European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00013.22T.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 5.476,32 EUR (darin enthalten 912,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin beauftragte die Beklagte mit der Planung und Lieferung einer aus mehreren Komponenten bestehenden Nasskiesaufbereitungsanlage um insgesamt 550.000 EUR. Die von beiden Seiten – der klagenden Partei als Kunden und der beklagten Partei (K*) – unterfertigten Kaufanträge vom 1. Dezember 2016 und Jänner 2017 enthielten auf der Rückseite jeweils die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten (künftig: AVB), die auszugsweise lauten:
„ 7. Gewährleistung:
K* leistet grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten ab Auslieferung vom Werk bzw. Meldung der Auslieferungsbereitschaft Gewähr.
[…] Der Kunde ist im Falle der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen verpflichtet, K* zur Verbesserung eine Frist von zumindest sechs Wochen ab der Übergabe des/der Geräte bzw. dem Beginn der Mängelbehebung vor Ort einzuräumen. Ansprüche auf Preisminderung oder Wandlung hat er nur unter der Voraussetzung, dass alle innerhalb dieser Frist durchgeführten Verbesserungsversuche K*s ergebnislos geblieben sind. K* haftet nicht für Folgeschäden. Schadenersatzansprüche gegenüber K* sind ausgeschlossen, sofern sie nicht auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten zurückzuführen sind. Insbesondere haftet K* nicht für Schäden, die auf eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung im In‑ oder Ausland zurückzuführen sind oder durch Störungen im Betrieb des Kunden verursacht wurden. Im Übrigen ist jede Ersatzpflicht K*s, aus welchem Rechtsgrund auch immer, (insb Produkthaftungsgesetz) ausgeschlossen, soweit dies gesetzlich zulässig ist. K* ist berechtigt, die Mängelbehebung zu verweigern, solange der Kunde seinen Verbindlichkeiten nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Festgehalten wird, dass die Geräte vom Kunden im Rahmen seines Unternehmens angeschafft wurden. [...]“
[2] Die AVB wurden nicht einzeln besprochen. Die Beklagte wies die Klägerin aber darauf hin, nur unter Zugrundelegung ihrer AVB kontrahieren zu wollen. Der Klägerin war dies zunächst zwar nicht recht, sie akzeptierte das jedoch schlussendlich.
[3] Im Verfahren begehrt die Klägerin von der Beklagten nunmehr aus den Rechtsgründen des Verzugs, der Gewährleistung und des Schadenersatzes die Zahlung von zuletzt 2.127.906,49 EUR sA (1.a.), weiters – gestützt auf Wandlung – die teilweise Rückabwicklung des Vertrags hinsichtlich einer Teilkomponente durch Zahlungvon 389.000 EUR sA (1.b.) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden aus der Planung und Lieferung der Aufbereitungsanlage (1.c.).
[4] Den hier interessierenden Begehren 1.a. und 1.c. hält die Beklagte unter anderem Punkt 7. der AVB entgegen, wonach sie nicht für Folgeschäden, Schäden durch Störungen im Betrieb und allgemein nur bei einem ihrer Ansicht hier nicht vorliegenden grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhalten hafte.
[5] Die Klägerin vertritt dazu den Standpunkt, dass der Haftungsausschluss nicht wirksam vereinbart worden sei, weil er sich ohne jeden Sachzusammenhang verborgen im Fließtext einer ansonsten bloß gewährleistungsrechtliche und insolvenzrechtliche Fragen behandelnden Regelung befinde und daher auch von einem aufmerksamen Geschäftsmann nicht entdeckt worden wäre. Ihr Anspruch auf Ersatz der durch die mangelhafte Planung und Montage der Anlage durch die Beklagte entstandenen „Kostenüberschreitungen“ bzw „nachträglichen Investitionen“ und des entgangenen Gewinns sowie auf Rückersatz von bezahlten, tatsächlich aber nicht erbrachten Planungsleistungen werde durch die AVB daher nicht tangiert.
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die AVB der Beklagten seien wirksam vereinbart worden; die darin enthaltene Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf sechs Monate und die Beschränkung von Schadenersatzansprüchen würden einer Geltungs‑ und Inhaltskontrolle standhalten.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil wegen Fehlens entscheidungswesentlicher Feststellungen auf und verwies die Sache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Obwohl die Klägerin ihre Ansprüche auch auf (grob fahrlässig) mangelhaft erbrachte Planungsleistungen der Beklagten gestützt habe, habe das Erstgericht keine konkreten Feststellungen zur Frage getroffen, ob und welche Planungsleistungen die Beklagte nach dem Vertrag erbringen hätte müssen sowie ob und in welchem Umfang sie solche tatsächlich erbracht habe. Ebenso wenig könne anhand der derzeitigen Sachverhaltsannahmen beurteilt werden, ob die Beklagte die Klägerin über eine etwaige Untauglichkeit der von ihr vorgegebenen Ausführung der Aufbereitungsanlage gewarnt habe. Überdies würden Feststellungen dazu fehlen, ob die Beklagte verpflichtet gewesen sei, das von ihr Gelieferte auch zu montieren, und ob die Beklagte die behaupteten Mängel vor allem durch die Zusage oder die Vornahme von Verbesserungsversuchen anerkannt habe. Die in Punkt 7. der AVB ohne Hervorhebung zwischen Gewährleistungsregeln enthaltenen Bestimmungen, mit denen eine Haftung der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes teilweise ausgeschlossen, teilweise eingeschränkt werde, seien nach § 864a ABGB unwirksam, zumal ein durchschnittlich sorgfältiger Leser an dieser Stelle nicht mit derartigen Regelungen rechnen müsse.
[8] Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil die Frage, ob solcherart versteckte Klauseln wirksam seien, über den Anlassfall hinausreiche.
[9] Gegen die Aufhebung auch der Entscheidung über dasZahlungsbegehren (1.a.) und das Feststellungsbegehren (1.c.) richtet sich der von der Klägerin beantwortete Rekurs der Beklagten, mit dem sie insofern die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
[11] 1. Zunächst ist mit Blick auf die Ausführungen in der Rekursbeantwortung klarzustellen, dass bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Gesamtzusammenhang der Vereinbarung und die Umstände, unter denen sie abgegeben wurden, zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0017817 [T3]; RS0017902). Es kommt darauf an, welchen Sinn Erklärungen bei objektiver Beurteilung der Sachlage notwendigerweise für den Empfänger haben mussten, wie sie also für einen redlichen und verständigen Vertragspartner zu verstehen waren (vgl RS0017781).
[12] Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die AVB seien auf den vorliegenden Vertrag grundsätzlich anwendbar. Zwar ist richtig, dass in deren Punkt 1. „Allgemeines“ davon die Rede ist, dass die Klägerin (nur) „Geräte, Ersatzteile und Zubehör“ aufgrund der AVB verkauft. Ob die Aufbereitungsanlage unter einen dieser Begriffe zu subsumieren ist, ist für die Relevanz der AVB für das vorliegende Vertragsverhältnis aber nicht entscheidend. Die Klägerin übergeht, dass die Beklagte sie nach den (von ihr nicht bekämpften) Feststellungen ausdrücklich darauf hinwies, nur unter Zugrundelegung ihrer AVB kontrahieren zu wollen, und im Kaufantrag auch festgehalten wurde, dass sie zu den „umseitig angeführt[en]“ AVB bestellt. Dies konnte die Beklagte bei objektiver Betrachtung als Zustimmung der Klägerin auffassen, dass die in den AVB enthaltenen Regelungen jedenfalls (und damit auch unabhängig von ihrem nunmehrigen Einwand) gelten sollen. Hat ein Vertragspartner nämlich Kenntnis über einen konkreten Regelungswunsch des anderen und stimmt er einer entsprechenden Formulierung zu, klärt aber nicht darüber auf, dass er diesem Wunsch bei der Vertragserfüllung unter Berufung auf eine andere Vertragsbestimmung nicht nachkommen will, kann ein redlicher Erklärungsempfänger dies als uneingeschränkte Zustimmung zur gewünschten Regelung verstehen (2 Ob 58/21z; RS0017915 [T42]).
[13] 2. Zwar ist die vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage für die Entscheidung präjudiziell. Allerdings ist die Beantwortung der Frage, ob eine Klausel nach § 864a ABGB ungewöhnlich ist, von der Kasuistik des Einzelfalls geprägt und auf die konkrete Rechtsbeziehung zugeschnitten, sodass dieser Rechtsfrage grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RS0122393; RS0014646 [T7]). Als Einzelfallentscheidung ist sie nur dann durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar, wenn sie sich nicht im Rahmen der Vorgaben der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bewegt und daher im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren ist (3 Ob 25/12s). Das ist hier nicht der Fall.
[14] 2.1. Zur Geltungskontrolle nach § 864a ABGB existiert bereits umfangreiche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Diese lässt sich dahin zusammenfassen, dass eine Klausel dann objektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB ist, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RS0014646; 5 Ob 117/21y [Rz 13] ua). Die Ungewöhnlichkeit hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren (RS0014627 [T3] und [T15]; 4 Ob 63/21z [Rz 11] ua). Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung vor allem aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergibt (RS0014659 insb [T2]; 9 Ob 46/21m [Rz 15] ua). Sie dürfen im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2], RS0014646 [T14]). Erfasst sind dabei alle nachteiligen Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts, mit denen nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht zu rechnen war (RS0105643 ua).
[15] 3. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen.
[16] Die AVB befinden sich auf einer DIN A4-Seite, die zweispaltig, einzeilig und mit kleiner Schrift bedruckt ist. Die Überschriften (Punkte 1. bis 8.) sind jeweils fett gedruckt.
[17] Unter der Überschrift „Gewährleistung“ wird der durchschnittlich sorgfältige Leser thematisch in erster Linie Regelungen über die verschuldensunabhängigen Folgen mangelhafter Leistungen der Beklagten und keinen weitgehenden Ausschluss oder eineBeschränkung etwaiger Schadenersatzansprüche erwarten, vor allem nicht für (Mangel‑)Folgeschäden, die keine Parallele zu den Gewährleistungsrechten aufweisen (9 Ob 31/13v; P. Bydlinski in KBB6 § 933a Rz 10). Keine andere Überschrift lässt vermuten, dass in den AVB die (Beschränkung der) Haftung der Beklagten für von ihr (schuldhaft) verursachte Schäden geregelt wird. Auch wenn von Unternehmern größere Aufmerksamkeit zu verlangen ist (RS0014612 [T1]), liegt es daher nahe, dass Vertragspartner der beklagten Partei davon ausgehen, dass es zu diesem Thema keine besonderen Bestimmungen in den AVB gibt. Dazu kommt, dass die Klauseln in den Fließtext integriert sind, ohne dass sie in irgendeiner Form, etwa mittels Fettdruck oder Einfügen eines neuen bzw eigenen Absatzes, von den vorher und nachher getroffenen, rein Fragen der Gewährleistung (und im Anschluss die Insolvenz des Kunden) behandelnden Regelungen abgegrenzt werden. Wenn das Berufungsgericht angesichts dessen davon ausgeht, es sei überraschend, wenn die Beschränkung der Haftung der Beklagten für von ihr verursachte Schäden unter dem Punkt „7. Gewährleistung“ abgehandelt wird, und die Freizeichnungsklauseln überdies im Text versteckt seien, ist das nach der Lage des Falls durchaus nachvollziehbar und ist von höchstgerichtlicher Rechtsprechung gedeckt.
[18] 4. Die dagegen ins Treffen geführten Argumente der Beklagten überzeugen nicht.
[19] 4.1. Für die Unzulässigkeit einer Regelung nach § 864a ABGB kommt es nicht darauf an, ob diese zwischen Unternehmern üblich ist. Selbst eine weite Verbreitung einer Klausel in einer Branche steht der Geltungskontrolle nicht entgegen, weil nicht die tatsächlichen, sondern die redlichen Verkehrsgepflogenheiten den Prüfungsmaßstab bilden (RS0014646 [T10, T16]). Nur weil bestimmte Klauseln häufig Verwendung finden, sind sie aus Sicht des Vertragspartners noch nicht als im redlichen Verkehr üblich anzusehen (RS0014646 [T15]). Wenn die Beklagte noch meint, eine Klausel sei bloß dann unzulässig iSd § 864a ABGB, wenn sie per se, das heißt losgelöst vom konkreten Vertragsverhältnis, ungewöhnlich ist, fokussiert sie sich ausschließlich auf den Inhalt der Regelung, auf den es aber nicht alleine ankommt.
[20] 4.2. Der geforderten Auseinandersetzung damit, ob auch bloß subjektiv ungewöhnliche Regelungen von § 864a ABGB erfasst werden (vgl Riedler in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 864a Rz 36), bedarf es nicht, weil das Berufungsgericht die Klauseln zutreffend als bereits objektiv ungewöhnlich erachtet hat (siehe dazu RS0014627).
[21] 4.3. Für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofs spielen weder der Umstand, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung zu gleichen oder ähnlichen Klauseln fehlt (RS0121516 [T4]), noch die bloße Häufigkeit der Verwendung strittiger Klauseln (RS0121516 [T38]; RS0042816 [T1]) eine Rolle.
[22] 5. Da sich die Entscheidung des Berufungsgerichts in dem von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen bewegt, ist der Rekurs der beklagten Partei zurückzuweisen.
[23] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die – mangels Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung verneinte – Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist die Kostenentscheidung nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten (RS0123222). Die Klägerin hat auf die fehlende Zulässigkeit des Rekurses hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RS0123222 [T8]).
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