OGH 8ObA39/22a

OGH8ObA39/22a29.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Thunhart und die fachkundigen Laienrichter Mag. Wolfram Hitz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. C*, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, Bildungsdirektion, 4020 Linz, Sonnensteinstraße 20, vertreten durch die Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2022, GZ 12 Ra 14/22y‑11, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00039.22A.0629.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war seit dem Jahr 2009 bei der Beklagten als Vertragslehrerin beschäftigt. Am ersten Schultag des neuen Schuljahres, dem 13. 9. 2021, wurde sie aufgefordert, sich zweimal wöchentlich in der Schule einem Antigen-Test und einmal wöchentlich extern einem PCR‑Test zu unterziehen. Als die Klägerin dies mit einer umfangreichen schriftlichen Erklärung ablehnte, wurde sie vom Direktor der Schule mit „Weisung COVID-Maßnahmen“ nochmals schriftlich zur Durchführung dieser Tests aufgefordert. Die Klägerin legte daraufhin noch am selben Tag einen Antigen‑Test vor, verweigerte aber weiterhin die Durchführung von PCR‑Tests. Später wurde sie auch von der Bildungsdirektion der Beklagten mit „Ermahnung und Weisung“ vom 28. 9. 2021 auf die Testpflicht nach der COVID-19-Schulverordnung 2021/22 hingewiesen und unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen zur wöchentlichen Vorlage eines PCR‑Tests aufgefordert. Da die Klägerin weiterhin keine PCR‑Tests vorlegte, wurde sie am 5. 10. 2021 vom Dienst freigestellt und am 7. 10. 2021 entlassen.

[2] Die Vorinstanzen haben die auf Feststellung des aufrechten Bestands des Dienstverhältnisses gerichtete Klage abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] 1. Nach § 5 Abs 3 und § 35 Abs 4 iVm § 4 Abs 1 lit d COVID‑19-Schulverordnung 2021/22, BGBl II 2021/374 idF BGBl II 2021/392, musste Lehr‑ und Verwaltungspersonal, das sich im Schulgebäude aufhält, aber weder geimpft noch genesen ist, nicht nur einen in der Schule durchgeführten Antigen-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist, sondern zumindest einmal in der Woche auch einen „von einer befugten Stelle durchgeführten molekularbiologischen Test auf SARS-CoV-2 (zB PCR‑Test)“ nachweisen. Dass der von der Klägerin vorgelegte Antigen-Test nicht ausreichend war, ergibt sich aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut der Verordnung, weshalb insoweit trotz Fehlens einer diesbezüglichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS‑Justiz RS0042656).

[5] 2. Angesichts der höheren Sensitivität und Verlässlichkeit von PCR‑Tests, mit denen bereits geringe Virusmengen nachgewiesen werden können, hat der VfGH Vorschriften, die für bestimmte Lebensbereiche einen Antigen-Test nicht ausreichen lassen, als sachlich gerechtfertigt qualifiziert (V 231/2021). Dass Personen, die weder geimpft noch genesen sind, im Hinblick auf die Notwendigkeit der Eindämmung der Pandemie strengeren Vorschriften unterliegen, ist nach der Rechtsprechung des VfGH nicht zu beanstanden, zumal davon ausgegangen werden darf, dass nicht immunisierte Personen, auch wenn sie getestet sind, ein deutlich höheres Übertragungsrisiko aufweisen (V 294/2021; V 23/2022). Dementsprechend hat der VfGH die Behandlung eines Individualantrags auf Aufhebung der Nachweispflichten der COVID‑19-Schulverordnung 2021/22 auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf körperliche Unversehrtheit sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz mangels Aussicht auf Erfolg abgelehnt (V 257/2021). Es bestehen insoweit keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität der COVID‑19-Schulverordnung 2021/22, weshalb hier auch keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RS0116943; RS0122865).

[6] 3. Das Verschulden der Klägerin ergibt sich aus dem Umstand, dass sie auch nach dem Hinweis auf die Vorgaben der COVID-19-Schulverordnung 2021/22 samt Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen die Durchführung der vorgeschriebenen PCR‑Tests verweigerte. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sie von der Verfassungs- und Gesetzeswidrigkeit der Verordnung ausgegangen sei, kann sie sich allein damit schon deshalb nicht entschuldigen, weil selbst verfassungs- oder gesetzwidrige Verordnungen vorweg bis zu ihrer Aufhebung durch den VfGH anzuwenden sind. Es ist nicht ersichtlich, warum sich der Arbeitgeber nicht an diesen der Sicherung des Schulbetriebs dienenden Vorschriften orientieren sollte (8 ObA 42/21s; 8 ObA 11/22h). Im Übrigen kann das Vorliegen der Voraussetzungen einer gerechtfertigten vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses immer nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0106298).

[7] 4. Die außerordentliche Revision der Klägerin war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Stichworte