OGH 15Os34/22x

OGH15Os34/22x27.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann im Verfahren zur Unterbringung des J* B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Dezember 2021, GZ 25 Hv 78/21a‑44, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00034.22X.0427.000

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Begehung der Anlasstat (einschließlich der Zurechnungsunfähigkeit) und deren Subsumtion unberührt bleibt, in der Anordnung der Unterbringung des J* B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J* B* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 28. Juli 2021 in S* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer psychischen Störung sowie einer Verhaltensstörung durch Alkohol (Abhängigkeitssyndrom) und einer organischen wahnhaften schizophrenieformen Störung (vor allem einer narzisstisch-dissozialen Persönlichkeitsstörung), A* B* gefährlich mit dem Tod sowie mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er unter Hantieren mit einem zumindest 20 cm langen Messer und mit bedrohlicher Gestik und Mimik zu ihr sagte: „Bist du nervös und hast du Angst“, sohin eine Tat begangen hat, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster und zweiter Fall StGB mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht ist.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise Berechtigung zukommt.

[3] Dass das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem objektiven Tatgeschehen“ abgeleitet hat (US 13), ist – der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider – mit Blick auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten (US 6 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

[4] Indem die Beschwerde der Beweiswürdigung (US 13) zur festgestellten (US 5) Absicht des Betroffenen, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, die Behauptung entgegensetzt, die Aussage der Zeugin A* B* vor der Polizei lasse keinen Schluss auf die geforderte Absichtlichkeit zu, wird keine Nichtigkeit aufgezeigt (vgl zu zulässigen Wahrscheinlichkeitsschlüssen RIS‑Justiz RS0098471), sondern die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung kritisiert.

[5] Warum die Erwägungen des Schöffengerichts, der Betroffene habe die Absicht gehabt, „A* B* in Furcht und Unruhe zu versetzen und seiner Mutter durch die Ankündigung des Todes begründete Besorgnis um ihr Leben einzuflößen“ (US 14), undeutlich sein sollen (vgl dazu aber RIS‑Justiz RS0099425), erklärt die Rüge nicht. Mit der Behauptung, diese Ausführungen würden keine Grundlage im Akteninhalt haben, wird ein Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht prozessordnungskonform aufgezeigt.

[6] Dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit der Verantwortung des Betroffenen auseinandergesetzt, diese jedoch „als reine Schutzbehauptung“ gewertet (US 7).

[7] Die Behauptung, verlesenen schriftlichen Aussagen könne nicht die gleiche Beweiskraft wie mündlich abgelegten zugemessen werden (vgl aber § 258 Abs 2 StPO), erschöpft sich in in dieser Form unzulässiger Beweiswürdigungskritik.

[8] Zutreffend zeigt aber die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) auf, dass die bloß auf die verba legalia gestützte Annahme des Schöffengerichts, der Angeklagte werde mit hoher Wahrscheinlichkeit unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen“ begehen (US 6, 8, 15 f), mangels Umschreibung der Prognosetat zumindest ihrer Art nach (einschließlich der tatbestandsmäßigen Folgen und darüber hinausgehender konkreter Tatauswirkungen) keine ausreichende Feststellungsgrundlage darstellt, welche die rechtliche Beurteilung der befürchteten Begehung einer Tat mit schweren Folgen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0108487) ermöglicht (RIS‑Justiz RS0118581 [T3, T9, T10], RS0113980 [T8, T10]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 721; ders in WK² StGB § 21 Rz 26 f; Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 44).

[9] In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Begehung der Anlasstat (einschließlich der Zurechnungsunfähigkeit) und deren Subsumtion unberührt zu bleiben hatte, in der Unterbringungsanordnung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Eisenstadt zu verweisen (§ 285e StPO).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen war jedoch zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[11] Mit seiner Berufung war der Betroffene auf diese Entscheidung zu verweisen.

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