European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00077.22T.0714.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist der zu einer eigenen Tagebuchzahl erfasste Teil eines „Antragscontainers“. Dieser Teil umfasst die auf eine Liegenschaft der Zweitantragstellerin bezogenen Anträge auf Vormerkung des Eigentumsrechts für den Drittantragsteller sowie die Eintragung eines Höchstbetragspfandrechts für die Erstantragstellerin zu Lasten des vorgemerkten Drittantragstellers.
[2] Der Notar, der diese Anträge als Vertreter der Erst- bis Drittantragsteller einbrachte (und sich selbst als Viertantragsgegner bezeichnete), berief sich auf eine ihm gemäß § 5 Abs 4a NO und § 77 Abs 1 und 2 GBG erteilte Vollmacht. Noch vor Beschlussfassung des Erstgerichts zogen die Zweitantragstellerin und der Drittantragsteller ihre Anträge zurück. Für den Fall, dass das Grundbuchsgericht im Verfahren fortfahre, wiesen sie iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG darauf hin, dass der Antragstellervertreter aus mehreren Gründen nicht zum Einbringen dieses Grundbuchgesuchs berechtigt gewesen sei.
[3] Das Erstgericht bewilligte – ohne Auseinandersetzung mit der Antragszurückziehung und ohne weitere Erhebungen zu der dem Antragstellervertreter erteilten Vollmacht – die beantragte Vormerkung des Eigentumsrechts sowie die Eintragung eines Pfandrechts. Das Mehrbegehren auf Einverleibung eines Höchstbetragspfandrechts wies es ab.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitantragstellerin und des Drittantragstellers nicht Folge. Als Ergebnis der Erhebungen, die es dem Erstgericht aufgetragen gehabt habe, habe der einschreitende Notar seine Bevollmächtigung zur Einbringung des Grundbuchgesuchs durch die Vorlage einer Treuhandvereinbarung nachgewiesen. Die Frage, ob ein einseitiger Widerruf dieser Treuhandvereinbarung oder die von den Rekurswerbern behauptete Kündigung der Vollmacht erfolgt und wirksam sei, hänge von strittigen Tatsachen ab und sei nicht im Grundbuchsverfahren zu prüfen, sondern im (streitigen) Rechtsweg zu klären.
[5] Das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin und des Drittantragstellers ist als unzulässig zurückzuweisen, weil er keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt.
[7] 1. Die Revisionsrekurswerber machen geltend, die angefochtenen Entscheidungen seien iSd § 56 AußStrG nichtig, weil die zwei Parteien, die zur Antragstellung bezüglich der Eintragung des Begehrens auf Vormerkung des Eigentums berechtigt gewesen seien, ihren Antrag vor der Beschlussfassung zurückgenommen hätten und das Verfahren darüber damit noch vor der Entscheidung des Gerichts erster Instanz beendet gewesen sei.
[8] 2. Es ist zwar richtig, dass ein Grundbuchsgesuch (nur) bis zum Vollzug der bewilligten Eintragung zurückgezogen werden kann (RIS‑Justiz RS0119987; RS0060647 [T1]; RS0127762) und ein Verfahren, das nur auf Antrag eingeleitet werden kann, mit der Zurücknahme des Antrags beendet ist (vgl 5 Ob 201/15t). Letzteres gilt aber nicht, wenn – wie hier – zwar einzelne, aber nicht alle Antragsteller ihren selbständigen Antrag zurückziehen.
[9] Der dieses Verfahren einleitende Antrag der Antragsteller enthält keine Differenzierung nach den einzelnen Eintragungsbegehren; alle Antragsteller, also sowohl die Pfandgläubigerin (Erstantragstellerin) als auch die ehemalige Liegenschaftseigentümerin (Zweitantragstellerin) und der vorzumerkende Eigentümer und Pfandschuldner (Drittantragsteller) begehrten alle Eintragungen.
[10] Zur Antragstellung in Grundbuchsverfahren sind zwar grundsätzlich nur die durch die begehrte Grundbuchshandlung berechtigte und die durch die begehrte Grundbuchshandlung belastete Partei legitimiert (§ 76a Abs 1 GBG; RS0006730). Allerdings erweitert § 78 GBG die Antragslegitimation: Wenn der, an den eine Liegenschaft oder ein bücherliches Recht außerbücherlich gelangt ist, darauf ein Recht, das Gegenstand der öffentlichen Bücher ist, einem anderen eingeräumt hat, kann letzterer die Eintragung der Rechte seines Vormannes verlangen (§ 78 GBG). Wer also von einem bloß obligatorisch Berechtigten, dem zum Erwerb eines entsprechenden dinglichen Rechts nur die Einverleibung im Grundbuch fehlt, ein eintragungsfähiges Recht eingeräumt erhalten hat, kann um die Eintragung der Rechte dessen, der ihm dieses Recht eingeräumt hat, ansuchen, wenn dieser seine Eintragung noch nicht erwirkt hat (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 78 GBG Rz 1, 5 und 7).
[11] Das der Erstantragstellerin eingeräumte und vereinbarungsgemäß zu verbüchernde Pfandrecht ist ein solches die erweiterte Antragslegitimation nach § 78 GBG auslösendes Recht. Die Erstantragstellerin ist daher – entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber – nicht nur in Bezug auf die Eintragung ihres Pfandrechts zu Lasten des Drittantragstellers antragslegitimiert, sondern auch in Bezug auf die Einverleibung der Eigentumsrechte ihres Pfandschuldners.
[12] 3. Die im Revisionsrekurs thematisierten Fragen der Wirksamkeit und Konsequenzen der Zurückziehung des Antrags (nur) durch die Zweitantragstellerin und den Drittantragsteller kommt daher für die hier zu beurteilende Bewilligung des Antrags der Erstantragstellerin nur theoretische Bedeutung zu. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof setzt aber voraus, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage auch abhängt (RS0088931). Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).
[13] 4. Gleiches gilt für die Behauptung, der Antragstellervertreter sei iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG nicht zum Einbringen dieses Grundbuchgesuchs berechtigt gewesen, insoweit als die Zweitantragstellerin und der Drittantragsteller diesen Vollmachtsmangel mit ihrem Widerruf der Vollmacht begründen. Im gegebenen Zusammenhang maßgeblich ist ja das Vollmachtsverhältnis zwischen der Erstantragstellerin und dem Antragstellervertreter.
[14] Die weitere Argumentation der Revisionsrekurswerber, die Vollmacht sei auf konkrete Handlungen beschränkt gewesen und habe nur eine Sprungeintragung, nicht aber die beantragte Zwischeneintragung umfasst, betrifft zwar auch dieses Vollmachtsverhältnis, weil es offenbar auf derselben Treuhandvereinbarung beruht. Ob sich ein Vollmachtsmangel aus dem Gesuch oder den mit diesem vorgelegten Urkunden ergibt, ist aber eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (5 Ob 217/18z mwN). Dem Rekursgericht, das hier aus den vorgelegten Urkunden keine Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegen das Bestehen der entsprechenden Vertretungsmacht des Bevollmächtigten abgeleitet hat, ist auch keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen.
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