European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00091.22V.0524.000
Spruch:
Die Revision wirdzurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 501,91 EUR (darin enthalten 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die im Süden an die dem Beklagten gehörige Liegenschaft angrenzt. Der Rechtsvorgänger der Klägerin räumte 1976 ua dem Beklagten als Eigentümer der herrschenden Liegenschaft die Servitut des Fahrtrechts über die dienende Liegenschaft entlang eines durch eine Skizze bestimmten Verlaufs (nordwestlich der Liegenschaft des Beklagten) ein, damit der Beklagte das Tor des Schweinestallgebäudes (auf der herrschenden Liegenschaft) erreichen kann. Dieses Gebäude wird nicht mehr als Schweinestall genützt.
[2] Die Klägerin begehrt mit ihrer Eigentumsfreiheitsklage zum einen die Feststellung, dass dem Beklagten entlang der nördlichen Grenze seiner Liegenschaft keine Servitut auf der klägerischen Liegenschaft zukomme. Der Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Ersitzung einer Servitut in diesem Bereich. Zum anderen stellt die Klägerin ein Unterlassungsbegehren dahin, dass dem Beklagten verboten werde, den (bis zum Tor des Schweinestallgebäudes reichenden) Servitutsweg zu anderen Zwecken als für die Entmistung des Schweinestalls, der Betreuung des Stalls und für Bauzwecke zu nutzen. Ungeachtet der Auflassung der Schweinehaltung werde der Servitutsweg weiterhin für die Zu‑ und Abfahrt zu diesem Gebäude genutzt. Die beiden Begehren wurden jeweils mit 2.500 EUR bewertet.
[3] Das Erstgericht gab der Feststellungsklage statt und wies das Unterlassungsbegehren ab.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten zum Feststellungsbegehren teilweise Folge. Das angefochtene Urteil wurde dahin bestätigt, dass festgestellt wurde, der Beklagte komme hinsichtlich eines (näher beschriebenen) Teilbereichs entlang der nördlichen Grenze seiner Liegenschaft keine Servitut zu. Hingegen wurde das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren abgewiesen. Der Berufung der Klägerin gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens wurde rechtskräftig nicht Folge gegeben.
[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und des Unterlassungsbegehrens jeweils 5.000 EUR nicht übersteige. Die beiden Begehren seien nicht zusammenzurechnen, weil sich die Klage gegen verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten richte. Die Revision sei in Ansehung beider Begehren jeweils jedenfalls unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
[6] DieRevision des Beklagten, die sich gegen den stattgebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet, ist absolut unzulässig.
[7] 1. Eine Revision ist jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat (Entscheidungsgegenstand), an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 EUR nicht übersteigt (§ 502 Abs 2 ZPO).
[8] 2.1. Das Berufungsgericht hat, wenn der Entscheidungsgegenstand – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, über den Wert des Entscheidungsgegenstands abzusprechen (§ 500 Abs 2 Z 1 ZPO). Diese Bewertung ist grundsätzlich für den Obersten Gerichtshof bindend (RS0042385, RS0042515), es sei denn, das Berufungsgericht hätte zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften verletzt (RS0042450; RS0042515 [T4, T8, T15]) oder den ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessensspielraum überschritten (RS0042385 [T8, T9, T13]; RS0042450 [T7, T19]).
[9] 2.2. Eine Verletzung zwingender Bewertungs‑vorschriften oder ein unvertretbares Überschreiten des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums zeigt der Beklagte nicht auf. Der Hinweis auf den rechnerischen Kaufpreis des strittigen Grünstückstreifens kann eine solche Unterbewertung im Anlassfall schon deshalb nicht stützen, weil es vorliegend nicht um das Eigentum, sondern um das Nichtvorliegen einer Servitut geht.
[10] 3. Gegen die absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels spricht auch nicht der Umstand, dass das Berufungsgericht auch über das Unterlassungsbegehren zu entscheiden hatte.
[11] 3.1. Werden in einer Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096). Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen (hier: Befahren des Servitutswegs zu vertragswidrigen Zwecken, Benutzung eines Grünstreifens abseits des Servitutswegs) stehen nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RS0110012).
[12] 3.2. Der zutreffenden Beurteilung des Berufungsgerichts, dass in Ansehung der beiden Begehren keine Zusammenrechnung zu erfolgen habe, tritt das Rechtsmittel nicht entgegen.
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