OGH 2Ob80/22m

OGH2Ob80/22m30.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, den Senatspräsidenten Dr. Musger sowie die Hofräte Dr. Nowotny, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der * verstorbenen E*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der (pflichtteilsberechtigten) Kinder 1. J*, 2. F*, und 3. M*, alle vertreten durch Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 2. März 2022, GZ 22 R 341/21k‑122, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00080.22M.0530.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist allein die Frage, ob die im (Mit‑)Eigentum der 2016 verstorbenen Erblasserin stehenden Liegenschaften als Erbhof iSd § 1 AnerbenG zu qualifizieren sind. Nach den Feststellungen kann der Hof unter Zugrundelegung der hypothetischen Umstellung auf Bio‑Heumilch‑Kuhhaltung aus Land‑ und Forstwirtschaft jährliche Einnahmen von 67.049 EUR erwirtschaften; zur angemessenen Erhaltung zweier erwachsener Personen (§ 1 Abs 1 AnerbenG in der hier nach § 22 Abs 5 AnerbenG noch anzuwendenden Fassung BGBl 1989/659) sind (nur) 24.305 EUR erforderlich.

[2] 2. Die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofes ist nach objektiven Kriterien zu prüfen, wobei es auf eine durchschnittliche Wirtschaftsführung und nicht auf die konkrete Bewirtschaftungsart des Erblassers oder des präsumtiven Hofübernehmers ankommt. Maßgeblich ist, welches landwirtschaftliche Nettoeinkommen (als rechnerische Größe) aus dem landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers von einem durchschnittlichen Landwirt bei ortsüblicher Bewirtschaftung erzielt werden kann (RS0113948). Zur Ermittlung der objektiven Ertragsfähigkeit sind auch Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen einer im betroffenen Gebiet bisher noch nicht allgemein geübten, aber nach anerkannten allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen zweckmäßigen Bewirtschaftungsart zugrundezulegen, sofern diese in der Umgebung des zu beurteilenden Hofs nicht geradezu unüblich ist. Die entsprechende Leistungsfähigkeit des übergebenen Gutes kann auch mit einer möglichen Produktionsumstellung begründet werden. Der dadurch zu erzielende hypothetische Ertrag muss unter Berücksichtigung der Umstellungskosten und deren Aufteilung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt werden (2 Ob 182/19g Rz 23 mwN; vgl RS0050263).

[3] Die Feststellung der Erbhofeigenschaft richtet sich grundsätzlich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen (6 Ob 84/10m Punkt 1. mwN; 6 Ob 154/06z Punkt 5.; vgl RS0050224). Auch bei der Beurteilung der hypothetischen Ertragsfähigkeit ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers abzustellen (2 Ob 182/19g Rz 23).

[4] 3. Vor diesem Hintergrund zeigen die Revisionsrekurswerber mit ihrer Behauptung, die Vorinstanzen hätten bei ihren Berechnungen die sich aus dem Inkrafttreten der VO (EU) 2018/848 über die ökologische/biologische Produktion mit 1. 1. 2022 – sohin mehr als fünf Jahre nach dem Tod der Erblasserin – in der Weidetierhaltung ergebenden Änderungen berücksichtigen müssen, keine erhebliche Rechtsfrage auf. Im Übrigen legen die Revisionsrekurswerber nicht nachvollziehbar dar, welche konkreten Änderungen in den von den Sachverständigen vorgenommenen Berechnungen die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt erfordern würden. Sie nennen auch keine Bestimmungen der VO (EU) 2018/848, aus denen sich – wie von ihnen behauptet – ergeben würde, dass Grünlandflächen mit mehr als 25 % Steilheit für die Milchviehwirtschaft (generell) ungeeignet wären und entfernen sich in diesem Punkt überdies von den getroffenen Feststellungen.

[5] 4. Wenn sie argumentieren, dass nur 40 % der Grünlandflächen als mittel- bis hochwertig anzusehen seien, gehen die Revisionsrekurswerber ebenfalls nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sodass ihre Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043603). Gleiches gilt für die Behauptungen über die Kosten für den (hypothetischen) Umbau der Stallungen, mit denen sie im Ergebnis unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu erschüttern versuchen. Im Hinblick auf die Frage der von den Sachverständigen vorgenommenen Abschreibungen für am Hof vorhandene Maschinen erschöpfen sich die Ausführungen im Kern in einem unzulässigen Verweis auf im Rekurs abgebildete Tabellen (RS0007029 [insb T8]).

[6] 5. Selbst wenn man sowohl den von den Sachverständigen vorgenommenen Abschlag von 20 % für Wohnung und Verpflegungskosten (vgl dazu RS0114347) als auch die Einkünfte aus der Vermietung eines auf einer der Hofstellen vorhandenen Wohngebäudes (vgl dazu RS0114345) ausklammern wollte, würde dies auf Basis der übrigen Feststellungen nichts daran ändern, dass der beinahe 45 Hektar große Hof zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreicht. Es bedarf damit keiner näheren Auseinandersetzung mit den zu diesen Fragen gemachten Ausführungen im Revisionsrekurs.

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