit beschränkt werden, als dies durch ein legitimes Kontrollinteresse des Arbeitgebers geboten ist. Es ist das schonendste – noch zum Ziel führende – Mittel zu wählen (9 ObA 23/15w [Pkt 8. mwN]; vgl RS0116695).
[33] 4.3.2. Im Schrifttum werden dazu unterschiedliche Ansichten vertreten: Zustimmend DRdA 2008/26 [Mosler]; ZAS 2007/16 [Schrank]; Biometrische Arbeitserfassung durch Fingerscanner, RdW 2007/371 [MaurerDRdA 2016/2 [Reissner/Schneeberger]; Jabornegg in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 96 Rz 140; Reissner in Zellkomm3 § 96 ArbVG Rz 24; aA Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler, ArbVG3 § 96 Rz 47; DRdA 2020/51, 561 f [Auer-Mayer]; Goricnik, Replik zu Reissner/Schneeberger, Anmerkung zu 9 ObA 23/15w DRdA 2016/2, (Alkoholkontrollen per Alkomat), DRdA 2016, 362 und S. Mayer, Videoüberwachung auch ohne Zustimmung des Betriebsrates? wbl 2009, 217.
[34] 5. Die Frage, ob das elektronische Schließsystem „e*“ im Betrieb der Beklagten in der derzeit konkreten Ausgestaltung die Menschenwürde der Arbeitnehmer berührt, kann aufgrund des bislang festgestellten Sachverhalts noch nicht abschließend beantwortet werden. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen ist dieser Prüfung nicht die bloß objektive (abstrakte) Kontrolleignung des Systems „e*“ zugrunde zu legen, sondern, wie bereits oben dargelegt, dieses Schließsystem in seiner derzeit konkreten Ausgestaltung im Betrieb der Beklagten. Feststellungen zu den (zusammengefassten) Behauptungen des Klägers, die Beklagte habe durch die Installation des elektronischen Schließsystems die technischen Möglichkeiten geschaffen (und die auch laufend weiter ausgebaut würden), die es der Beklagten ermöglichten, ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil während des ganzen Arbeitstages zu erstellen, fehlen. Ebenso fehlen Feststellungen zu den gegenteiligen (ebenfalls zusammengefassten) Behauptungen der Beklagten, sie habe lediglich zwei Serverräume, zwei Großraumbüros, ein Einzelbüro des Fuhrparkleiters, zwei Türen im Schleusenbereich zum Nachbarunternehmen T* sowie Nebeneingänge in das zentrale Betriebsgebäude, welche über keine sonstigen Sicherheitsmaßnahmen verfügten, mit dem elektronischen Zutrittssystem ausgestattet, der gesamte Hauptein- und ausgangsbereich sei jedoch während der normalen Betriebsstunden, nämlich von 06:00 Uhr bis 15:00 Uhr ganztägig geöffnet und daher vom gegenständlichem System nicht betroffen. Nach dem Standpunkt der Beklagten lässt sich daher allein aus den (aufgrund der Betriebsanleitung) festgestellten abstrakten Einsatzmöglichkeiten des Systems (der objektiven Kontrolleignung) nicht ableiten, dass diese Einsatzmöglichkeiten im vorliegenden Fall im Betrieb auch jederzeit zum Tragen kommen könnten (wovon aber die Vorinstanzen bei ihren Entscheidungen ausgegangen sind). Da – wie die Beklagte vorbringt – das System nicht durchgängig an allen Türen mechanisch angebracht worden sei, sei es aufgrund der Art und Weise der Installation bzw aufgrund der konkreten technischen Vorkehrungen keineswegs möglich, Kontrollmaßnahmen so einzusetzen, dass Daten erfasst würden, aus denen ein arbeitnehmerbezogenes Bewegungsprofil ableitbar wäre. Die Arbeitszeitaufzeichnungen seien nicht mit dem Zutrittssystem gekoppelt und könnten auch nicht damit gekoppelt werden. Durch die Chip-Karte könne weder ein Bewegungsprofil von Mitarbeitern erstellt werden, noch erfolge eine potentielle Überwachung der Mitarbeiter durch diese Chip‑Karte. Alleine aufgrund der bislang festgestellten Kontrollmaßnahmen kann somit noch nicht davon ausgegangen werden, dass das elektronische Schließsystem in einer Form eingesetzt wird, die per se auf eine Berührung der Menschenwürde schließen ließe.
[35] 6.1. Nach der Rechtsprechung kann auch ein Anspruch nach § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bzw § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden (RS0123838). Nach § 381 EO können zur Sicherung „anderer Ansprüche“ (als Geldforderungen) einstweilige Verfügungen erlassen werden, wenn andernfalls zu besorgen ist, dass sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruchs, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustands, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde (Z 1), oder wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen (Z 2).
[36] 6.2. Der Kläger stützt seinen Antrag auf § 381 Abs 1 Z 1 EO. Nach dieser Bestimmung genügt die Besorgnis der objektiven Vereitelung oder Erschwerung der Rechtsverfolgung (Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 381 EO Rz 4). Nach ständiger Rechtsprechung reicht eine abstrakte Gefährdung des geltend gemachten Anspruchs aber nicht aus; vielmehr müssen Umstände vorhanden sein, die ohne die Bewilligung der einstweiligen Verfügung die Vereitelung der gerichtlichen Verfolgung, eine Gewaltanwendung oder die Entstehung eines unwiederbringlichen Schadens als wahrscheinlich gegeben erscheinen lassen. Es muss somit eine konkrete Gefährdung vorliegen (RS0005175 [T13]; 6 ObA 1/06z), welche von der gefährdeten Partei konkret behauptet und bescheinigt werden muss (RS0005175 [T9, T21, T24, T31]). Die derzeitige Feststellungsgrundlage lässt eine abschließende Beurteilung, ob das System in seiner derzeitigen Verwendung bereits eine Erhebung eines Bewegungsprofils der Arbeitnehmer:innen ermöglicht bzw eine derartige konkrete Gefahr droht, nicht zu.
[37] 7. Der Kläger und Antragsteller stützte seine Begehren im erstinstanzlichen Verfahren auch auf die Bestimmung des § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG, wonach die Einführung von Systemen zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen, der (wenngleich ersetzbaren) Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Diese Bestimmung regelt die Zustimmungspflicht des Betriebsrats, wenn etwa personenbezogene Daten der Arbeitnehmer vom System erfasst werden, die „über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und zu den fachlichen Voraussetzungen hinausgehen“. Zur Beurteilung der Frage, ob ein zustimmungspflichtiges Personalinformationssystem iSd § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG vorliegt, ist aber auch bei dieser Anspruchsgrundlage darauf abzustellen, ob durch das konkret installierte bzw zur Installierung vorgesehen System (Hardware und Software) die Gewinnung von sensiblen Daten, welche (hier) die Erstellung von Bewegungsprofilen einzelner Mitarbeiter ermöglicht und damit diese Erfassung über die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen des Betriebsinhabers (etwa Zeiterfassung) hinausgeht (8 ObA 97/03b; vgl Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 96a ArbVG Rz 13 ff). Die derzeitige Sachverhaltsgrundlage lässt aber auch eine solche abschließende Beurteilung dieser Anspruchsgrundlage nicht zu.
[38] 8. Aufgrund der oben angestellten Erwägungen sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wegen Vorliegens sekundärer Feststellungsmängel zu den widerstreitenden Behauptungen der Parteien über die konkrete Ausgestaltung des elektronischen Schließsystems „e*“ im Betrieb der Beklagten aufzuheben. Dem Erstgericht ist aufzutragen, nach Ergänzung des Verfahrens durch Aufnahme der von den Parteien angebotenen paraten Bescheinigungsmittel neuerlich zu entscheiden.
[39] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.
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